Anton HofreiterDIE GRÜNEN - Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundesminister, von den Initiativen, die Sie in letzter Zeit ergriffen haben, ist eine medial besonders aufgeschlagen, nämlich Ihr Kampf gegen die vegane Currywurst.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Bei diesem Klamauk frage ich mich persönlich: Wann sehen wir Ihren Kampf gegen die Fleischtomate, gegen das Jägerschnitzel oder vielleicht gegen die Rosinenschnecke?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Sie waren auch schon mal komischer, Herr Hofreiter!)
Wenn man sich die Situation anschaut, stellt man allerdings fest: Es gibt ja wirklich Verbrauchertäuschung und verbrauchertäuschende Etiketten. Es gibt zum Beispiel einen großen Discounter, der auf seinen Fleisch- und Wurstprodukten ein schönes, wunderbares Bild zeigt. Zu sehen sind darauf drei Eichen, ein schönes, fachwerkgeschmücktes Haus, und es heißt, das Fleisch sei vom Gut Drei Eichen. Wenn man nachfragt, wo eigentlich dieses wunderschöne Gut Drei Eichen liegt, stellt man fest: Das liegt nirgendwo. Das gibt es überhaupt nicht. Dieses Gut ist schlichtweg eine Erfindung dieses Discounters.
Sie könnten also etwas gegen echte Verbrauchertäuschung – dafür sind Sie zuständig – tun, statt absurde Kämpfe gegen für jeden offensichtliche Ausdrücke zu führen, die nur Ihrer ideologischen Abneigung gegen Veganer und Vegetarier geschuldet sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dann sind noch weitere Initiativen bekannt geworden. Besonders schön war Ihre Schweinefleischpflicht für Kitas. Ein Highlight war auch Ihr Apfelessen gegen Putin. Allerdings: Hinter all diesen unfreiwillig komischen Aktionen bleibt natürlich etwas auf der Strecke, nämlich die Arbeit in Ihrem Ministerium.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie haben ein Ministerium, das von großer Bedeutung für die Zukunft dieses Landes ist. Dieses Ministerium trägt Verantwortung für einen Wirtschaftszweig, der einen Großteil der Fläche unseres Landes bewirtschaftet. Sie tragen Verantwortung für eines der wichtigsten Güter in unserem Land: Sie tragen Verantwortung für die Lebensmittel, die bei uns produziert werden. Damit tragen Sie indirekt auch Verantwortung für viele weitere Bereiche. Sie tragen mehr Verantwortung für den Erhalt der Artenvielfalt in unserem Land als die Umweltministerin, weil Forst- und Landwirtschaft einen Großteil der Flächen bei uns bewirtschaften.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie tragen Verantwortung dafür, unser Grundwasser zu schützen, weil Land- und Fortwirtschaft auf einem Großteil unserer Flächen betrieben wird. Sie tragen Verantwortung für den Tierschutz. Sie tragen Verantwortung für den Schutz der Menschen vor multiresistenten Keimen, soweit dies die Landwirtschaft betrifft. Sie tragen auch Verantwortung für das Schicksal vieler Bäuerinnen und Bauern, die auch in Zukunft ein vernünftiges Auskommen mit ihren Höfen haben wollen.
Für all das tragen Sie Verantwortung. Da kann ich, ehrlich gesagt, nicht verstehen, dass Sie aus Ihrem Ministerium eine Art Klamaukministerium gemacht haben.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gitta Connemann [CDU/CSU]: Klamauk machen nur Sie, lieber Herr Hofreiter!)
Ich wünsche mir etwas ganz Konkretes von Ihnen, nämlich dass Sie endlich dafür sorgen, dass Tierschutzskandale nicht in gewisser Regelmäßigkeit aufgedeckt werden. Vielmehr sollten Sie für Tierschutz sorgen.
