Helmut BrandtCDU/CSU - Aktuelle Stunde zum CDU-Parteitagsbeschluss zum Optionszwang
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich war aus rein persönlichen Gründen nicht auf dem Bundesparteitag der CDU, aber ich bin der Jungen Union sehr dankbar, dass sie diesen Antrag eingebracht hat und damit eine Diskussion ermöglicht und eröffnet hat, die ich für absolut notwendig halte und auch keineswegs rückwärtsgewandt finde. Denn es geht doch primär gar nicht darum, die doppelte Staatsbürgerschaft an sich infrage zu stellen oder Beschlüsse, die der Bundestag in dieser Legislaturperiode gefasst hat, infrage zu stellen oder abzuändern. Es geht doch in Wahrheit um die Frage – das ist der linken Seite dieses Hauses offensichtlich sehr unangenehm –, ob man ein Gesetz oder eine Regelung nicht auch einmal hinterfragen darf und muss.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht durch einen Beschluss!)
Sie fordern bei allen sicherheitspolitischen Gesetzen, die wir im Bundestag verabschieden, eine Evaluation. Nur bei diesem Thema scheuen Sie die Evaluation. Da merken Sie, dass, wenn man das einmal auf die Wirksamkeit überprüft, dieser Schuss nach hinten losgeht.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Haben Sie es denn überprüft? – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie waren doch gar nicht da, haben Sie gesagt!)
– Ja, Sie aber zum Glück auch nicht.
Meine liebe Kollegin Barley ist nicht mehr anwesend, aber vielleicht geben Sie es ihr weiter: Ich habe in meinem Wahlkreis mannigfach Anrufe und Anfragen von SPD-Mitgliedern und Wählerinnen und Wählern, auch von Grünen, bekommen,
(Dagmar Ziegler [SPD]: Die sich ausgerechnet bei Ihnen ausweinen! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, Grüne haben sich mit Sicherheit nicht bei Ihnen gemeldet! Das kann ich Ihnen versprechen!)
die gesagt haben: Herr Brandt, setzen Sie sich dafür ein, dass das wieder zurückgenommen wird! – Wenn ich Generalsekretär der SPD wäre, dann wüsste ich, dass es in der eigenen Partei nicht nur solche Stimmen gibt, sondern dass sie auch immer lauter werden.
(Dagmar Ziegler [SPD]: Das glaubt Ihnen doch keiner! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubt Ihnen aber keiner!)
– Das ist etwas, das Ihnen wehtut, Herr Mutlu, und deshalb schreien Sie. Aber das nützt Ihnen nichts. Sie sollten einmal darauf schauen, was die Menschen vor Ort tatsächlich denken.
(Bettina Hagedorn [SPD]: Dafür brauchen wir Sie nicht!)
Deshalb ist es wichtig, dass man die Diskussion sachlich und ruhig führt. Der Kollege Günter Krings, aber auch andere – im Übrigen auch Sie, Herr Mutlu – haben zu Recht auf Dinge hingewiesen, die man hinterfragen muss. Es gibt zunehmend viele Doppelstaatler in unserem Lande, und zwar nicht nur Türken, sondern auch Menschen, die aus Russland kommen, die kraft Gesetz beide Staatsbürgerschaften behalten.
(René Röspel [SPD]: Das funktioniert doch, oder nicht?)
Wir stellen auch fest: Die Länder, die ihre Bürger nicht aus der Staatsbürgerschaft entlassen – das sind Russland und auch die Türkei –,
(Gülistan Yüksel [SPD]: Die Türkei entlässt doch!)
geben sie ihnen selbst dann direkt wieder zurück, als Freifahrtschein, sobald sie sie hier abgelegt haben,
(Gülistan Yüksel [SPD]: Das ist doch gar nicht wahr! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht! Sie haben doch gar keine Ahnung!)
und zwar deshalb, Herr Mutlu, weil Ihr Präsident Erdogan – –
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Präsident? Das nehmen Sie zurück! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Beleidigung!)
