Astrid FreudensteinCDU/CSU - Rentenansprüche aus DDR-Beschäftigungszeiten
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Jede Partei und jede Fraktion hat ja so ihre Lieblingsthemen, und bei der Linksfraktion sind es die Ostrenten. Zu Ihrem Repertoire gehört es, beharrlich so zu tun, als seien die Ostdeutschen eklatant benachteiligt,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nicht alle, aber viele!)
als würde sich unser Land in reiche Westrentner und arme Ostrentner teilen.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das hat keiner gesagt!)
Das ist völliger Unsinn. Aber Sie sind ja eine Klientelpartei.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach, Sie sind keine Klientelpartei?)
Sie bedienen damit alte Klischees. Dass das alles mit der Wahrheit nichts zu tun hat, ist Ihnen egal.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie fordern nichts anderes – Sie tun das ja nicht zum ersten Mal, sondern in der Tat, wie Ihre Kollegin sagte, Herr Birkwald, seit 25 Jahren – als eine krasse Bevorzugung von Ostrentnern, weil die Löhne im Osten niedriger sind. Aber wissen Sie, mit der gleichen Argumentation könnten hier Abgeordnete aus Oberfranken, dem Saarland oder dem Ruhrgebiet Extrabehandlungen fordern; denn auch dort ist das Lohnniveau nirgends so hoch wie in unserem schönen München.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Das habe ich Ihnen ja gerade erklärt! – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Sie haben Beiträge dafür gezahlt! – Volker Kauder [CDU/CSU], an DIE LINKE gewandt: Ruhe!)
Aber das geschieht nicht, weil wir ein gesamtdeutsches Parlament sind. Wir haben hier das ganze Land im Blick, und eine Bevorzugung einzelner Gruppen wollen wir nicht.
Es geht eben nicht, dass wir nur jene Ungleichheiten abschaffen, die sich nachteilig für die Ostrentner erweisen, aber die Vorteile gegenüber den Westrentnern beibehalten oder sogar neue einführen.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: Jawohl!)
Das käme einer Schieflage in unserem System gleich, und das wollen wir nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Genau das aber schlagen Sie in Ihren Anträgen immer und immer wieder vor und liefern das Schreckensszenario des sozialen Absturzes gleich mit.
Dass Sie in einem Antrag auch noch einen Mindestlohn von 12 Euro die Stunde fordern,
(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
zeigt, wie weit Sie von der Realität in diesem Land entfernt sind.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, das braucht man, um eine Rente oberhalb der Sozialhilfe zu bekommen, Frau Kollegin!)
Wir wissen doch, dass gerade die ostdeutschen Unternehmen mit einem Mindestlohn von 12 Euro die Stunde Probleme hätten. Wir wissen doch, dass dann gerade in Ostdeutschland Arbeitsplätze in Gefahr wären.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Den Unsinn haben wir schon mal gehört!)
Und wir wissen doch, dass es in ganz Deutschland immer noch Branchen und Regionen gibt, in denen 12 Euro die Stunde nicht machbar sind. Sie fordern das trotzdem. Deshalb müssen Sie sich auch heute wieder gefallen lassen, dass ich Ihnen empfehle – das müssen Sie sich leider wieder anhören –, Ihr Gerechtigkeitsempfinden nachzujustieren. Wir befinden uns im Jahre 2017, und es geht nicht mehr darum, Gelder von der BRD in die DDR zu transferieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist mitnichten so, dass die Ostrentner im Endeffekt benachteiligt werden; sie sind eigentlich Gewinner der Wiedervereinigung. Ich will Ihnen auch sagen, dass alle Zahlen gegen Ihre Ausführungen sprechen. Ich möchte als Beispiel die Durchschnittsrenten von ost- und westdeutschen Frauen und Männern nennen: Die durchschnittliche Altersrente für Ostrentner ist höher als die der Westrentner, bei Männern um mehr als 60 Euro, bei Frauen um ganze 250 Euro.
(Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Außerdem haben Versicherte in den neuen Ländern bei gleichem Lohn und gleichen Beiträgen um etwa 8 Prozent höhere Rentenansprüche als Versicherte in den alten Ländern.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Nein, die erlaube ich jetzt nicht. – Sie hatten schon so viel Redezeit.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, Sie haben ja schon wieder so ein Zeug erzählt! Das stimmt doch nicht!)
Falls Ihnen die genannten Zahlen nicht reichen, können wir uns der Wirklichkeit auch über andere Daten nähern. Wir nehmen einmal die Armutsgefährdungsquote – den Wert bemühen Sie ja auch sonst so gerne –: Die Armutsgefährdungsquote bei den über 65-Jährigen ist in den neuen Bundesländern deutlich niedriger als im früheren Bundesgebiet. In Berlin ist die Quote beispielsweise um ein Drittel niedriger als in Bayern.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Na logisch! Weil die Einkommen näher beieinander sind, aber tiefer!)
