Karin MaagCDU/CSU - Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Jeder und jede von Ihnen, von uns hat verschiedenste Patientengruppen im Rahmen seiner Tätigkeit oder generell, zu denen er oder sie eine besondere Beziehung entwickelt hat. Bei mir sind es die neurologisch erkrankten Menschen, insbesondere die Kinder, aber auch Patienten mit chronischen Schmerzen und Menschen in der Palliativversorgung. Gerade deswegen liegt mir dieses Gesetz persönlich sehr am Herzen; denn mit diesem Gesetz erreichen wir eine bessere Versorgung auch dieser Patienten mit weiteren cannabishaltigen Arzneimitteln in – das ist mir ganz wichtig – standardisierter Qualität.
Das ist übrigens auch der rote Faden für mich in diesem Gesetz. Es geht nicht um „Kiffen auf Rezept“, wie keine Berliner, sondern eine andere Tageszeitung in der letzten Woche formulierte. Wir wollen eine weitere Behandlungsalternative, eine medizinische Behandlungsalternative, eröffnen und gleichzeitig den – aus meiner Sicht – nicht zielführenden Eigenanbau verhindern, weil es um eine qualitätsgesicherte Behandlung geht.
Technisch kontrollieren und steuern wir – das haben Sie gehört – die gesamte Herstellung. Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird die sogenannte staatliche Cannabisagentur eingerichtet, die den Bedarf ausschreibt, die Qualität überwacht, aber auch die gesamte Ernte aufkauft und dann an die Hersteller, an die Großhändler, an die Apotheken weitergibt. Sie alle müssen die betäubungsmittel- und vor allem auch arzneimittelrechtlichen Vorschriften einhalten. Das betone ich deshalb an dieser Stelle, weil es sich sicher nicht um landwirtschaftlichen Anbau handelt – der eine oder andere hat verschiedene Fragen in diese Richtung erhalten –; vielmehr geht es um die Herstellung von Arzneimitteln.
Weil wir Menschen helfen wollen, lieber Harald Terpe, übernehmen wir die Verantwortung für einen Weg, der in dieser Form neu ist. Sie alle, wir alle wissen ja, wie ein Medikament in den Behandlungsablauf kommt. Die Arzneimittelhersteller müssen nämlich Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität eines neuen Wirkstoffs anhand aufwendiger klinischer Studien nachweisen. Bei Cannabis ist die Datenlage dünn. Es gibt – das haben wir in der Anhörung gehört – kaum evidenzbasierte Nachweise, dass Cannabis besser geeignet ist als andere Therapien.
Uns allen ist aber auch klar: Die klinischen Eindrücke sind eindeutig. Es gibt ganz generell – das ist uns bewusst, unter anderem durch eine besondere Petition zu diesem Thema – bei den Patienten einen hohen Leidensdruck. Es gibt leider viel zu viele Patienten mit schweren Erkrankungen, für die Therapiealternativen fehlen. Da geht es um schwere Schmerzen durch Krankheiten. Ich verweise auf die Onkologie, ich nenne die multiple Sklerose, ich nenne epileptische Anfälle; es geht auch um chronische Schmerzen. Diesen Menschen wollen wir die Therapie sicher nicht vorenthalten.
Wenn wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, den Medizinalhanf, getrocknete Hanfblüten und -extrakte, als Behandlungsalternative etablieren wollen, dann müssen wir auch die Akzeptanz verbessern – weniger bei den Patienten als vor allem bei den Kostenträgern und bei den Leistungserbringern, von denen sich relativ viele noch gar nicht mit dieser Therapieoption beschäftigt haben. Deshalb sind wir sehr stark auf die in der Anhörung geäußerten Sorgen und Bedenken eingegangen. Wir haben es gehört: Die Therapiehoheit der Ärzte wurde gestärkt. Es geht natürlich nicht an, dass der Patient erst langwierige und schwerwiegende Nebenwirkungen ertragen muss, bevor der Arzt den Medizinalhanf verordnen darf. Und der Arzt verordnet ausschließlich aufgrund eigener Prüfung im Einzelfall.
Um den befürchteten Missbrauch – auch dazu gab es natürlich Stimmen in der Anhörung – so weit wie möglich auszuschließen, muss die Erstverordnung von der Krankenkasse genehmigt werden. Umgekehrt – natürlich gibt es auch den Vorwurf der zu rigiden Verfahrensweise der Kassen bei der Genehmigung – dürfen die Kassen nur in begründeten Ausnahmefällen im Rahmen der üblichen Frist, in der Regel drei Wochen, ablehnen. Todkranke Menschen in der Palliativversorgung sollen und können natürlich nicht so lange warten. Da verkürzen wir die Frist auf drei Tage.
Ich habe es erwähnt, meine Damen und Herren: Die wissenschaftliche Datenlage ist dünn. Selbstverständlich brauchen wir weitere Erkenntnisse, um so eine Entscheidungsgrundlage für die dauerhafte Aufnahme in die Versorgung zu haben. Es ist gut und richtig, dass beim BfArM die Daten und Informationen im Rahmen der vorgesehenen nichtinterventionellen Begleiterhebung gesammelt werden. Allerdings wollen wir die Patienten, wie im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, nicht dazu verpflichten, an einer solchen Begleitforschung teilzunehmen. Jeder weiß ja, wie es um die Angst vor der Weitergabe von Behandlungsdaten bestellt ist. Nun ist geregelt worden, dass keine personenbezogenen Daten weitergegeben werden, Behandlungsdaten anonymisiert werden und der behandelnde Arzt die Patienten lediglich darauf hinweisen muss, dass er diese anonymisierten Daten weitergibt.
Das Wissen aus der Begleiterhebung, lieber Harald Terpe, ersetzt natürlich keine klinischen Studien. Diese erstellen in der Regel die pharmazeutischen Unternehmen im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren. Es gibt derzeit auf der Grundlage der beim BfArM vorhandenen Daten 13 klinische Prüfvorhaben zu unterschiedlichen Indikationen.
Auch die Regierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst, Herr Kollege Tempel. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert zum Beispiel Forschungsvorhaben zur medizinischen Verwendung von Cannabis bei Schizophrenie.
Das alles zeigt, dass wir die Therapiemöglichkeiten auf breiter Front verbessern wollen. Vielen Dank dafür an das Haus. Ich nennen ausdrücklich Kollegin Zeulner von der CSU, die sich mit sehr viel Herzblut für dieses Thema eingesetzt hat; sie befindet sich derzeit im Mutterschutz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der Opposition, Sie haben im Ausschuss und hier zum Teil Zustimmung signalisiert. Es wäre ein schönes Zeichen, dass wir gemeinsam Verantwortung wahrnehmen, wenn Sie heute alle zustimmen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])
Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Burkhard Blienert.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7060889 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften |