19.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 212 / Tagesordnungspunkt 3 + ZP 3

Till Backhaus - Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin natürlich dankbar, dass ich von der SPD-Fraktion heute ein wenig Redezeit bekommen habe. Ich möchte aus der Sicht des Landes Mecklenburg-Vorpommern – für mich das schönste Bundesland der Welt; das war der Werbeblock – einige Anmerkungen machen.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Heidrun Bluhm [DIE LINKE])

Wir haben auch schon in der Rede des Bundesministers gehört, dass der heutige Tag – heute wird die Grüne Woche eröffnet – natürlich ein guter Anlass ist, über die Landwirtschaft, die ländlichen Räume, aber auch eine Zukunftsstrategie insgesamt für die Bundesrepublik Deutschland zu reden. Ich glaube, für die Sozialdemokratie gilt: Wir wollen lebendige, lebensfähige ländliche Räume.

(Beifall bei der SPD)

Es geht ausdrücklich darum, hochwertige Lebensmittel zu produzieren. Ich sage sehr klar und deutlich: Wir alle brauchen die Landwirtschaft zum Leben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir stellen die Landwirtschaft nicht unter Generalverdacht,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist aber neu!)

sondern wir wollen, dass ökologische Landwirtschaft, regionale Landwirtschaft und konventionelle Landwirtschaft eine Chance haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich glaube, man darf sagen: Noch nie waren die Lebensmittel in Deutschland so sicher wie heute. Deswegen geht mein Dank an die Landwirtschaft, an die Ernährungswirtschaft und an die ländlichen Räume insgesamt. Denn sie sind identitätsstiftend, sie sind ein Teil unserer Kulturlandschaft. Sie sind ein wichtiger Teil des Naturreichtums in der Biodiversität, sie leisten einen Beitrag zum Klimaschutz und selbstverständlich auch zum Schutz der natürlichen Ressourcen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die ländlichen Räume sind und bleiben Zukunftsräume. Wer das nicht erkennt und leichtfertig versucht, dieses Politikfeld ideologischen Strukturen anzupassen, der wird Schiffbruch erleiden.

Aus der Erfahrung vieler Jahre Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern sage ich Ihnen, dass derjenige, der sich um die ländlichen Räume kümmert, auch wahlentscheidende Grundlagen liefert. Auch das ist ein Teil unserer lebendigen Demokratie. Die Erfahrungen, die wir gerade in den letzten Monaten bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern gesammelt haben, sollten uns die Sache aufmerksam verfolgen lassen. Es ist wichtig, dass das Ehrenamt eine aktive Rolle spielt. Darüber hinaus müssen wir die Strukturen weiter straffen.

Ich erwarte im Übrigen, Herr Bundesminister, dass die Diskussion um die Zukunftsfähigkeit der europäischen Agrarpolitik einen hohen Stellenwert innerhalb der Bundesregierung erfährt. Ich möchte gerne, dass wir die gemeinsame europäische Politik für die ländlichen Räume, die Landwirtschaft und die Umwelt erhalten. Es ist ein positives Beispiel weltweit, was wir in den letzten Jahrzehnten in Europa geleistet haben.

An dieser Stelle noch einmal der ausdrückliche Dank an die Bundestagsabgeordneten, die den neuen Bundesländern so immens geholfen haben, die Investitionen in eine umweltverträgliche Wirtschaft insgesamt zu begleiten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir uns auf die Zukunftsaufgaben und -felder konzentrieren, dann steht an erster Stelle die Versorgung Europas mit hochwertigen Lebensmitteln. Leider wird das heute als so selbstverständlich vergessen. Das ist die erste und wichtigste Grundlage.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir gar nicht mehr begreifen, in welchem Wohlstand wir eigentlich leben. Deswegen ist es so wichtig, denjenigen zu danken, die an 365 Tagen im Jahr hochwertige Lebensmittel produzieren. Ich lasse nicht zu, dass wir die konventionelle Landwirtschaft gegen die ökologische Landwirtschaft ausspielen. Nein, sie gehören zusammen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für mich ist eins sehr klar und deutlich: Die konventionelle Landwirtschaft muss ökologischer werden, und die ökologische Landwirtschaft muss wirtschaftlicher werden. Wer das nicht begreift, der wird die Märkte nicht bedienen können.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Bundesminister, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund hat gezeigt, dass wir sehr wohl in der Lage sind – auch in einem Jahr, in dem die Bundestagswahl ansteht –, wichtige Grundlagen zu schaffen. Ich bin Wilhelm Priesmeier und meiner eigenen Fraktion dankbar dafür, dass wir gemeinsam den Knoten für die Düngeverordnung und das Düngegesetz durchgeschlagen haben. Das ist eine wichtige Grundlage, um endlich auch beim Ressourcenschutz voranzukommen.

