16.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 210 / Tagesordnungspunkt 32

Armin SchusterCDU/CSU - Schutz für Flüchtlinge aus Afghanistan

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Meine Damen und Herren! Das Land hat eine riesige Aufgabe vor sich. Seit 2014 haben wir 1,5 Millionen Menschen Schutz geboten, und gut die Hälfte von ihnen hat einen Schutzstatus bekommen. Der andere Teil hat keinen Schutzstatus bekommen, nicht einmal subsidiären Schutz. Wir haben also Hunderttausende ausreisepflichtige Menschen im Land.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Weil ihr das Asylrecht immer weiter ausgehöhlt habt!)

Das möchte ich von Hause aus eine Herkulesaufgabe nennen. Für die Bewältigung dieser Aufgabe gibt es zwei Wege. Diese konnten Sie heute wunderbar kennenlernen.

Der erste Weg – das ist der der Opposition –: einfach pauschal nicht abschieben. Dann gibt es auch kein Problem mit Rückführungen.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Das hat, glaube ich, niemand gesagt, Herr Schuster!)

Meine Damen und Herren, das ist wohl die schlichteste Lösung, die einfachste Lösung, die man sich vorstellen kann.

Sie müssen sich übrigens, wenn Sie ansonsten immer die Vereinfachungen von Populisten beklagen, selber einmal die Frage stellen: Ist der Vorschlag, pauschal nicht abzuschieben, wirklich eine Lösung für dieses Land? Nein, dieser Vorschlag ist inhuman in schärfster Form. Damit wird Menschen, die nicht hierbleiben dürfen, monatelang vorgegaukelt, sie könnten doch bleiben. Wenn dann aber durchgegriffen wird, müssen wir diese Menschen aus den Kitas und Schulen herausholen. Das ist nicht human. Deswegen bin ich für eine konsequente Haltung und für sofortige Abschiebung. Was wollen wir den Menschen denn ansonsten noch antun? Ich bin für klare Entscheidungen. Das hilft den Bleibeberechtigten, für die wir mehr Kraft haben, und es hilft den nicht Bleibeberechtigten. Schnelle Entscheidungen sind immer gut.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Rüdiger Veit [SPD]: Richtige sind noch besser!)

Der zweite Weg – das ist der der Regierungskoalition; das hoffe ich jedenfalls, Herr Castellucci – ist der Weg des Rechts und unserer Gesetze.

Kollege Schuster, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Keul?

Nein, danke. – Die Gesetze, die wir hier gemacht haben, umzusetzen, heißt, Balance zu halten: Willkommen für diejenigen, die bleiben dürfen; Abschied für diejenigen, die gehen müssen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach 21 Jahren!)

So sehen unsere Gesetze aus. Die haben wir hier gemacht, und die möchte ich gerne einhalten, und das tut der Bundesinnenminister.

(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Die Sie gemacht haben! – Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Internationales Recht! Menschenrechtskonvention!)

Die Gesetze mal anzuwenden und mal nicht, je nach eigener ideologischer Befindlichkeit, meine Damen und Herren, das wäre ein Albtraum für einen Rechtsstaat, wenn Sie regieren würden. Wir halten uns an die Gesetze, die wir machen.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: Genau! Die Sie gemacht haben! Das ist richtig!)

Sie wollen tun, was Sie möchten und was sich nach Ihrer ideologischen Befindlichkeit ergibt.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: So ein Quatsch! Richtiger Quatsch ist das!)

So kann man nicht arbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, was der liebe Herr Weise als Präsident des BAMF ertragen müsste, wenn Sie ihm Anordnungen geben könnten, es wäre furchtbar: Gesinnungsbefehle von morgens bis abends darüber, wie das BAMF Anträge zu bescheiden habe. Nein, CDU und CSU lassen die Finger vom BAMF, außer dass wir ihnen das notwendige Personal zur Verfügung stellen und die richtigen Gesetze machen.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schuster, ich bitte Sie! Das glauben Sie doch selber nicht!)

Dann entscheiden die Mitarbeiter des BAMF mit ihrer Expertise und ohne jede Ideologie. Das ist der Weg eines Rechtsstaats.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Sie geben bloß was vor!)

Ich komme zu Ihren bisherigen Rezepten, mit denen Sie an der Lösung des Problems mitwirken wollen. Sie wollten 2015 den Westbalkan nicht als sichere Herkunftsregion einstufen. Was für ein Wahnsinn!

