Sylvia PantelCDU/CSU - Berichte über Menschenrechte und Demokratie
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der hitzigen Diskussion versuche ich, etwas ruhiger vorzutragen, obwohl ich die Kritik sehr wohl berechtigt finde. Da wir an anderen Stellen Transparenz fordern und dazu auffordern, Hassspeech und Ähnliches zu löschen, ist es wichtig, Informationen zu bekommen, mit denen wir etwas anfangen können. Deshalb fand ich diese Diskussion sehr informativ und gut.
Der Internationale Tag der Menschenrechte ist von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden. In unserem Lebensalltag spielen Menschenrechte nur selten eine bewusste Rolle. Unser Recht, uns frei zu bewegen, Meinungs- und Glaubensfreiheit, die Sicherheit, in einem Rechtsstaat zu leben, die freie und vielfältige Presse, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau – all diese Menschenrechte nutzen und leben wir im Alltag und vergessen viel zu oft, dass das nicht selbstverständlich ist.
Wenn uns die Menschenrechte viel bedeuten, müssen wir aber auch innerhalb und außerhalb der Europäischen Union das Wort erheben, wenn die Rechte Einzelner systematisch verletzt werden. Im vergangenen Jahr hat die EU mit 35 Partnerländern formelle Menschenrechtsdialoge geführt. Dadurch konnten wir als Europäer nicht nur unseren Partnern zeigen, wie wichtig uns die Einhaltung der Menschenrechte ist. Auch die zivilgesellschaftlichen Akteure vor Ort werden durch diese Menschenrechtsdialoge gestärkt.
Der uns hier vorliegende Bericht richtet den Blick nach außen. Wenn wir an Menschenrechtsverletzungen denken, dann kommen uns sofort Länder wie Nordkorea, China, Saudi-Arabien, Eritrea oder – in jüngster Zeit auch immer wieder; das haben auch die Kollegen gesagt – die Türkei in den Sinn. Aber auch bei uns in Europa und – ja – auch mitten in Deutschland finden Tag für Tag Menschenrechtsverletzungen statt. Hier müssen wir genauer hinsehen, und das nicht nur wegen der Flüchtlingsströme.
Menschenrechte sind nichts, was man einfach abhaken kann. Sie müssen auch bewahrt werden. Zu den großen Fragen der Bürgerrechte kamen in der Vergangenheit immer neue Themen hinzu. Früher wurde zum Beispiel über das Recht einer Frau diskutiert, ohne Erlaubnis des Ehemannes außerhäuslich erwerbstätig zu sein. Heute drehen sich die Diskussionen in der Öffentlichkeit außerhalb des Menschenrechtsausschusses um Gendersternchen und geschlechtersensible Toiletten. Wir verlieren uns derzeit zu oft im Klein-Klein und sehen nicht die täglichen, fundamentalen Menschenrechtsverletzungen, obwohl sie direkt vor unseren Augen passieren.
Wir dürfen den Schutz des Rechtsstaates nicht vergessen. Nehmen wir zum Beispiel manche Stadtteile und Gegenden in Frankreich und Belgien oder auch hier in Berlin oder bei mir zu Hause in NRW. Dort haben sich mittlerweile Parallelgesellschaften gebildet, die ihr eigenes Recht durchsetzen: Friedensrichter, die nach Schariarecht urteilen, Kinderehen und Frauen, die sich nicht scheiden lassen dürfen, Genitalverstümmelungen oder sogenannte Ehrenmorde, bei denen der Täter davonkommt, weil zwischen den Familien eine Geldzahlung vereinbart wurde, um den Tod der Frau auszugleichen. Diese Gruppen wollen die Probleme unter sich regeln und nichts mit dem westlichen, weltlichen Staat zu tun haben. Als Menschenrechtspolitiker müssen wir uns dagegenstellen, dass sich einzelne Gruppen – egal ob aus kulturellen oder religiösen Gründen – über unseren Rechtsstaat hinwegsetzen.
