Katarina BarleySPD - Aktuelle Stunde zum CDU-Parteitagsbeschluss zum Optionszwang
Herzlichen Dank. – Liebe Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Herr Kollege Tauber, das war schon ein interessantes Lehrstück dafür,
(Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Sehen Sie, so können Sie etwas lernen!)
wie vehement man werden muss, wenn man gegen die eigene Position Beschlüsse der Partei vertreten muss.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir sind ja jetzt in der Weihnachtszeit, und als ich von dem CDU-Parteitagsbeschluss gehört habe, habe ich erst einmal gedacht: alle Jahre wieder. Alle Jahre wieder wird in der Mottenkiste gekramt und danach gesucht, was gerade zur Stimmung passt und womit man gerade gut Stimmung machen kann. Und man hat – die Kollegin Dağdelen hat es ja schon erwähnt – ein Spezialrezept hervorgeholt, das schon immer funktioniert hat und sich ein bisschen gegen Ausländer richtet. Ich habe dann gedacht, dass die Union wieder im vorigen Jahrhundert zurück ist. Roland Koch lässt grüßen!
Andererseits sieht man daran eben auch, wie die CDU wirklich tickt, und das ist für die Menschen in diesem Land natürlich ausgesprochen spannend.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Erschreckend ist das!)
Wenn man sagt: „Wir definieren, wer ein guter Deutscher ist, und deutsch kann man nur ganz oder gar nicht sein, also entscheide dich“, dann definiert man das Deutsch-Sein im Grunde genommen dadurch, dass man sich erst einmal gegen etwas anderes abgrenzen muss, nämlich gegen die Heimat der Eltern möglicherweise, gegen das Land, aus dem man vielleicht selbst gekommen ist. Sie können hundertmal „Zusammenhalt“ auf Plakaten schreiben und schicke Bilder dazu machen. Das ist trotzdem ein Signal von Spaltung und eine Form von Sündenbock-Wahlkampf.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich; denn in diesen Zeiten brauchen wir doch mehr denn je genau das gegenteilige Signal. Gerade jetzt brauchen wir ein Signal der Verständigung, anstatt irgendein nationalistisches Gepolter loszutreten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Sie gießen damit bewusst Öl ins Feuer.
(Dr. Peter Tauber [CDU/CSU]: Sie haben Ihre Rede schon geschrieben, bevor ich geredet habe! Das ist lächerlich!)
Ich muss ganz ehrlich sagen – und ich meine das ganz ernst –: Das ist ein Feuer, das Sie nicht mehr beherrschen können. Wir sind nämlich nicht mehr im letzten Jahrhundert.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wenn ich schon höre, dass jeder Mensch nur gegenüber einem Staat loyal sein kann!
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: So ist es!)
Ich hoffe, dass Sie sowohl in Ihrem privaten als auch in Ihrem politischen Leben die Erfahrung machen, dass Loyalität kein Nullsummenspiel ist, dass Sie Loyalität also nicht nur dann zeigen können, wenn Sie an anderer Stelle nicht mehr loyal sind. Natürlich kann man loyal gegenüber zwei Staaten sein.
Was heißt es denn, loyal zu sein? Mein Vater ist Brite, meine Mutter ist Deutsche. Obwohl ich in Deutschland geboren bin und eine deutsche Mutter habe, war ich bei meiner Geburt keine Deutsche. In dem damals noch viel patriarchalischeren Deutschland war die Abstammung von meiner Mutter nicht so viel wert wie die Abstammung von meinem Vater.
Wenn Sie meine Rede damals zum Brexit gehört haben, haben Sie mitbekommen, dass man auch als britische Staatsangehörige gegenüber den Entscheidungen des britischen Volkes ausgesprochen kritisch sein kann.
(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist illoyal!)
Was soll denn das heißen, ich könne nicht loyal sein? Wenn Sie sagen, ich könne nicht loyal sein gegenüber zwei Staaten, dann kann das doch nur eines heißen: Sie stellen einen Staat gegen einen anderen.
(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Schon mal was von russischen Hackerangriffen gehört?)
Genau das ist es, was wir jetzt nicht tun dürfen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Davon einmal ganz abgesehen – das ist jetzt nur eine Randnotiz –: Oft lese ich: Man kann nicht Diener zweier Herren sein. – Was ist denn das für ein Staatsbürgerschaftsverständnis? Wir sind als Bürgerinnen und Bürger dieses Staates doch keine Diener des Staates.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Da sollten Sie mal Goldoni fragen! Er hat es in seiner Komödie aufgezeigt!)
Um Himmels willen! Was ist denn das für eine Anschauung?
Was Sie wirklich missverstehen – ich weiß nicht, ob bewusst oder unbewusst –: Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, haben eine Bindung zu diesem Land. Entweder bekommt man sie qua Geburt, oder man erwirbt sie. Die meisten in diesem Haus haben nichts dafür getan, dass sie Deutsche sind. Es hat sie nie jemand gefragt, wie sie zum deutschen Staat stehen.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch den Lengsfeld nicht!)
Diejenigen, die Deutsche geworden sind, sind gefragt worden, und sie mussten Hürden überwinden. Auch davon gibt es einige in diesem Haus. Ich weiß nicht, ob Sie dem Kollegen McAllister oder der Kollegin Dağdelen oder mir diese Staatsbürgerschaft irgendwann wieder entziehen wollen, wenn Sie der Meinung sind, dass wir mit unserer Auffassung nicht mehr loyal zu diesem Staat sind. Wie stellen Sie sich das denn vor?
(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Die glauben das wirklich!)
Sie sagen: Die Menschen können sich nur für Deutschland entscheiden, wenn sie sich gegen ein anderes Land entscheiden. – Damit stoßen Sie viele Millionen Menschen vor den Kopf.
In Wirklichkeit geht es auch gar nicht darum – das muss man einmal sagen –; in Wirklichkeit geht es um etwas ganz anderes. Es geht um diesen großen Topf: Es geht um Anti-Islam, es geht um Anti-Flüchtlinge.
(Sylvia Pantel [CDU/CSU]: Das ist Quatsch!)
Es geht um diese ganze wabernde Stimmung. Das wird in einen Topf gerührt, und das ist das eigentlich Gefährliche.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ist das eine Hate Speech, oder was?)
Sagen Sie mir mal einen vernünftigen Grund, warum Sie diesen Kompromiss wieder aufschnüren wollen! Sagen Sie mir doch mal einen vernünftigen Grund, der dafür spricht,
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den gibt es nicht!)
dass Menschen wie ich, Menschen wie Sie, Menschen wie Herr Mutlu sich zwischen ihren beiden Staaten entscheiden müssen! Was bringt es denn irgendeinem von Ihnen, wenn wir unseren zweiten Pass abgeben? Gar nichts! Es verändert Ihr Leben nicht. Es verändert dieses Land nicht.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Wahrheit ist: Doppelstaatler sind keine besseren Menschen, sie sind auch keine besseren Deutschen, aber sie sind auch keine schlechteren. Seien Sie froh, dass es Menschen gibt, die Brücken zwischen Staaten bauen.
(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Sie haben nicht eine Minute darüber nachgedacht, was Sie da erzählen!)
Die allermeisten Doppelstaatler bauen Brücken zwischen Staaten. Davon brauchen wir eher mehr als weniger.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Dr. Stephan Harbarth für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7046528 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum CDU-Parteitagsbeschluss zum Optionszwang |