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Was für ein Wahnsinn, welche Menschen Sie dorthin abgeschoben haben!)

Sie haben gegen das Asylpaket II gestimmt. Den Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige würden Sie für alle Zeiten öffnen. Ein Wahnsinn! Die Einstufung des Maghreb als sichere Herkunftsstaaten – Sie haben bis heute nicht verstanden, wie groß dieses Problem ist – im Bundesrat ist überfällig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])

Sie lehnen die Abschiebung in die Balkanstaaten ab. Das ist Ihre Grundhaltung. Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Damit kann man keine Politik machen. All das lehnen wir ab, und zwar aus guten Gründen.

Erstens. Thema Sicherheit: Da vertraue ich den Fachleuten. Herr Castellucci, das Originalzitat des Chefs der Internationalen Organisation für Migration lautet: Große Teile des Landes sind sicher. – Sie sprachen von „einigen Teilen“. In Wirklichkeit heißt es aber „große Teile“.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schuster, welche denn? Nennen Sie einmal eine der 34 Provinzen! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Dann fahren Sie doch hin!)

Ich vertraue der Expertise der Fachleute. Ich vertraue aber nicht den selbsternannten Fachleuten aus Berlin, die sich möglichst weit weg von Kabul aufhalten, meine Damen und Herren.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie sind doch weit weg! – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nennen Sie doch mal eine sichere Provinz!)

Ein Wort an die Grünen: Ich fand das Statement von Marieluise Beck in der gestrigen Sitzung des Deutschen Bundestages beeindruckend.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch überhaupt nichts mit der Frage zu tun!)

Es war ein beeindruckendes Statement dafür, was in 15 Jahren Einsatz für Afghanistan an Aufbauarbeit geleistet wurde. Nehmen Sie Frau Beck als Expertin und Anwältin dafür, warum es gut ist, dieses Land zu unterstützen.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Die Bundeswehr hinschicken ist aber ganz was anderes!)

Zweitens. Wir tragen Verantwortung für Afghanistan. Ich möchte dieses Land nicht seiner Zukunft berauben, indem wir auch dem Letzten noch deutlich machen: Komm lieber nach Deutschland. Es lebt sich hier besser. Wie soll so Afghanistan jemals eine humane Zukunft haben? Das wäre so unmöglich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Rückführungsabkommen mit Afghanistan schließt nicht nur Deutschland, sondern Länder aus der ganzen Europäischen Union einschließlich Griechenland. Die dortige Regierung dürfte Ihnen sehr nahe liegen; sie hat es aber auch gemacht. Auch das wirklich humane Schweden schließt ein solches bilaterales Abkommen wie wir. Warum? Nein, Herr Castellucci, nicht weil es Abschiebungsfetischisten sind; das war übrigens eine Unverschämtheit. Vielmehr geht es darum, dass wir seit 15 Jahren Verantwortung für ein Projekt Afghanistan haben, das nicht so enden darf, wie es schon einmal geendet hat. Dafür kämpfe ich, wie es Marieluise Beck gesagt hat. Ich höre nicht auf, dafür zu kämpfen und optimistisch zu sein. Deshalb berauben wir dieses Land nicht seiner jungen Männer. Mit Ihrem Antrag täten wir das aber, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer Ihren Anträgen folgt, stärkt das Geschäftsmodell der Schleuser.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und Sie stärken die Taliban und den IS!)

Wollen Sie das wirklich? Das kann nicht unser Ziel sein. Ihre Politik würde bedeuten: Wer in Deutschland Asyl genießt, darf bleiben. Wer es nicht genießt, darf auch bleiben.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Schuster, jetzt hören Sie mal auf mit diesem Populismus hier! Was soll denn das?)

Meine Damen und Herren, so würden wir niemals agieren. Diese Regierung setzt nicht auf Ideologie,

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ha, ha!)

sondern auf Expertise und unsere Gesetze, die wir hier gemacht haben. Deswegen sind wir ein humaner Rechtsstaat. Unsere Lösungen sind human. Bei Ihren Lösungen würde ich noch einmal scharf nachdenken, ob sie wirklich als human zu bezeichnen sind.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046517
Wahlperiode 18
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Schutz für Flüchtlinge aus Afghanistan
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