In Europa herrscht eine so große Religionsfreiheit, wie sie nirgendwo sonst auf der Welt zu finden ist. Jeder darf glauben, an wen oder was er will, und sich entscheiden, ob er überhaupt glauben will. Die Religionsfreiheit in Europa bedeutet aber nicht, dass die Religion über dem Gesetz stehen darf. Der Minderheitenschutz in Europa hat unter anderem dazu geführt, dass wir muslimischen Einwanderern immer weiter gehende Rechte eingeräumt haben und dabei vergessen wird, dass die anderen Menschenrechte genauso zu schützen sind. Es darf nicht sein, dass Karikaturisten in Dänemark um ihr Leben fürchten, weil sie einen Comic mit Allah gezeichnet haben. Es darf nicht sein, dass wir christliche Flüchtlinge in Unterkünften europaweit nicht gut genug vor Übergriffen schützen können. Und es darf nicht sein, dass Religionsunterricht in Deutschland dazu genutzt wird, den Krieg gegen die Ungläubigen und den Märtyrertod zu verherrlichen.
Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist immer noch ein Thema. Als Mitglied im Familien- und Menschenrechtsausschuss beziehen sich meine Berichterstattungen und Arbeitsschwerpunkte auf die Belange der Frauen und auf die immer noch stattfindende, nicht zu tolerierende Gewalt gegen Mädchen und Frauen. Ich blicke auf die existenziellen Probleme von Frauen und ärgere mich, wenn unsere Aufmerksamkeit nicht auf die wichtigen Themen gerichtet wird, sondern auf vermeintlichen Sexismus auf Werbeplakaten oder auf die eben genannten Gendersternchen, Unterstriche und ähnliche Dinge.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In unserem Land leben über 40 Millionen Frauen. Darunter sind viel zu viele, die nicht die Möglichkeit haben, selbstbestimmt und frei zu entscheiden und zu leben. In Deutschland haben sich Parallelgesellschaften entwickelt, in denen Frauen und Mädchen nicht die gleichen Rechte haben wie die Männer. Gegen diese strukturellen Missstände müssen wir als Staaten vorgehen; über diese Themen müssen wir in Europa sprechen – in Frankreich, in Belgien, aber eben auch in Deutschland.
Zwangsprostitution und Menschenhandel sind noch immer ein Thema in Europa und den EU-Nachbarländern. Tausende junge Frauen aus Südosteuropa werden in Deutschland sexuell ausgebeutet. Das Prostituiertenschutzgesetz ist ein erster Schritt auf dem Weg, hier Licht ins Dunkel zu bringen und die Frauen zu schützen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber auch hier ist mehr europäische Kooperation dringend nötig.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas zur Aufgabe der EU im Hinblick auf potenzielle Beitrittskandidaten sagen. Wenn wir heute in den Nachrichten aus der Türkei hören und lesen, wie Journalisten verfolgt werden und Kritiker von Präsident Erdogan ohne rechtsstaatliche Prozesse in irgendwelchen Gefängnissen verschwinden, dann zeigt dies meiner Meinung nach, dass dieser Staat weit davon entfernt ist, potenzielles EU-Mitglied zu sein.
Durch die Finanzkrise und die Flüchtlingsbewegungen des vergangenen Jahres haben wir leider gesehen, dass sich Europa noch immer schwertut, mit einer Stimme zu sprechen. Wenn es aber um die Menschenrechte geht, dann darf es in unserem Europa keine Zwischentöne geben, dann müssen wir in aller Deutlichkeit rote Linien ziehen und sagen: So nicht!
Ich wünsche Ihnen trotz allem gesegnete Weihnachten und dass Sie die Zeit genießen; denn wir können hier in Frieden und Freiheit leben. Ich bitte Sie, dass wir gemeinsam den Blick auf die Unfreiheit richten, die es in unserem Land noch gibt, und dagegen angehen.
Herzlichen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7046155 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Berichte über Menschenrechte und Demokratie |