16.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 210 / Tagesordnungspunkt 28 + ZP 8 + ZP 9

Gabriela HeinrichSPD - Berichte über Menschenrechte und Demokratie

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Nachdem wir uns jetzt wieder ein bisschen beruhigt haben,

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ich will mich nicht beruhigen!)

möchte ich an dieser Stelle, Kollege Fabritius, schon noch sagen: Ich bin ein bisschen erstaunt. Ich kenne Sie ja durchaus als jemanden, der sich für die Menschenrechte in verschiedenen Ländern dieser Welt einsetzt. Natürlich müssen wir uns aber auch um die Menschenrechte in unserem Land kümmern, und ich glaube, wir haben hier auch keinen Dissens.

Die Aufgabe unseres Menschenrechtsinstituts ist es also, den Finger in die Wunde zu legen und genau zu zeigen, wo es bei uns mangeln könnte. Wenn wir uns damit inhaltlich auseinandersetzen, dann kann es durchaus passieren, dass Sie eine andere Auffassung haben als wir und dass Ihnen bestimmte Bereiche fehlen. Das hängt von der politischen Bewertung ab. Die Aufgabe des Instituts ist es aber, das zu benennen.

Wenn Sie sich hierhinstellen und das Institut in seiner Gänze und alles, was es tut, infrage stellen, dann frage ich mich: Sind Sie wirklich daran interessiert, zu wissen, an welchen Stellen Menschenrechtsverletzungen in unserem Land vorkommen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin Heinrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fabritius?

Ja. Ich würde aber gerne irgendwann zu meiner Rede kommen. – Herr Fabritius.

Vielen Dank. – Frau Kollegin, haben Sie bei meiner Rede mitbekommen, dass ich die Bedeutung der objektiven Beobachtung und der kritischen Ansprache zu Menschenrechtsproblemen unterstrichen habe und mir ein Institut gewünscht habe, das stark, selbstbewusst, sachlich und objektiv kritisch anspricht, worum es geht? Ist Ihnen das in der Rede entgangen?

(Zurufe der Abg. Inge Höger [DIE LINKE] und Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Noch eine zweite kurze Frage: An welcher Stelle habe ich nach Ihrer Meinung die Existenz des Instituts als solches infrage gestellt? Woran machen Sie das fest?

Danke.

Zu Ihrer zweiten Frage. Wenn Sie über die Finanzierung des Instituts reden, dann stellen Sie indirekt, aber doch implizit die Erfüllung bestimmter Aufgaben des Instituts infrage. Das muss ich Ihnen so sagen. Das ist das, was bei den Kollegen ankommt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zu der anderen Frage. Ich habe wohl gehört, was Sie gesagt haben. Sie haben Begriffe wie „sachlich“ benutzt. Nur, Ihre Rede war nicht sachlich.

(Sylvia Pantel [CDU/CSU]: Doch, sehr sachlich! – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Das war die erste sachliche Rede heute zu dem Thema!)

Ihre Rede hat sich nicht auf das bezogen, was Sie selbst eingefordert haben. Natürlich gehört ein bisschen Interpretation zu jeder Rede, zu jedem Bericht und zu dem, was wir in unseren Köpfen haben, wie wir Dinge bewerten. Das heißt, gehört habe ich es wohl, verstanden habe ich es so nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde jetzt ganz gern noch ein bisschen zu meinem Thema kommen.

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das wäre gut!)

Mein Thema ist eines, das durchaus auch im Bericht des Menschenrechtsinstituts vorkommt, nämlich das Thema „Rassismus und rassistische Gewalt“. Es kommt aber nicht nur im Bericht unseres Instituts vor, sondern, Herr Kollege, zum Beispiel auch im Bericht des rumänischen Kollegen Cezar Florin Preda in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Es kommt selbstverständlich auch bei der internationalen Gemeinschaft vor. Es geht also um Rassismus als Quelle von Menschenrechtsverletzungen in Deutschland.

