16.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 210 / Tagesordnungspunkt 30

Ute BertramCDU/CSU - Integrationsförderung durch Kulturpolitik

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! In wenigen Stunden wird dieses Hohe Haus in die Weihnachtsferien gehen. Aber kurz vorher wollen wir noch einen gemeinsamen Antrag von CDU/CSU und SPD besprechen, den ich bereits im Januar initiiert habe: „Kultur baut Brücken – der Beitrag von Kulturpolitik zur Integration“ ist Titel und Motto dieses Antrages. Das Thema ist hochaktuell.

Seitdem im Herbst 2015 Hunderttausende von Flüchtlingen nach Deutschland gekommen sind, stellt sich uns die Frage: Wie gelingt die Integration all derer, die hier ein Bleiberecht haben? Natürlich haben darauf zuerst andere Ressorts eine Antwort gesucht, allen voran die Innenpolitiker und die Arbeits- und Sozialpolitiker. Aber die Aufgabe ist so groß, dass alle gefordert sind, eben auch wir Kultur- und Medienpolitiker. Wir fragen uns: Leistet die Kultur ihren Beitrag, und hat sie dafür die richtigen Bedingungen?

Die erste Frage kann ich sofort beantworten: Ja, die Kultur leistet einen beeindruckenden Beitrag. Um direkt aus unserem Antragstext zu zitieren:

Integration kann nicht allein auf staatlicher Ebene gestaltet werden. Sie ist vielmehr ein Prozess, an dem sich zunächst die Zuwanderer selbst und auf der Seite der aufnehmenden Gesellschaft auch möglichst viele Bürgerinnen und Bürger beteiligen. Das ist im letzten Jahr in beeindruckendem Maße geschehen. Bundesweit war die Hilfsbereitschaft von Haupt- und Ehrenamtlichen überwältigend. Gerade das ehrenamtliche Engagement im kulturellen Sektor leistete in der Vergangenheit und leistet auch heute einen wichtigen Beitrag zur Etablierung einer „Willkommenskultur“ in unserem Land.

Jeder von uns weiß, dass diese Willkommenskultur dieses Jahr mehrfach auf die Probe gestellt wurde. Ich erinnere nur an die Silvesternacht in Köln, mit der das zu Ende gehende Jahr so dramatisch begann.

Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist eines von zentraler Bedeutung: Wir sind ein Rechtsstaat, und im Rechtsstaat gelten die Regeln für alle, die sich hier aufhalten. Wer unsere Gesetze bricht, der muss mit einer Strafe rechnen. Wer sich an die Gesetze hält, der ist frei, hier nach seiner Façon zu leben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Kulturpolitik zu tun?)

Ich zitiere erneut aus dem Antrag:

Deutschland ist eine europäische Kulturnation, geprägt von den Werten der Aufklärung, von Freiheit und Humanität. ... Die aufnehmende Gesellschaft gibt einen durch Werte und Regeln kulturell geprägten Rahmen vor, der Orientierung für diejenigen bietet, die hier leben wollen.

Das sage ich auch ganz besonders an die Adresse der neuen Populisten in unserem Land. Eine Kultur der Abgrenzung und Intoleranz – egal aus was sich diese Intoleranz speist – ist mit unserer Kultur nicht vereinbar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer hierherkommt, hat oft Schlimmstes erlebt. Das ist keine leichte Startbedingung, um sich geräuschlos einzufügen. Trotzdem muss der Wille zur Integration beim Flüchtling selbst vorhanden sein. Es kommt aber auch darauf an, welche Angebote wir ihm machen. Gerade zu Beginn ist es wichtig, dass Angebote gemacht werden, die auch ohne deutsche Sprachkenntnisse funktionieren.

Spätestens hier kommt die Kultur ins Spiel. Es gibt unzählige Projekte in Deutschland, in denen gemeinsam getanzt, musiziert, gemalt, gelesen oder gesungen wird. Viele gute Projekte gab es auch schon vorher; denn das Thema Integration ist nicht erst seit dem Herbst 2015 aktuell.

Ich nenne nur zwei Beispiele: Das Programm des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels „Fußball trifft Kultur“ führt junge Menschen mit Migrationshintergrund spielerisch an Kultur heran. Im Rahmen des Programms „Multaka: Treffpunkt Museum“ werden Flüchtlinge durch zuvor qualifizierte Syrer und Iraker zum Beispiel durch das Museum für Islamische Kunst der Stiftung Preußischer Kulturbesitz geführt.

Die meisten der unzähligen Projekte leben vom ehrenamtlichen Engagement. Auch deshalb wollen wir heute allen, die sich 2015 und 2016 in der Flüchtlingshilfe und in der Integrationsarbeit engagiert haben, Danke sagen. Wir danken für Ihre Zeit, wir danken für Ihre Offenheit, und wir danken auch für Ihr Durchhaltevermögen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich hatte anfangs gefragt: Hat die Kultur die richtigen Bedingungen für die Integrationsarbeit? Diese Frage stellte sich zuallererst unsere Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Bereits im Januar lud sie die Kulturschaffenden aus allen Bereichen – Bühne, Tanz, Museum, Musik usw. – zum Gespräch darüber ein, was für Flüchtlinge getan wird und wo auch noch nachgebessert werden muss. Sie hat zügig reagiert und gemeinsam mit vielen anderen Bestehendes ausgebaut und Neues hinzugefügt. Erst gestern hat Frau Grütters die Auftaktrede für die „Initiative Kulturelle Integration“ gehalten.