Ein erster Schritt, der auch mit einer besseren Information der Verbraucherinnen und Verbraucher verbunden sein könnte, wäre, das von Minister Backhaus aus Mecklenburg-Vorpommern erwähnte Vorhaben, nämlich die Kennzeichnung, die bei den Eiern sehr erfolgreich ist, auch auf andere tierische Produkte auszuweiten. Was hindert Sie daran?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Stattdessen kommen Sie mit einem irgendwie freiwilligen Tierwohl-Label daher, bei dem am Ende nicht alle mitmachen müssen. Stattdessen kommen Sie mit immer neuen Ankündigungen. Noch nicht einmal bei Ihrem freiwilligen Tierwohl-Label ist klar, wann es umgesetzt wird. Setzen Sie deshalb die klare Kennzeichnung tierischer Produkte wie bei den Eiern um. Dann können die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst wählen. Was hindert Sie? Sie haben hier die Mehrheit, also entscheiden Sie mit Ihrer Mehrheit endlich einmal etwas Vernünftiges!
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nehmen wir ein anderes wichtiges Beispiel, nämlich die Frage der Lebensmittelverschwendung. Das ist ein wichtiges Thema. 18 Millionen Tonnen Lebensmittel werden verschwendet. In Ihrem Haus sind ein paar Broschüren entstanden, die wahrscheinlich genauso wie die Lebensmittel im Abfalleimer landen. Warum tun Sie nichts Konkretes, außer nur Appelle an die Verbraucherinnen und Verbraucher zu richten?
Man kann auch etwas gegenüber den großen Supermarktketten tun. Aber dann muss man sich mit diesen Supermarktketten anlegen. Da ist es doch viel einfacher, den Bürgerinnen und Bürgern zu sagen: Werft doch bitte weniger Brot weg. – Ja, das ist richtig. Aber das ist nicht die Hauptaufgabe einer Regierung. Das ist nicht die Hauptaufgabe einer Parlamentsmehrheit. Die Hauptaufgabe einer Parlamentsmehrheit ist es, Dinge gesetzlich zu regeln und dafür zu sorgen, dass die großen Verschwender endlich damit aufhören. Aber wie gesagt: Das muss man sich trauen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])
Dann haben Sie in Ihrer Rede darüber geklagt, dass die Hedgefonds immer mehr Land aufkaufen. – Das ist ein Problem. Aber das hat auch damit zu tun, wie unsere Agrarsubventionen ausgereicht werden. Die großen Mengen von Steuergeld, die wir zum Glück zur Verfügung haben, werden schlichtweg danach ausgereicht, wer möglichst viel Grund und Boden hat. Das hat zur Folge, dass die 3 bis 4 Prozent größten Betriebe – von Höfen kann man hier kaum sprechen – über 25 Prozent dieses Steuergeldes bekommen. Das sind über 1 Milliarde Euro.
Die EU erlaubt Ihnen, 15 Prozent dieser Gelder anders zu verteilen. Das ist bereits jetzt möglich. Und was tun Sie? Sie beklagen das Ganze hier, tun aber nichts. Dabei könnten Sie Millionen in der Hand haben, um die bäuerliche Landwirtschaft zu unterstützen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE])
Dass das dringend notwendig ist, hat man auch im letzten Jahr gesehen. Allein im letzten Jahr Ihrer Amtszeit haben 4 000 Milchbauern ihren Hof aufgeben müssen. Und was ist Ihnen eingefallen? Ein paar Almosen für die Betroffenen!
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: 650 Millionen Euro sind für Sie Almosen? Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Und Sie haben noch dagegengestimmt!)
Sie müssen an der Struktur etwas verändern, damit Sie diesen Menschen helfen können und die Preise nicht immer wieder kollabieren.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Menschenverachtend!)
– Es hilft überhaupt nichts, hier mit unsachlichen Äußerungen dazwischenzuquatschen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)
Davon wird nämlich kein einziger Milchbauer und keine einzige Milchbäuerin, die im letzten Jahr ihren Hof verloren haben – es waren über 4 000 –, seinen bzw. ihren Hof zurückbekommen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb: Tun Sie endlich etwas! Sie sind an der Regierung und haben eine 80-Prozent-Mehrheit. Sorgen Sie dafür, dass die Verbraucher endlich vernünftig informiert und die Tiere und unser Grundwasser geschützt werden, dass das Artensterben nicht so weitergeht und dass nicht immer mehr Landwirte aufgeben müssen und von ihren Höfen vertrieben werden.
(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Das ist eine Schande!)
Wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie endgültig zu den Totengräberinnen und Totengräbern unserer bäuerlichen Landwirtschaft.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Willi Brase [SPD]: Meine Güte!)
Gitta Connemann ist die nächste Rednerin für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7060850 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik |