16.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 210 / Tagesordnungspunkt 31

Thomas RachelParlamentarischer Staatssekretär für Bildung und Forschung - Forschung und Innovation für Europas Zukunft

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir lesen jeden Tag, dass sich Europa von den Menschen entfernt habe, dass die Nationalstaaten Probleme besser alleine bewältigen könnten, dass Europa in der Krise stecke. Denjenigen, die dies behaupten, empfehle ich die Lektüre dieses Antrags.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn dieser Antrag erzählt von einer Erfolgsgeschichte, einer Erfolgsgeschichte, die die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten gemeinsam geschrieben haben.

Es stimmt: Europa steht derzeit vor großen Herausforderungen. Seit dem Brexit beschleicht mich die Sorge, dass die historischen Errungenschaften der Europäischen Union verspielt werden. Europa wird von vielen Menschen nicht mehr als selbstverständlich hingenommen, sondern kritisch hinterfragt. Wir müssen uns gemeinsam diesen Fragen stellen und die richtigen Antworten finden. Der Antrag „Starke Forschung und Innovation für Europas Zukunft“ kommt deshalb genau zum richtigen Zeitpunkt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zur Bewältigung großer Herausforderungen hilft es, sich auf seine Stärken zu besinnen. Und eine Stärke der europäischen Zusammenarbeit ist die europäische Forschungspolitik. Es gibt keinen anderen Politikbereich in der Europäischen Union, in dem so eng zusammengearbeitet wird wie in Wissenschaft und Forschung. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung, aber nicht nur das. Es ist vielmehr der einzige Schlüssel zur Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie sie vom Forschungsprogramm „Horizont 2020“ adressiert sind.

Ich möchte daran erinnern: Das Leben im System Erde basiert auf Vielfalt. Die passenden wissenschaftlichen Antworten können nur aus einer ebensolchen Vielfalt des Zusammenwirkens entstehen. Denn wenn es um Antworten geht, dann wissen wir, dass diese nur transnational zu finden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wissenschaft und Forschung sind deshalb hervorragende Beispiele für den europäischen Gedanken und auch den unmittelbaren Mehrwert Europas für die Bürgerinnen und Bürger. Die Bundesregierung hat die europäische Forschungspolitik von Anfang an unterstützt und mitgestaltet. Sie hat für uns höchste Priorität. Und wir waren 2014 das erste Land, das eine nationale Strategie für den Europäischen Forschungsraum vorgelegt hat. Andere Mitgliedstaaten sind dem nun gefolgt. Der vorliegende Antrag greift das Thema „Europäischer Forschungsraum“ daher zu Recht prominent auf.

Die europäische Forschungs- und Innovationspolitik ist mittlerweile ein zentraler und integraler Bestandteil der Forschungspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Verantwortung übernehmen bedeutet aber auch, dass wir durch unsere gute nationale Förderung deutsche Forscherinnen und Forscher im europäischen Wettbewerb konkurrenzfähig machen. Hier sprechen die Zahlen für sich.

Deutschland ist sehr erfolgreich in „Horizont 2020“. Bis heute wurden mehr als 3 Milliarden Euro eingeworben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an deutschen Forschungseinrichtungen konnten unter „Horizont 2020“ allein beim Europäischen Forschungsrat, ERC, also in der absoluten Spitzenforschung, in einem hochkompetitiven Auswahlverfahren 368 Grants einwerben. Voraussichtlich werden wir im nächsten Jahr den 1 000.  Grantee in Deutschland begrüßen können. Diese ERC-Förderung bedeutet bisher 1,7 Milliarden Euro zusätzlich für die deutsche Spitzenforschung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Europa ist eine Gemeinschaft, basierend auf dem Gedanken der Solidarität. Wenn wir wollen, dass Europa insgesamt stark ist, dann müssen wir allerdings auch die Staaten mit einbeziehen, die noch nicht ihr volles Potenzial haben heben können. Hier sehen auch wir uns in der Verantwortung.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut!)

Bei der nationalen Konferenz zum Europäischen Forschungsraum am 10. Oktober hat Ministerin Professor Wanka die Stipendiaten und Stipendiatinnen des neuen BMBF-Programms „ERA Fellowships“ persönlich begrüßt. Damit wollen wir engagierten Nachwuchswissenschaftlern aus den mittel- und osteuropäischen Ländern das Angebot machen, eine Zeitlang praktische Erfahrung besonders im Wissenschaftsmanagement in Deutschland zu sammeln. Damit kriegen sie die Chance, sich europäisch zu vernetzen.

