Elvira Drobinski-WeißSPD - Faire Textilproduktion
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne! Die Textil- und Bekleidungsindustrie ist eine der wichtigsten Konsumgüterbranchen Deutschlands. Sie ist stark von der Globalisierung geprägt. Circa 90 Prozent der in Deutschland gekauften Bekleidung stammen aus dem Import. Hergestellt werden die meisten Textilien – das können Sie ja auch jederzeit nachsehen – in Ländern wie Bangladesch, Kambodscha, Indien oder China.
Theoretisch besteht damit, so könnte man meinen, vor allen Dingen in Entwicklungs- und Schwellenländern die Chance, eine starke Wirtschaft vor Ort aufzubauen und den Lebensstandard der Menschen vor Ort zu verbessern. Tatsächlich ist das leider nur selten der Fall. Denn dafür müssten die Löhne, die den Arbeiterinnen und Arbeitern gezahlt werden, existenzsichernd sein, und der Arbeitsschutz müsste sehr viel umfassender sein.
(Beifall bei der SPD)
Unter welchen Bedingungen einzelne Kleidungsstücke hergestellt werden, ist für Verbraucherinnen und Verbraucher hierzulande praktisch nicht nachvollziehbar. Der Preis sagt nichts darüber aus, und Informationen zu den Standards, unter denen bestimmte Kleidungsstücke produziert werden, sind meist auch nicht zu finden.
Katastrophen wie in Pakistan oder in Bangladesch mit mehreren Hundert Toten – ich denke, das wird jeder von Ihnen gelesen, gesehen, gehört haben – haben den Konsumenten in den letzten Jahren mehr und mehr bewusst gemacht, in welchem Maße in vielen Textilfabriken Arbeits- und Menschenrechte verletzt worden sind. Zunehmend legen Verbraucherinnen und Verbraucher deshalb auch Wert auf faire Produkte. Sie wollen, dass Arbeiterinnen und Arbeiter so entlohnt werden, dass sie und ihre Familien davon leben können, und dass Kleidungsstücke nicht in einsturzgefährdeten Textilfabriken, beispielsweise ohne Brandschutzvorkehrungen, produziert werden.
Nachhaltiger Konsum ist jedoch nur möglich, wenn auf den Märkten auch nachhaltige Produkte angeboten werden. Die Verbraucher allein haben eben nicht die Marktmacht, diese einzufordern. Die Einhaltung von Menschenrechten, grundlegende Arbeitsschutzstandards und die Zahlung fairer Löhne sollten selbstverständliche Mindeststandards sein,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
sind es aber nicht. Deshalb sind politische Interventionen unumgänglich.
Einen ersten Schritt ging die Europäische Union im Jahr 2014 mit der Verabschiedung der sogenannten CSR-Richtlinie. Kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müssen zukünftig eine „erweiterte Berichterstattung“ vorlegen. Das heißt, sie sollen künftig stärker auch über nichtfinanzielle Aspekte des Engagements und über von ihnen verfolgte Konzepte berichten. Sie müssen beispielsweise Angaben zu den Arbeitsbedingungen, zur Achtung und Wahrung der Arbeitnehmerrechte, zum Gesundheitsschutz oder auch zur Sicherheit am Arbeitsplatz machen.
Ich hätte mir gewünscht, dass auch Unternehmen erfasst worden wären, die nicht börsennotiert sind. Dann wären auch große Handelsunternehmen wie Lidl oder Aldi, die ja auch jeder kennt, daruntergefallen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich hätte mir auch gewünscht, dass es einen Prüfmechanismus für die nichtfinanziellen Aspekte gibt. Wir, die SPD-Fraktion, sind hier leider mit unserem Koalitionspartner nicht – vielleicht: noch nicht – übereingekommen. Dennoch glaube ich, dass die Umsetzung der Richtlinie immerhin ein erster Schritt ist. Ich kann an dieser Stelle nur an Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Union, appellieren, die Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes nicht länger zu blockieren.
Endlich ist nun auch der Nationale Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ im Bundeskabinett verabschiedet worden. Damit sollen die UN-Leitprinzipien zum Schutz der Menschenrechte umgesetzt werden. Das Papier macht klar: Nicht nur der Staat ist zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet, sondern auch die Wirtschaft trägt Verantwortung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Und unabhängig von der Unternehmensgröße oder der Branche sollen alle einen aktiven Beitrag zur Verbesserung der Einhaltung der Menschenrechte entlang der Liefer- und Wertschöpfungskette leisten. In einem Monitoringprogramm will die Bundesregierung ab 2018 die Umsetzung des Aktionsplans überprüfen. Für den Fall, dass dieses Ziel verfehlt wird, will die Bundesregierung weitergehende Schritte bis hin zu gesetzlichen Maßnahmen prüfen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klingt ja wie eine Drohung!)
Nicht zu vergessen ist das Nationale Programm für nachhaltigen Konsum. Wie bereits erwähnt: Nachhaltig konsumiert werden kann nur, wenn auch nachhaltige Produkte angeboten werden, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher erkennen können, wie Kleidung, Lebensmittel oder Handys hergestellt worden sind. Faire Löhne machen übrigens die Produkte nur unmerklich teuer. Und selbst wenn sich Produkte dadurch verteuern würden: Wenn klar und verlässlich erkennbar ist, dass sie unter fairen Bedingungen produziert worden sind, wenn der Verbraucher, die Verbraucherin erkennen kann, warum etwas mehr kostet, dann steigt auch die Bereitschaft der Konsumenten, die höheren Preise zu bezahlen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das Thema Nachhaltigkeit muss branchenübergreifend und international gelebt werden. Es bedarf einiger neuer politischer Maßnahmen. Bestehende Instrumente wie zum Beispiel die Ökodesign-Richtlinie müssen weiterentwickelt werden, und andere Maßnahmen müssen evaluiert werden. Appelle allein an Verbraucher, verantwortungsvoller zu konsumieren, reichen nicht. Wir brauchen gerade in der Textilbranche mehr als nur Appelle an Unternehmen und Verbraucher.
Die Ziele Ihres Antrages, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, teilen wir deshalb. Ob Ihre Vorschläge allerdings wirklich am besten dazu geeignet sind, diese Ziele umzusetzen, da bin ich mir nicht ganz sicher.
(Heribert Hirte [CDU/CSU]: Eben!)
Wir müssen uns noch einmal mit den Experten auf diesem Gebiet zusammensetzen.
So viel ist jedoch klar: Die SPD steht Ideen für eine gesetzliche Regelung offen gegenüber. Ich habe es schon gesagt: Es war leider mit unserem aktuellen Koalitionspartner bisher nicht umzusetzen.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Es fehlt immer, dass die CDU an allem schuld ist! – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Fakt ist jedoch, dass etwas passieren muss. Das sind wir den Menschen, die unsere Kleidung, unsere Handys oder das Spielzeug unserer Kinder herstellen, schuldig.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Applaus können Sie jetzt nicht erwarten!)
Vielen Dank, Elvira Drobinski-Weiß. – Nächste Rednerin: Karin Binder für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7061227 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Faire Textilproduktion |