19.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 212 / Tagesordnungspunkt 3 + ZP 3

Christina Jantz-HerrmannSPD - Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An zwei Umständen kann man erkennen, dass Internationale Grüne Woche ist: zum einen daran, dass die Kolleginnen und Kollegen der Grünen alle landwirtschaftlichen Themen zusammenklauben, die sich irgendwie finden lassen, zum anderen daran, dass unser Landwirtschaftsminister drei Wochen vor der Grünen Woche aktiver scheint als in dem Dreivierteljahr zuvor.

(Beifall bei der SPD)

Viele Ankündigungen kamen aus dem Landwirtschaftsministerium, besonders im Bereich des Tierschutzes – mein Herzensthema.

Schauen wir uns die Verlautbarungen einmal genauer an und beginnen wir beispielsweise mit dem Grünbuch: Ganze anderthalb Seiten darin sind dem Tierschutz gewidmet; aber inhaltlich gibt es leider wenig Neues und auch wenig Konkretes. Kein Konzept zu einer zukunftsfähigen Nutztierhaltung, die wir doch so dringend brauchen! Stattdessen gibt es ein Loblied auf die verbindliche Freiwilligkeit. Immerhin erwähnt das Grünbuch ein staatliches Tierwohl-Label. Viel weiß man darüber aktuell noch nicht. Man weiß nicht, wie die Pläne genau aussehen sollen; aber es soll ein mehrstufiges und auch freiwilliges Label sein.

Ich bedauere sehr, dass es kein verbindliches Label sein wird; denn der Marktanteil wird so natürlich deutlich geringer sein. Dessen muss man sich bewusst sein. Es bleibt zu befürchten, dass sich für den Großteil unserer Nutztiere in den Ställen erst einmal rein gar nichts ändern wird.

(Beifall der Abg. Elvira Drobinski-Weiß [SPD])

Doch wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass ein verpflichtendes Label aktuell nicht durchsetzbar ist, weder europapolitisch noch handelsrechtlich. Zu diesem Urteil kommt auch das Nutztiergutachten des Wissenschaftlichen Beirates.

Das nun geplante Siegel gibt der Landwirtschaft dennoch hoffentlich die Chance, ihre Produkte auf dem Markt zu guten Preisen zu verkaufen, und es wird den Verbrauchern hoffentlich auch die Möglichkeit bieten, genau nachzuvollziehen, welche Haltungsbedingungen und welche Standards bei der Tierhaltung eingehalten wurden. Die Existenz eines solchen freiwilligen Tierschutz-Labels darf aber auf keinen Fall Alibi für gesetzliche Tierschutzstandards in unserem Land sein; diese freiwilligen Standards müssen deutlich über den gesetzlichen Standards liegen. Das Tierschutzgesetz und seine Verordnungen müssen weiterhin der maßgebliche Hebel für die Tierhaltungsbedingungen in unserem Land sein.

Angekündigt wird das Label aktuell; aber ich mache mir Sorgen, wann es tatsächlich eingeführt sein wird. Schaffen wir das noch in dieser Legislaturperiode, oder müssen wir befürchten: neuer Minister, neues Glück?

Nun zu einem weiteren Thema, zu dem es neue Verlautbarungen gibt: die routinemäßige Tötung von männlichen Eintagsküken in deutschen Brütereien. Diese grausame Praxis – ich glaube, da sind wir uns alle einig – muss endlich beendet werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Heute Morgen hat Landwirtschaftsminister Schmidt im Deutschlandfunk gesagt: Die Technik ist da; das Verbot soll in Kürze umgesetzt werden. – Diese Ankündigung hören wir aber schon seit längerem. Das ist zu schwammig. Wir brauchen einen klaren Ausstiegsplan. Ich als tierschutzpolitische Sprecherin meiner Fraktion distanziere mich wie viele Kollegen auch ausdrücklich von dieser stumpfen Fixierung auf technische Verfahren zur Geschlechtserkennung im Ei.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb haben wir mit einigen Kollegen zur heutigen Debatte eine persönliche Erklärung zu Protokoll gegeben.

Meine Damen und Herren, es gibt so viele weitere Tierschutzthemen, zu denen bisher viel angekündigt wurde und bei denen wir endlich handeln müssen. Wir müssen endlich – das habe ich bei der letzten Debatte schon angesprochen – gegen die Tötung trächtiger Tiere vorgehen und auch den Pelztierfarmen den Kampf ansagen. Wir müssen wirksam gegen Qualzuchten vorgehen. Ein Thema, zu dem wir aktuell nichts hören – still ruhet der See –, ist die Prüf- und Zulassungsverordnung für Tierhaltungssysteme, die schon längst hätte erlassen werden müssen. – Ich könnte noch einige Themen mehr nennen.

Die SPD-Bundestagsfraktion ist in der Regierungskoalition – so muss man es sagen – die treibende Kraft für den Tierschutz. Wir werben mit Nachdruck für zwei Maßnahmen: erstens für eine bedarfsgerechte Novellierung des Tierschutzgesetzes und die Einführung der immer noch fehlenden Haltungsverordnungen, zum Beispiel bei den Puten, und zweitens für eine nationale Nutztierstrategie – das klang heute Morgen schon an –, die ihren Namen auch verdient, und zwar mit einem realistischen Zeitplan.

Liebes Ministerium – leider ist nur noch Frau Dr. Flachsbarth in Vertretung da –,

(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Der Minister hat sich entschuldigt!)

liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, wir haben gemeinsam die Verantwortung für die Tierschutzpolitik auf Bundesebene. Es reicht nicht, wenn wir nur Forschungsvorhaben initiieren und Vereinbarungen mit der Industrie abschließen. Diese verbindliche Freiwilligkeit erscheint leider viel zu oft als organisierte Unverantwortung. Es reicht nicht, Handlungen anzukündigen, wenn die Umsetzung in die Zukunft geschoben wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Markus Tressel, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7060865
Wahlperiode 18
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik
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