16.12.2016 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 210 / Zusatzpunkt 10

Sebastian HartmannSPD - Aktuelle Stunde zum CDU-Parteitagsbeschluss zum Optionszwang

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eines vorweg sagen: Ich glaube nicht, dass zwei Pässe Loyalitätskonflikte verursachen, sondern das Aberkennen von Teilen der eigenen Identität verursacht Loyalitätskonflikte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht so, dass diese Debatte im luftleeren Raum stattfindet. Natürlich sind wir nach einem CDU-Parteitag in einer bestimmten Debattenlage. Mit Verlaub, sehr geehrter Herr Staatssekretär Dr. Krings: Ich hatte über weite Strecken nicht den Eindruck, dass Sie eine Erklärung für die Bundesregierung abgegeben haben, sondern dass Sie als CDU-Parlamentarier gesprochen haben.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben zumindest nicht für Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen, die in dieser Frage ja eine dezidiert andere Meinung hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen die eigene Kanzlerin! Das muss man sich mal klarmachen!)

Einen zweiten Punkt möchte ich Herrn Tauber in aller Deutlichkeit zurufen. Wer der SPD hier im Plenum vorwirft, wir würden nur einer roten Fahne hinterherlaufen, der hat, was die Geschichte angeht, nicht aufgepasst,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es war das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, das die Republik verteidigt hat, als sich die Konservativen vom Acker gemacht haben, meine Damen und Herren. Es ärgert mich, wenn eine solche Geschichtsklitterung vorgenommen wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich muss in aller Klarheit sagen: Wir werden uns das mit der Fahne nicht nehmen lassen. Das machen Sie mit deutschen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es geht in dieser Debatte nicht nur um den Wegfall der Doppelstaatlichkeit oder um die Wiedereinführung einer Optionspflicht. Vielmehr geht es um einen Rückfall in die Zeit davor. Im Kern heißt es: Es war ein Fehler, euch, die ihr hier aufgewachsen seid und in Deutschland arbeitet, den deutschen Pass zu geben.

(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Nein! So ein Blödsinn! Das stimmt doch gar nicht! Das ist falsch!)

Das löst einen weiteren Loyalitätskonflikt aus. Dieser Beschluss zielt auf junge Erwachsene, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind.

(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Ja, genau! Natürlich! Auf wen sonst?)

Er ist im Kern ein Wegducken in jeglicher Hinsicht. Er zielt auf den inneren Kern der Integration.

Sie haben damit für sich ein Problem produziert. Es gab einen Teil der CDU-Bundesparteitagsdelegierten, die sich nicht getraut haben, offen mit der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zu brechen. Stattdessen haben sie sich mit der Optionspflicht einzelne Menschen in unserem Land ausgesucht, und sie haben diese Menschen einem Loyalitätskonflikt ausgesetzt. Das ist das Ventil, das sich der Parteitag gesucht hat.

(Beifall bei der SPD)

Und das wird auf dem Rücken von jungen Menschen in diesem Land ausgetragen. Es ist unverantwortlich, dass Sie einen internen Machtkampf in dieser Art und Weise führen, meine Damen und Herren. Das müssen Sie jetzt in diesem Plenum hier aushalten.

(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Argumentieren Sie doch zur Abwechslung einmal!)

Hier wird versucht, Heimat gegen Herkunft auszuspielen, und ich dachte, dass wir in der Debatte weiter sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mich daran ärgert, ist: Glauben Sie eigentlich wirklich, dass Sie mit diesem Schlingerkurs in der Integrations- und Innenpolitik tatsächlich irgendeinen rechten Wähler an den Wahlurnen zur CDU zurückbringen? Das können Sie doch nicht ernsthaft glauben. Das wird nicht funktionieren. Ich bin bei Ihnen, den Kollegen von den Linken, und glaube, da wird im Zweifel das Original der entsprechenden Populisten gewählt.

Ich bin dem Innenminister Thomas de Maizière ausdrücklich sehr dankbar, der auf dem Parteitag sagte: In Wahrheit ist es natürlich eine verkappte Türkei-Diskussion, wenn wir ehrlich sind. – Das ist auf dem Parteitag gesagt worden,

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und das ist schäbig!)

und das ist nicht in Ordnung.

Sie haben in der Integrationsdebatte einen großen Schaden angerichtet und damit auch jemanden in Essen, in meinem Heimatland Nordrhein-Westfalen getroffen, in dem wir wissen, wie man Integration, Zusammenleben und Zusammenhalt organisiert.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Sie haben damit auch Ihren sogenannten Spitzenkandidaten Armin Laschet getroffen, der sich seit diesem Parteitag wegduckt und nicht mehr in dieser Frage Stellung bezieht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Er war sogenannter Integrationsminister in Nordrhein-Westfalen, ein großer Fan der doppelten Staatsbürgerschaft. Ich könnte die vielen Stapel an Interviews mitbringen und vorlesen, was er alles gesagt hat, aber ich habe nicht die entsprechende Zeit. Nach dem Parteitag in seiner Heimat, in Essen, ist er sprachlos, und das ist das Problem. Sie haben damit einen Riesenschaden für Ihren Wahlkämpfer verursacht. Das müssen Sie auch aushalten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Wir haben als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten diesen Wandel in Nordrhein-Westfalen organisiert. Deswegen sage ich Ihnen eine Sache voraus: Armin Laschet wird nicht Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen eine zweite Sache voraus: Egal wie die Bundestagswahl ausgeht, Sie werden, außer den Populisten, wenn die überhaupt in das Parlament kommen, niemanden finden, der mit Ihnen diesen sogenannten Rücknahmebeschluss der Optionspflicht umsetzt, und das ist das Problem, und das müssen wir sehr deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, die AfD!)

Für alle Menschen, die in diesem Land jetzt verunsichert sind, die sich Sorgen machen und sich fragen: „Gilt denn das noch, was wir beschlossen haben?“, lese ich es noch einmal vor – es steht in unserem Koalitionsvertrag –:

Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, soll seinen deutschen Pass nicht verlieren und keiner Optionspflicht unterliegen.

Diese Vereinbarung gilt, und auf deren Einhaltung werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der Großen Koalition achten, und daran werden wir Sie erinnern, meine Damen und Herren. Ich glaube, da stehen wir an der Seite derjenigen in Ihrer Partei, die noch mit Ihrer Kanzlerin mitgehen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es werden immer weniger!)

Abschließend: Weil es so ist und weil es einige hier auch gesagt haben, will ich mit dieser Tradition nicht brechen. Es ist bald Weihnachten. Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest, eine ruhige Zeit. Die Bescherung hat der CDU-Bundesparteitag angerichtet.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Kollege Stephan Mayer hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7046562
Wahlperiode 18
Sitzung 210
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum CDU-Parteitagsbeschluss zum Optionszwang
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