– Ich weiß ja nicht, ob Sie noch die türkische Staatsbürgerschaft haben,
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind! Mein Präsident ist Gauck! Das ist eine Unverschämtheit! Das ist unglaublich! Das ist Rassismus, was Sie betreiben! – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! Entschuldigen Sie sich auf der Stelle!)
aber jedenfalls alle, die die türkische Staatsbürgerschaft haben, können sagen: ihr Präsident Erdogan.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es mit einer Entschuldigung?)
Er nutzt nämlich genau die Situation für sich aus. Er macht in Deutschland Wahlkampf für die AKP und hat damit erreicht, dass 60 Prozent der in Deutschland lebenden Türken die AKP gewählt haben.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja unfassbar!)
Deshalb ist es bei Rückkehr zur Sachlichkeit geboten, diese Frage zu evaluieren. Deshalb glaube ich, dass wir in den nächsten Jahren – –
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schämen Sie sich!)
– Ich weiß nicht, weshalb Sie mir zurufen.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie gesagt haben, Erdogan sei sein Präsident! Das ist unser Kollege! Das ist unglaublich! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat einen deutschen Pass! – Glocke der Präsidentin)
Ich bitte jetzt um Ruhe. Ich habe die Uhr angehalten, Kollege Brandt, und möchte an dieser Stelle anregen, bis zum Ende dieses Beitrages darüber nachzudenken, ob Sie eine Äußerung, die Sie eben gegenüber dem Kollegen Mutlu getätigt haben, korrigieren wollen. Das steht Ihnen natürlich frei. Dann werden wir nach Abschluss der Debatte – das sage ich jetzt schon – noch Erklärungen entsprechend § 30 unserer Geschäftsordnung zur Kenntnis nehmen.
Wenn wir die Debatte fortführen – darauf mache ich aufmerksam –, hat überwiegend der Kollege Brandt das Wort. Natürlich ist das Instrument des Zwischenrufs damit nicht verboten. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam – da inzwischen auf der Besuchertribüne ein Wechsel stattgefunden hat –, dass es in diesem Format der Debatte nicht möglich ist, mit Zwischenfragen und Bemerkungen zur Aussprache direkt auf geäußerte Inhalte zu reagieren. Deshalb eskalierte hier gerade wahrscheinlich die Situation.
Wir fahren in der Debatte fort.
Besten Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Mutlu, mit dem, was ich eben gesagt habe, wollte ich auf keinen Fall deutlich machen, dass Sie als Person Herrn Erdogan als Ihren Präsidenten ansehen. Ich wollte deutlich machen – das ist mir offensichtlich auch gelungen –, dass diejenigen in Deutschland, die eine deutsche und eine türkische Staatsbürgerschaft haben und die Möglichkeit haben, den Präsidenten in der Türkei mitzubestimmen, in einem Loyalitätskonflikt sind und dass eine solche Situation von Regimen wie denen von Herrn Erdogan und Herrn Putin ausgenutzt wird, um hier in Deutschland Politik zu machen.
(René Röspel [SPD]: Kann es sein, dass es Erdogan-Gegner gibt?)
Wenn Sie sich dadurch beleidigt gefühlt haben, bedauere ich das. Das war nicht meine Absicht. Ich entschuldige mich dafür bei Ihnen. Aber eines ist ganz klar – das ist der Punkt, über den wir in den nächsten Jahren nachdenken müssen –: Kann es richtig sein, dass immer mehr Menschen in Deutschland leben, die sich in einem solchen Loyalitätskonflikt befinden, oder müssen wir da nicht Schranken einbauen? – Darüber sollte die Diskussion in den nächsten Jahren gehen.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche allen frohe Weihnachten und ein gutes Jahr 2017.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Aussprache ist beendet.
Ich erteile nach § 30 unserer Geschäftsordnung der Kollegin Renate Künast das Wort zu einer Erklärung zur Aussprache.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7046565 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 210 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zum CDU-Parteitagsbeschluss zum Optionszwang |