Ich denke, wir müssen dies deutlich ernster nehmen als bisher. Auch das Institut geht sehr wohl auf den zunehmenden Rassismus in Deutschland ein. Bei dem Thema wird faktisch ein Anstieg von politisch motivierter Kriminalität und Gewalt von rechts benannt. Das BKA verzeichnete 2015 über 1 000 politisch motivierte Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte. Das ist ein Fakt. An der Stelle können wir nicht von Interpretation reden. Das war eine Vervierfachung im Vergleich zu 2014. Im ersten Halbjahr 2016 gab es bereits 530 solcher Gewalttaten. Hinzu kommen körperliche Angriffe und Drohungen auf bzw. gegen Journalistinnen und Journalisten, Helferinnen und Helfer, Ehrenamtliche. All das findet in Deutschland statt. Es gibt Morddrohungen auch gegen Politiker und Politikerinnen. Die ersten Rücktritte von Lokalpolitikern sind die Folge. Alle diese Geschehnisse, meine Damen und Herren, sind Menschenrechtsverletzungen. Das sieht auch die internationale Gemeinschaft so.

Dieser Anstieg der Gewalt ist auch eine Folge von Hass, von Verschwörungstheorien und Lügen in nicht moderierten sozialen Medien und Foren. Ein bestimmter Teil unserer Gesellschaft glaubt dieser hetzerischen Propaganda mehr als einer ausgewogenen Berichterstattung. Hass im Netz ist die Folge. Und Hass im Netz ist ein Angriff auf die Menschenrechte, ist ein Angriff auf die Würde jedes und jeder Einzelnen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Frank Heinrich [Chemnitz] [CDU/CSU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in beiden Berichten wird viel beschrieben, analysiert, gelobt, bemängelt, empfohlen. Der EU-Bericht ist ein wichtiges Nachschlagewerk, das viel Wissenswertes darbietet, auch über Menschenrechtsinstrumente. Wir würdigen ihn zu Recht in unserer Beschlussempfehlung.

Wir haben aktuell allerdings zu dem Thema, das ich eben benannt habe, keine schnellen Lösungen. Es gibt aber Gegenmaßnahmen. Gegen Hass kämpft die „No Hate Speech“-Kampagne des Europarats, die wir hier in Deutschland umsetzen, unterstützt durch das Familienministerium. Meine niederländische Kollegin Marit Maij arbeitet an einem Bericht für die Parlamentarische Versammlung des Europarats mit vielen Forderungen und vor allem dem Appell an die Europäer, ihre Demokratien vor der gedanklichen Vermüllung durch Lügen und Propaganda zu schützen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, wir werden gemeinsam sozusagen angegriffen von Filterblasen, die vermeintlich die Meinung, das Interesse der Mehrheit verkünden, Filterblasen, in denen immer lauter, immer schriller, immer hysterischer gehetzt wird, bei denen es letztendlich aber nur darum geht, durch Klicks und Likes Werbung zu verkaufen. Damit wird unendlich viel Geld verdient. Deshalb lautet eine Forderung für die Mitgliedstaaten des Europarats, dass Internetkonzerne endlich nationale Gesetze einhalten müssen. Facebook und Co. müssen Hasskommentare löschen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht nicht nur darum, Fake News zu kennzeichnen und zu entscheiden, was wahr und was falsch ist. Es geht um Hasskommentare. Es geht um Angriffe auf die Menschenwürde und auf die Menschenrechte. Es kann nicht sein, dass unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit Gesetze gebrochen werden. Der Slogan der „No Hate Speech“-Kampagne bringt es auf den Punkt: „Hass ist keine Meinung“.

Danke.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zum Abschluss dieser Debatte hat die Kollegin Sylvia Pantel für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046154
Wahlperiode 18
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Berichte über Menschenrechte und Demokratie
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta