Markus TresselDIE GRÜNEN - Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig: Die ländlichen Räume brauchen unsere Aufmerksamkeit. Weil viele dieser Regionen vor großen Herausforderungen stehen, brauchen sie aber nicht nur Aufmerksamkeit, sondern endlich auch eine kohärente Strategie für die ländliche Entwicklung, die die Landwirtschaft mitdenkt, aber eben auch andere wichtige Bereiche. Eine solche Strategie haben Sie in dieser Wahlperiode nicht geliefert, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Viele Regionen schrumpfen nicht nur, was die Bevölkerung angeht, sondern auch wirtschaftlich. Wenn die jungen Leute wegziehen, werden die Spielräume der Kommunen noch kleiner, Ortskerne veröden, und mittelständische Unternehmen finden keine Auszubildenden und Fachkräfte mehr. 70 Prozent der Industriearbeitsplätze in diesem Land liegen in den ländlichen Räumen; trotzdem nimmt die Ungleichheit zwischen den regionalen Lebensverhältnissen seit langem zu. Das ist eine fatale Entwicklung, eine Spirale nach unten. Fatal ist das vor allem dann, wenn sich die Menschen in manchen Regionen abgehängt fühlen. Das hat die Populismusdebatte in den letzten Monaten deutlich gezeigt. Deshalb sage ich ganz deutlich: Der ländliche Raum ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese Aufgabe wird man nicht mit neuen Broschüren bewerkstelligen können. Der Herr Minister ist leider nicht mehr anwesend; ich hätte ihn gern persönlich darauf angesprochen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das können Sie morgen! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Oder Sie fahren zur Grünen Woche!)
Wir müssen für die Menschen neue Perspektiven vor Ort schaffen, wirtschaftlich und sozial. Das gilt für die Landwirtschaft, aber auch für alle anderen Betroffenen. Das im Grundgesetz als Gleichwertigkeit formulierte Ziel heißt: Alle Menschen müssen die gleichen Chancen bekommen, an der Gesellschaft teilzuhaben. Gerade in sehr strukturschwachen und abgelegenen Regionen heißt das eben, nicht nur in Beton zu investieren, sondern in die Zukunft zu investieren, und zwar dadurch, dass wir die Aktiven und Engagierten vor Ort stärken, die Ideen für ihre Region haben. Sie steigen durch den Förderdschungel aber nicht mehr durch. Noch mehr Programme, noch mehr Komplexität – da bleibt viel Gutes unnötigerweise auf der Strecke. Sie von der Koalition hätten da rangemusst. Getan haben Sie genau das Gegenteil.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Kernaufgaben sind die Digitalisierung und die Sicherung der Mobilität im ländlichen Raum. Wir müssen es schaffen, dass Dienstleistungen erreichbar bleiben, auch wenn sie nicht mehr vor Ort angeboten werden. So werden neue Arbeitsmodelle möglich und damit auch die Rückkehr junger Familien. Vor diesem Hintergrund waren – das sage ich ganz klar – die vergangenen drei Jahre drei verlorene Jahre für die ländlichen Räume in Deutschland.
(Marlene Mortler [CDU/CSU]: Na, na, na!)
Wenn man sich das richtige Vorhaben der Koalition, die GAK zur Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ weiterzuentwickeln, anschaut, muss man feststellen, dass davon wenig übrig geblieben ist. Was nicht der Landwirtschaft dient, kann nach wie vor nicht gefördert werden. Damit setzen Sie Ihren Koalitionsvertrag nicht um, und die Förderpolitik mit dem wichtigsten Instrument bleibt lückenhaft. Selbst der Minister hat in seiner Haushaltsrede klipp und klar gesagt, dass hier Arbeit ungetan geblieben ist. Er hat gesagt: Wir brauchen eine konzertierte Aktion für den ländlichen Raum, sogar ein Ministerium für ländliche Regionen und schließlich auch eine Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung und Demografie“. – Sie hatten mit dieser riesigen Mehrheit eine Legislaturperiode Zeit, diese richtigen Ansätze zu verfolgen. Getan haben Sie nichts.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben zu Beginn der Wahlperiode gesagt, Sie wollten die Querschnittsaufgabe „ländliche Entwicklung“ in der Bundesregierung besser koordinieren. Sie haben zahlreiche Arbeitskreise gegründet und eine Broschüre nach der anderen herausgegeben. In der Realität ist davon wenig angekommen. Wo ist denn die Koordination, wenn es um den Flächenverbrauch geht? Wenn immer noch neue Supermärkte auf der grünen Wiese gebaut werden statt ortsnah, veröden die Ortskerne, während das Verkehrsaufkommen steigt. Hierauf muss die Bundesregierung endlich eine Antwort geben. Die sind Sie in dieser Wahlperiode schuldig geblieben. Wir sagen: Verödete Ortskerne tragen jedenfalls nicht zur Verbesserung der Perspektive in ländlichen Räumen bei.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen eine Zukunftsperspektive für ländliche Räume in ihrer Unterschiedlichkeit schaffen. Wir brauchen einen Aufbruch für die ländlichen Räume, kein kraftloses Verwalten mit immer neuen Abteilungen. Wir brauchen einen Masterplan für ländliche Regionen. Den haben Sie in dieser Wahlperiode nicht ansatzweise auf die Schiene gesetzt. Drei verlorene Jahre für die ländlichen Räume – das bedeutet die Zeit der Großen Koalition trotz Ihrer großen Mehrheit. Das ist außerordentlich bedauerlich.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Jetzt hat Hans-Georg von der Marwitz für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7060866 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik |