Thorsten FreiCDU/CSU - Schutz für Flüchtlinge aus Afghanistan
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren über die Frage, ob es zumutbar, angemessen und richtig ist, abgelehnte afghanische Asylbewerber nach Afghanistan zurückzuführen. Wenn in der Debatte der Eindruck erweckt wird, es handele sich bei Afghanistan um einen sicheren Herkunftsstaat, dann ist das nicht zutreffend.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Tun Sie doch immer! Sie machen das doch! – Zuruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir sehen das nicht so, weil wir genau wissen, dass die Sicherheitslage in Afghanistan schwierig und kompliziert ist. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir gestern über die Fortsetzung des Mandats Resolute Support diskutiert und entschieden haben: weil wir natürlich wissen, dass die Sicherheitslage in Afghanistan schwierig ist und wir noch einiges unternehmen müssen, um die afghanischen Sicherheitskräfte zu ertüchtigen und ihnen zu ermöglichen, die Sicherheitsverantwortung in Afghanistan eigenverantwortlich zu übernehmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist heute immer wieder davon gesprochen worden, dass wir bei afghanischen Asylbewerbern eine Anerkennungsquote von 50 Prozent hätten. Dem ist aber nicht so. Wir haben eine Schutzquote von 50 Prozent bei afghanischen Asylbewerbern. Was bedeutet das? Wenn man sich die Zahlen aus dem Jahre 2016 ansieht, stellt man fest: Die echte Anerkennungsquote, entweder nach Artikel 16a des Grundgesetzes oder nach der Genfer Flüchtlingskonvention, liegt bei Afghanen bei etwa 20 Prozent, 10 Prozent von ihnen haben einen subsidiären Schutzstatus,
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist gleichgestellt!)
und weitere 10 Prozent sind deshalb in Deutschland, weil ein Grund nach § 60 Absatz 5 oder Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegt, man also gerade die schwierige Sicherheitslage im Herkunftsland berücksichtigt und einpreist.
Damit ist doch eines deutlich: Natürlich findet eine individuelle Prüfung statt, ob Fluchtgründe vorhanden sind, ob Anerkennungsgründe vorhanden sind, und auch, ob die Rückführung in das Herkunftsland zumutbar ist oder nicht. Deswegen ist es schlicht ein Popanz, der hier von der Opposition aufgebaut wird. Sie vermitteln eine Hysterie, die nichts mit der Realität in Deutschland zu tun hat. Das Gegenteil ist der Fall: Wir gehen verantwortungsvoll mit diesen Herausforderungen und Pflichten um.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Dass hier an diesem Pult übrigens im Rahmen der Frage, wie denn eigentlich die Sicherheitslage in Afghanistan ist, über nichtöffentliche Protokolle und nichtöffentliche Berichte der Bundesregierung gesprochen wird, finde ich bemerkenswert. Es gibt doch öffentlich zugängliche Berichte, etwa den SIGAR-Report des amerikanischen Senats, in dem ganz genau dargestellt wird, wie die Sicherheitslage in Afghanistan ist; und die ist eben different.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Da sind Widersprüchlichkeiten enthalten! – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Es gibt da Unterschiede, nicht nur zwischen den 34 Provinzen Afghanistans, sondern auch zwischen den 407 Distrikten Afghanistans. Es gibt 268 Distrikte – das sind etwa zwei Drittel –, die unter der Kontrolle der Regierung sind. Zwei Drittel der Afghanen leben im Großen und Ganzen in sicheren Verhältnissen. 36 Distrikte sind in den Händen der Aufständischen, und 104 dieser Distrikte sind in Gefahr. Deshalb muss man genau darauf eingehen.
Berücksichtigen Sie bitte auch Folgendes: Es gibt nicht nur 3 000 Afghanen, die freiwillig aus Deutschland zurückgekehrt sind, sondern wir haben die Situation, dass mit zunehmender Geschwindigkeit afghanische Flüchtlinge – beispielsweise aus dem Iran und aus Pakistan – in ihr Land zurückkehren.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Da spricht der Zynismus pur!)
Schauen Sie sich einmal die Zahlen aus Pakistan an: Von Januar bis Juni dieses Jahres gab es 8 704 Rückkehrer, und seit Juli sind es 155 000 Rückkehrer aus Pakistan nach Afghanistan.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Die werden gezwungen!)
Und das sind nur die registrierten. Tatsächlich ist es so, dass zusammen mit den unregistrierten Flüchtlingen insgesamt etwa 300 000 bis 400 000 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan zurückgekehrt sind.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber was heißt das denn?)
Wenn man sich das im Land einmal anschaut, dann stellt man fest, dass es nicht nur größere Gebiete gibt, die sicher sind. Tatsächlich ist es so, dass die Menschen, die innerhalb des Landes auf der Flucht sind – das sind etwa 1,2 Millionen Menschen –, in klaren Bereichen innerhalb des Landes, etwa den städtischen, Schutz suchen. Und das ist doch ein klarer Beweis dafür, dass nicht ganz Afghanistan unsicher ist.
(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Warum kann denn die Bundesregierung darauf nicht antworten?)
In diesem Land, das eine Fläche hat, die doppelt so groß ist wie Deutschland, gibt es also sehr wohl Bereiche, in denen man sicher leben kann; und die Afghanen nehmen diese Möglichkeit auch wahr.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist von daher auch wichtig, sich genau anzuschauen, wo die Probleme liegen. Wir haben große Probleme etwa im Bereich der Sicherheitskräfte. Viele von denen werden Opfer von Anschlägen. Allein im letzten Jahr sind 7 000 afghanische Soldaten und Polizisten ums Leben gekommen. Etwa 14 000 Soldaten und Polizisten wurden schwer verletzt.
Wir hatten klare Zuordnungen. Deswegen möchte ich Sie an dieser Stelle einfach fragen: Wir haben gestern über die militärische und auch die zivile Unterstützung Afghanistans gesprochen. Es sind nicht nur Soldaten aus Deutschland in Afghanistan; es sind insgesamt etwa 1 300 bis 1 400 Deutsche als Soldaten und als zivile Aufbauhelfer in Afghanistan tätig. Die schicken wir in dieses Land, damit sie es wieder aufbauen, damit sie es sicher machen und damit sie Perspektiven schaffen. Warum soll es jungen afghanischen Männern nicht zuzumuten sein, ebenfalls in dieses Land zurückzugehen und einen Beitrag dazu zu leisten, es wieder aufzubauen?
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)
Wir können helfen, aber es müssen die Afghanen sein, die Afghanistan wiederaufbauen. Deshalb, glaube ich, liegen Sie völlig falsch mit Ihren Schlussfolgerungen. Wir unterstützen unseren Bundesinnenminister und erwarten von ihm, dass er auf diesem Weg konsequent weitergeht.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Kollege Armin Schuster hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7046509 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Schutz für Flüchtlinge aus Afghanistan |