16.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 210 / Tagesordnungspunkt 29

Dirk FischerCDU/CSU - Bahnpolitik

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die wirtschaftliche Lage der Staatsbahnen war Anfang der 90er-Jahre dramatisch. Wir müssen uns einmal daran erinnern, wo wir herkommen: Der Verkehrsträger Schiene drohte seine intermodale Konkurrenzfähigkeit vollständig zu verlieren. Wir hatten steigende Haushaltsbelastungen durch ungeplante Milliardenverluste, die jährlich vom Bundeshaushalt aufgefangen werden mussten. Deswegen ist die im Dezember 1993 vom Bundestag beschlossene Bahnreform dringend notwendig gewesen als eine wichtige Weichenstellung für die Bahnpolitik. Aber sie war natürlich auch dringend notwendig, weil wir die Integration der Reichsbahn schaffen mussten.

Ich will daran erinnern, dass wir dann ab 1994 die Deutsche Bahn AG als ein Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form, aber im Eigentum des Bundes geführt haben. Ebenso wichtig war uns damals die Öffnung des deutschen Schienennetzes für nichtstaatliche Bahnunternehmen. Das Ziel lautete: Mehr Wettbewerb schafft mehr qualitativ hochwertige und bezahlbare Angebote. Nichtbundeseigene Schienenunternehmen haben sich in diesen Jahren deutliche Marktanteile erobert. Ich denke hier an die Sparten Nahverkehr und Güterverkehr: Der Anteil der privaten Unternehmen ist – gemessen an den Trassenkilometern – von 2 Prozent im Jahr 1999 auf mittlerweile 25 Prozent im Jahr 2014 gestiegen.

Die staatliche Aufgabe besteht darin, die Investitionen in die bundeseigene Schieneninfrastruktur zu tragen und Neu- und Ausbau sowie Erneuerung zu finanzieren. Für die Ersatzinvestitionen in das bestehende Schienennetz sowie für Neu- und Ausbau haben wir im Haushalt 2016 rund 4,7 Milliarden Euro vorgesehen. Durch zusätzliche Mittel für Verkehrsinvestitionen steigen diese Investitionsmittel für die Schiene bis 2018 schrittweise auf rund 5,6 Milliarden Euro an. Insgesamt wird der Bund für Ersatzinvestitionen und Instandhaltung im Rahmen der LuFV II von 2015 bis 2019  28 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Dann muss darauf hingewiesen werden, dass der Bund seit der Übertragung der Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr auf die Bundesländer ab 1996 den Ländern mit Regionalisierungsmitteln – mittlerweile 8,2 Milliarden Euro – eine nachhaltige finanzielle Unterstützung gibt. Bis 2031 werden die Länder für diesen Zweck insgesamt mehr als 150 Milliarden Euro aus dem Steueraufkommen des Bundes erhalten.

Die Bahnreform hat die Grundlage dafür geschaffen, dass der Schienenverkehr in Deutschland nach Jahren des Niedergangs einen neuen Aufschwung erlebt hat. Wir können eine positive Entwicklung sowohl im Güter- als auch im Personenfern- und -nahverkehr bilanzieren.

Seit der Bahnreform hat sich der Verkehr auf der Schiene in Deutschland beim Personenverkehr deutlich erhöht. 1994 waren es 65,2 Milliarden Personenkilometer, 2015 über 91 Milliarden Personenkilometer; ein Plus von knapp 40 Prozent. Der Güterverkehr legte von 70,6 Milliarden Tonnenkilometern auf über 116 Milliarden Tonnenkilometer zu; ein Plus von knapp 65 Prozent. Das sind eindeutige Erfolgszahlen, die niemand ignorieren kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sprich mal vom Verkehrsanteil! Der Verkehrsanteil ist entscheidend!)

Darüber hinaus erwirtschaftete die Deutsche Bahn AG 2013 ein um 5,2 Milliarden Euro höheres operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern, also das EBIT, als 1994. Seit 2009 zahlt dieses Unternehmen dem Eigentümer Bund eine Dividende von bisher insgesamt 1,75 Milliarden Euro.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ja, und 2,5 Milliarden haben Sie jetzt als Zuschuss beschlossen!)

Allein in Deutschland wurden 2012 von der DB AG 2,9 Milliarden Euro aus Eigenmitteln investiert, 11 000 Mitarbeiter neu eingestellt und rund 2 400 Auszubildende übernommen.

Der Bund als Eigentümer hat gegenüber der DB AG eine besondere Verpflichtung. Es wurde schon dargestellt: Der Haushaltsausschuss hat mit der Eigenkapital­erhöhung und einem befristeten Verzicht auf einen Teil der Dividende diese Verantwortung des Bundes für sein Unternehmen ganz deutlich dokumentiert.

Wenn die Grünen in ihrem Antrag ausführen, dass der Anteil des Schienenverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen stagniert und der Schienengüterverkehr rückläufig ist, dann sind das im Grunde genommen falsche Behauptungen, die durch nichts bewiesen werden.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, 17 Prozent Anteil! Das ist Stagnation!)

Natürlich ist es dem Bund ein besonderes Anliegen, dass sein Unternehmen eine positive Bilanz aufweist und einen starken Anteil am Gesamtverkehrsaufkommen auf der Schiene hat. Deswegen sage ich: Wer hier ein Fernverkehrssicherungsgesetz oder ein Gesetz zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrs einfordert, der muss auch sehen, dass damit über die 8,2 Milliarden Euro hinaus, die wir für den Nahverkehr ausgeben, ein weiterer mehrfacher Milliardenbetrag auf den Bundeshaushalt zukommen würde.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fordert die CDU! Eine Forderung der CDU! – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Ihr eigener Antrag! Das ist ja total verrückt!)

Das kann man nur fordern, wenn man hofft, Herr Kollege Gastel, von der Regierungsverantwortung noch möglichst lange befreit zu bleiben. Sonst würde man so etwas nicht fordern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Als Sie in der Opposition waren, haben Sie genau diesen Antrag gestellt!)

Im Übrigen: Als Sie in der Regierungsverantwortung waren, haben Sie zur Gewährleistung des Schienenpersonenfernverkehrsangebotes das Grundgesetz so interpretiert, dass es nicht um das Angebot gehe, sondern nur darum, dass der Bund eine Infrastruktur vorhalten müsse, auf der sich ein eigenwirtschaftlicher Personenfernverkehr vollziehen könne. Das war Ihre Position. Warum schreiben Sie jetzt das Gegenteil dessen auf, was Sie in langen Jahren der Regierungsverantwortung hier im Deutschen Bundestag vertreten haben?

Ich kann nur sagen: Ich freue mich über das neue Fernverkehrskonzept. Damit wird auch der Fehler von ­Mehdorn repariert, der den eigenwirtschaftlichen Interregio zerstört hat und ihn in einen bezuschussten Nahverkehr überführt hat. Dieser Fehler wird jetzt endlich behoben.

Das Fazit unserer Debatte muss lauten: Die Bahnreform war richtig, notwendig und erfolgreich, aber es besteht noch Handlungsbedarf, um sie zu optimieren und weiter voranzutreiben. Ich glaube, daran sollten wir gemeinsam arbeiten; Herr Kollege Bartol hat das für unsere Koalition eben erklärt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Der Kollege Matthias Gastel spricht jetzt für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046178
Wahlperiode 18
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Bahnpolitik
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