Oder schauen wir uns den Anteil der Menschen an, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind. Auch da zeigt sich, dass die ostdeutschen Rentner, Frauen wie Männer, deutlich weniger oft auf Grundsicherung angewiesen sind als westdeutsche Rentner. In Ostdeutschland sind es 2,2 Prozent, während es in Westdeutschland 3,4 Prozent sind.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Weil die Frauen da viel länger gearbeitet haben!)
– Glauben Sie, dass die westdeutschen Frauen in dieser Zeit nicht gearbeitet haben?
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Doch, aber keine Beiträge gezahlt haben!)
Das ist ja schon von Hause aus eine Unverschämtheit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Insgesamt bewegen sich die genannten Zahlen alle auf einem niedrigen Niveau. Wir haben nämlich kein generelles Problem der Altersarmut in Deutschland.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: 2,7 Millionen arme Alte! Das ist ein Problem, ein großes!)
Die Armutsgefährdungsquote – das wissen Sie ja hoffentlich – bei den über 65-Jährigen ist niedriger als in der Gesamtbevölkerung. Am stärksten von Armut betroffen sind immer noch die Alleinerziehenden.
Wenn wir ein Problem mit Altersarmut haben, dann sind davon in der Tat die westdeutschen Frauen betroffen. Sie haben Kinder großgezogen – das heißt nicht, dass sie nicht gearbeitet haben, Herr Kollege – und deshalb keine durchgängigen Erwerbsbiografien aufzuweisen.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: So ist es!)
Sie haben Erziehungsleistung erbracht, für die ihnen nie einer einen Pfennig gegeben hat, und sie haben nicht die entsprechenden Rentenansprüche erworben.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wer hat denn da regiert? Ihre Partei!)
Für diese Frauen haben wir mit der Mütterrente natürlich bereits etwas erreicht.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo ist der dritte Punkt? Sie haben nur zwei!)
– Beim dritten Punkt sind wir gar nicht so weit auseinander.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Stimmt! – Katja Mast [SPD]: Immer steuerfinanziert!)
Ganz sicher haben wir kein spezifisch ostdeutsches Problem der Altersarmut. Das wird auch nicht wahrer, wenn Sie es hier immer wieder wiederholen. Wir wollen im Übrigen auch nicht einzelne Berufsgruppen besserstellen als den Rest.
Mit den Sonderregelungen, die die Linksfraktion in ihren Anträgen anstrebt, wird ein ausgeklügeltes, faires und vor allem allgemein akzeptiertes Verfahren infrage gestellt, ein Verfahren, das im Prinzip den unterschiedlichen Erwerbsbiografien und den Lohnunterschieden gerecht wird. Dieses Verfahren – das will ich gar nicht bestreiten – kann natürlich im Einzelfall dazu führen, dass man sich ungerecht behandelt fühlt oder auch ungerecht behandelt wird. Sie stellen es allerdings so dar, als könnten nur ostdeutsche Rentner dieses Gefühl der Ungerechtigkeit haben. Ich kann Ihnen aber sagen: Es gibt auch westdeutsche Frauen und Männer, die sich durch das Renten-Überleitungsgesetz diskriminiert und benachteiligt fühlen.
Wir werden unseren Stufenplan der Renteneinheit in den kommenden Monaten hier im Parlament beraten und verabschieden. Wir wollen eine gerechte Regelung, aber eben keine Besserstellung ostdeutscher Rentner.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die will ich auch nicht, Frau Kollegin!)
Vielen Dank, Frau Kollegin Dr. Freudenstein. – Jetzt kommt der nächste Versuch, die nächste Aufforderung an Sie: Es ist ja schon einmal schön, dass sich die meisten hingesetzt haben; aber hier ist jetzt keine Quasselstunde, sondern wir reden über die Renten. Das ist ein spannendes und kontroverses Thema. Ich fordere Sie auf, Ihre wunderbaren Zwischengespräche einzustellen, und zwar alle, und der letzten Rednerin zu lauschen; denn es macht einen denkbar merkwürdigen Eindruck, wie hier im Haus mit solchen Debatten umgegangen wird und wie mit den Kolleginnen und Kollegen umgegangen wird, die sich diesem schwierigen Thema in ihren Reden widmen. Also bitte zuhören!
Jetzt die letzte Rednerin: Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Karl Schiewerling [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Rentenansprüche aus DDR-Beschäftigungszeiten |