Ich bin sehr froh und dankbar, dass sich die beiden Bundesministerien endlich geeinigt haben. Der Sack ist zu! Das sage ich ausdrücklich auch in Richtung der Grünen. Ich erwarte von Ihnen und uns, dass wir jetzt sehr schnell gemeinsam dieses wichtige Vorhaben im Bund und in den Ländern verabschieden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Abschluss will ich die Grundlagen, die für mich von so entscheidender Bedeutung für die Zukunft der Landwirtschaft, der ländlichen Räume und des Umweltschutzes sind, noch einmal für Deutschland und Europa auf den Punkt bringen. Ich habe gesagt: Wir brauchen hochwertige Lebensmittel, die preiswert, aber nicht billig sind. Dies muss mit mehr Inhalten versehen werden. Ich bin gespannt, Herr Bundesminister, ob Sie heute, auch was das Tierwohl-Label anbetrifft, endlich die richtigen Weichen stellen. Ich erwarte das. Ich kann mir vorstellen, dass unser Modell nach dem Beispiel der Eierproduktion sehr schnell in die Tat umgesetzt werden kann. Wir haben dafür in Mecklenburg-Vorpommern die Weichen gestellt.

Ich glaube zum Zweiten, dass die zukünftigen Herausforderungen gerade für die ländlichen Räume darin bestehen, Vorreiterregionen für den Klimaschutz und die Artenvielfalt in Europa zu sein. Denn in den ländlichen Räumen finden jeden Tag Biodiversität und Klimaschutz statt. Sie sind ein wichtiges Standbein der zukünftigen Entwicklung. Hier muss mehr getan werden.

Ich glaube auch, dass die Förderung der ländlichen Räume in der Landwirtschaft perspektivisch tatsächlich das Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ beinhalten muss. Eine pauschale Ausgleichszahlung wird die Erfolge, die wir für den Klimaschutz, den Natur- und Umweltschutz und den Ressourcenschutz dringend benötigen, nicht auf Dauer erbringen können. Rot-Grün hat zwar eine gute Weichenstellung vorgenommen. Aber der Übergang muss weiterentwickelt werden – hin zu dem Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistungen“ – und an klare Kriterien geknüpft werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ganz zum Schluss: Herr Bundesminister, Sie haben das Thema der Strukturentwicklung angesprochen. Der kardinale Fehler im Zuge der deutschen Einheit im Hinblick auf die Landwirtschaft und die ländlichen Räume – sehr geehrter Herr Präsident, ich bedaure das – war der Zwang zur Privatisierung von Grund und Boden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Das, was hier abläuft, und die Transfers, die heute noch aus Richtung Osten in Richtung der älteren Bundesländer stattfinden, sind unglaublich.

Ich habe auch an dieser Stelle, im Bundestag, immer wieder darauf hingewiesen: Lassen Sie uns Strukturpolitik für die ländlichen Räume auch über den Grund und Boden machen! – Leider ist dies der rein fiskalpolitischen Entscheidung der Bundesregierung zum Opfer gefallen.

Das, was sich in den neuen Ländern insgesamt abspielt, was die Privatisierung und die weitere Privatisierung anbetrifft, will ich an einem Beispiel deutlich machen. Anfang der 90er-Jahre hat 1 Hektar Grund und Boden in Mecklenburg-Vorpommern 500 D-Mark gekostet. Heute haben wir nach Auswertung der BVVG, einer Tochter des Bundes, einen Durchschnittspreis von 24 300 Euro pro Hektar. Auf die Idee, dass man mit der Privatisierung von Grund und Boden solche Gewinnmargen einfahren kann, wären nicht einmal Analysten gekommen. Dass das Konsequenzen für die Lebendigkeit und die Lebensfähigkeit der ländlichen Räume hat, dürfte, glaube ich, jedem klar sein.

Ich wiederhole mein Angebot und bitte Sie sehr, sehr herzlich, die letzten Flächen, die noch im Eigentum des Bundes sind, unentgeltlich auf die Länder zu übertragen, um damit insbesondere jungen Menschen in den ländlichen Räumen eine Zukunft zu geben. Ich hoffe, dass die Grüne Woche Sie in die Lage versetzt, den Frühling zu erkennen, der damit nach Berlin geholt wird, und dass die Geschmäcker und die Reize der Vielfalt der über 100 000 Produkte, die wir dort präsentieren werden, Ihnen aufzeigen, wie wichtig die Landwirtschaft ist; denn wir brauchen sie zum Leben. Eine der schönsten Hallen war in den letzten Jahren übrigens die Halle 5.2 b, die Mecklenburg-Vorpommern-Halle.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])

Auch diese Halle kann es mit dem Plenarsaal des Deutschen Bundestages selbstverständlich nicht aufnehmen. – Nachdem wir dies klargestellt haben, hat der Kollege Anton Hofreiter nun das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7060848
Wahlperiode 18
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik
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