Dies ist ein Beispiel dafür, wie wir unsere gesamteuropäische Verantwortung wahrnehmen wollen, und auch bei anderen Mitgliedstaaten besteht noch erhebliches Potenzial, den europäischen Forschungsrahmen gerade auch durch solche bilaterale Maßnahmen auszugestalten. Es reicht eben nicht, nur den Blick nach Brüssel zu richten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Gerade den Mitgliedstaaten, die in einer wirtschaftlich und sozial schwierigen Lage sind, kann man nur sagen: Investitionen in Forschung helfen. Sie sind ein Schlüssel, diese Phase zu überwinden. – Forschungskooperationen können neuen Schub geben. Aktuell haben wir gerade in der letzten Woche das zweite Deutsch-Griechische Forschungsprogramm gestartet. Dieses eröffnet gerade jungen Wissenschaftlern neue Perspektiven im eigenen Land und wirkt so einem Braindrain entgegen.

(Beifall des Abg. René Röspel [SPD])

Nicht zuletzt: Die europäische Forschungsförderung ist wichtig für das gegenseitige Verständnis und den gemeinsamen Fortschritt. Kulturelle, soziale und wirtschaftliche Vielfalt, das sind die großen Stärken der Europäischen Union. Das Zusammenbringen der europäischen Forschung bringt viele positive Synergieeffekte. Viele junge Menschen, die durch die Mobilitätsprogramme „Erasmus“ oder die Marie-Curie-Maßnahmen gefördert werden, können Europa hautnah erleben, machen Erfahrungen in anderer kultureller und wissenschaftlicher Umgebung und kommen mit diesen Erfahrungen in ihr eigenes Land zurück.

Bei allen positiven Betrachtungen des Istzustands möchte ich aber auch den Blick in die Zukunft richten; denn wir gehen jetzt darauf zu, das Rahmenprogramm 2021 zu erarbeiten. Und dazu werden wir uns frühzeitig einbringen. Lassen Sie mich vier Elemente unserer Position benennen:

Erstens. Wir wollen eine gute finanzielle Ausstattung. Damit setzen wir ein klares Signal an die Bürger und an die Mitgliedstaaten: Forschung hat Priorität, auch in Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Bei der Debatte zum nächsten Rahmenprogramm müssen wir uns klar dazu positionieren, was wir national machen wollen, was wir gemeinsam bilateral organisieren wollen und was wir auf gesamteuropäischer Ebene organisieren wollen. Der Antrag beschreibt hier eine kluge und kohärente Arbeitsteilung nationaler, bilateraler und europäischer Forschungs- und Innovationspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Drittens. Bei der derzeitigen Debatte um einen europäischen Verteidigungsfonds darf nicht übersehen werden, dass das bisherige EU-Forschungsrahmenprogramm aus gutem Grund rein zivil ausgerichtet ist.

(Beifall des Abg. René Röspel [SPD])

Bei der verteidigungsorientierten Forschung bedarf es aufgrund der besonderen Sensibilität eigener Richtlinien und eigener Teilnahmebedingungen. Dies kann deshalb nur in einem eigenen Programm verwirklicht werden.

Und schließlich viertens. Europa kann sich keine Forschungs- und Innovationslücke zwischen den alten Mitgliedstaaten und den EU 13 leisten.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tut es aber!)

Nein, wir sind ein Europa.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wissenschaft, Forschung und Innovation spielen eine zentrale Rolle für Wohlstand und Lebensqualität im vereinten Europa. Sie stehen für eine freie und offene Gesellschaft. Dies wollen wir gemeinsam fördern und unterstützen. Wenn diese Werte jetzt infrage gestellt werden, müssen wir mehr denn je die Debatte über die Zukunft Europas führen. Forschung und Innovation sind immer auch ein Plädoyer für Vielfalt und Freiheit, und der Antrag für starke Forschung und Innovation in Europa ist ein solches Plädoyer für ein starkes, freies und für die Zukunft gerüstetes Europa – ein richtiges Signal zur rechten Zeit.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Wort hat der Kollege Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


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Electoral Period 18
Session 210
Agenda Item Forschung und Innovation für Europas Zukunft
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