19.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 212 / Tagesordnungspunkt 3 + ZP 3

Elvira Drobinski-WeißSPD - Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik

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Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Minister Backhaus! Verehrte Gäste auf der Tribüne! In unserer Debatte geht es heute sehr viel um Zukunft: um die Zukunft der ländlichen Räume, der Hühnerhaltung, der Tierhaltung, ja, der Landwirtschaft überhaupt. In der Tat – das wurde eben auch wieder deutlich – sind wir an einem Punkt, an dem wir uns dazu bekennen müssen, was für eine Landwirtschaft wir denn wollen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen eines dabei ganz sicher: Wir wollen eine gentechnikfreie Landwirtschaft.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb brauchen wir ein Gesetz, das nationale Anbauverbote unkompliziert und unbürokratisch ermöglicht. In der Anhörung zum Gentechnikgesetz am vergangenen Montag ist noch einmal sehr deutlich geworden: So wie es jetzt ist, wird das Gesetz nicht für gentechnikfreie Äcker sorgen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Möglicherweise ist das ganze umständliche Prozedere sogar verfassungswidrig. Vielleicht klingeln bei unserem Koalitionspartner ein paar Glocken.

(Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

Unsere Änderungsvorschläge liegen auf dem Tisch. Jetzt sind Sie dran, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Wenn Sie wirklich dem mehrheitlichen Willen der Bevölkerung entsprechen wollen, lassen Sie uns diese Änderungen zügig gemeinsam umsetzen.

Apropos „zügig“ und apropos „Zukunft“: Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich Ende vergangenen Jahres Ihr Grünbuch gelesen habe. Herr Minister Schmidt – er ist jetzt leider nicht mehr da –, ich freue mich außerordentlich über Ihren Vorschlag, das Schul- und Kitaessen von der Mehrwertsteuer zu befreien; denn die SPD setzt sich schon lange dafür ein, dass die Schulverpflegung für alle bezahlbar, lecker, hochwertig und gesund ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich: Warum schlagen Sie das erst jetzt vor? Warum präsentieren Sie uns in Ihrem Grünbuch Vorhaben als „Vision für die Zukunft“? – Die hätten Sie schon längst umsetzen können, ja umsetzen müssen. Die Strategie zur Reduktion von Zucker, Salz und Fett in Fertigprodukten, die Strategie gegen Lebensmittelverschwendung und für verpflichtende Qualitätsstandards in die Schulverpflegung sowie Kassenzonen ohne Süßigkeiten – das alles stand schon im Antrag der Koalitionsfraktionen aus Januar 2015. Wir warten bis heute darauf, dass Sie etwas Substanzielles dazu vorlegen. Wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des Energydrink-Konsums bei Kindern und Jugendlichen sehe ich weit und breit nicht, ich sehe nur eine abgeschaltete Aufklärungswebseite und nach wie vor wenige Bemühungen, überhaupt aktuelle und korrekte Daten zum Koffeinkonsum bei Jugendlichen und Kindern erheben zu lassen.

Am meisten ärgert mich aber die Passage zu der an Kinder gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel. Wenn keine freiwilligen Lösungen gefunden würden, die wirksam seien, solle bzw. müsse es regulative Eingriffe geben, schreiben Sie. Herr Minister, Sie wissen so gut wie ich, dass es diese wirksamen freiwilligen Lösungen eben nicht gibt. Das ist doch längst belegt und ziemlich leicht selbst nachzuprüfen. Schalten Sie doch einmal den Fernseher ein, oder stellen Sie sich im Supermarkt in die Kassenschlange.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Sie wollen in Zukunft enger mit der Weltgesundheitsorganisation zusammenarbeiten. Dann fragen Sie diese doch, was sie vorschlägt, um der Fehlernährung von Kindern und Jugendlichen entgegenzuwirken. – Genau: Ambitionierte Reformulierungsstrategien, Abgaben auf zuckergesüßte Getränke, Werbebeschränkungen!

Ich rate uns allen, nicht so zu tun, als müssten wir das Rad in der Ernährungspolitik immer neu erfinden. Stattdessen müssen wir mutig sein und uns auch an Lösungen wagen, die nicht bloß den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wenn wir die Ernährungssituation von Kindern tatsächlich nachhaltig verbessern wollen, müssen wir uns zumindest in Teilen auch mal bei der Lebensmittel- und Werbewirtschaft unbeliebt machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich habe damit kein Problem; denn ich sehe es auch als Aufgabe von Politik und damit als unsere Aufgabe, Märkten Regeln zu geben, die dafür sorgen, dass das Gemeinwohl nicht zu kurz kommt und dass auch die geschützt werden, die sich selbst nicht schützen können.

Ich möchte keine Papiere, Visionen und Ankündigungen für eine ferne Zukunft, Herr Minister. Ich möchte, dass wir vorankommen. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass das auch noch in dieser Legislaturperiode möglich sein wird.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7060875
Wahlperiode 18
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik
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