(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist auch eine gute Ministerin!)

Sie hat diese Initiative gemeinsam mit der Bundesarbeitsministerin, mit dem Bundesinnenminister, mit der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration und mit dem Deutschen Kulturrat ins Leben gerufen. Ziel ist ein Dialog zwischen Politik, Kultur und Zivilgesellschaft darüber, was Integration ist und wie sich Kultur hier einbringen kann. Die Ergebnisse sollen am Tag der kulturellen Vielfalt, dem 21. Mai 2017, präsentiert werden. Ich freue mich darauf.

Der 21. Mai 2017 ist im Übrigen auch der Tag, den die bundesweite Initiative „Kultur öffnet Welten“ zum Aufhänger für ihre Aktionswoche gemacht hat. Diese Initiative wurde dieses Jahr gestartet und soll sich jährlich wiederholen.

Auch sonst ist in den letzten Monaten viel passiert:

Der Haushaltsausschuss hat zum Beispiel erst vor wenigen Wochen dem „Kompetenzverbund Kulturelle Integration und Teilhabe“ 3 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre zugesichert. Der Verbund will Kultureinrichtungen dabei beraten, wie sie sich dem Thema Integration am besten nähern.

Auch die Kulturstiftung des Bundes hat in der Zwischenzeit ein bemerkenswertes Modellprogramm – „360° – Fonds für Kulturen der neuen Stadtgesellschaft“ – auf den Weg gebracht. Auch hier geht es darum, Kulturinstitutionen für Menschen mit Migrationshintergrund zu öffnen.

Natürlich muss hier auch das größte und erfolgreichste Projekt der kulturellen Bildung erwähnt werden, das es in Deutschland gibt: „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ aus dem Hause von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Letztes Jahr wurde es spontan um Maßnahmen für junge Flüchtlinge bis 26 Jahre erweitert. Wir sind froh, dass das Programm fortgeführt wird, und fordern dies auch in unserem Antrag deutlich.

(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Damit bin ich bei den Forderungen. Denn auch wenn vieles schon gut läuft, so gibt es doch auch immer wieder Beispiele dafür, was noch besser gemacht werden kann. Drei will ich Ihnen nennen:

Ich habe in Gesprächen immer wieder festgestellt, dass leider oft der eine nicht weiß, was der andere macht. Die berühmten Best-Practice-Beispiele sind aus meiner Sicht extrem wichtig. Wir wünschen uns, dass noch mehr Möglichkeiten zur Vernetzung geschaffen werden. Das hilft gerade kleinen Einrichtungen, voneinander zu lernen.

Wir fordern auch, dass die Kommunen bei der digitalen Neuausrichtung ihrer Stadtbibliotheken unterstützt werden. Viele Stadtbibliotheken fristen ein trauriges Dasein, obwohl sie nicht nur für Einheimische, sondern auch für viele Flüchtlinge und Zugezogene ein besonderer Ort sind. Sie sind öffentlich; dort kann man sich kostenlos aufhalten und kann sich weiterbilden. Da muss sich noch etwas tun.

Wir fordern, in Integrationskursen auch ganz gezielt kulturelle Aktivitäten einzubeziehen. Wir haben in Deutschland ein fast einmalig dichtes Netz von Museen, Theatern und anderen Kultureinrichtungen. Wer dieses Land kennen- und hoffentlich auch lieben lernen will, sollte daher früh und regelmäßig mit unseren kulturellen Einrichtungen in Berührung kommen.

Am Ende meiner Rede möchte ich all denjenigen danken, die an diesem Antrag so mitgewirkt haben, dass wir noch zu einem konstruktiven Abschluss gekommen sind. Ich danke meinem Kollegen Burkhard Blienert und der Fraktion der SPD für die gute Zusammenarbeit. Mein Dank geht natürlich auch an die Kollegen der CSU.

(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das ist jetzt spannend!)

Zu guter Letzt möchte ich noch einen persönlichen Dank an Volker Kauder, Michael Kretschmer und Marco Wanderwitz richten.

Ich denke, wir können ganz selbstbewusst sagen: Unsere vielen staatlichen und nichtstaatlichen Aktivitäten in der kulturpolitischen Integrationsarbeit stehen uns als einer der größten westlichen Kulturnationen bestens zu Gesicht. Wir sind nicht blauäugig. Wir sind tolerant, und wir sind weltoffen. Das wollen wir 2017 auch bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Der Kollege Harald Petzold hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046245
Wahlperiode 18
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Integrationsförderung durch Kulturpolitik
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