Heribert HirteCDU/CSU - Faire Textilproduktion
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten hier über den Antrag der Grünen mit dem Titel „Kleidung fair produzieren – EU-Richtlinie für Transparenz- und Sorgfaltspflichten in der Textilproduktion schaffen“.
Lassen Sie mich dazu zunächst sagen: Ihr Anliegen bedarf im Grundsatz – im doppelten Sinne des Wortes – nachhaltiger Unterstützung; denn die Produktionsbedingungen sind in vielen Ländern, vor allen Dingen Asiens, weit von den Standards entfernt, die wir uns hier in Deutschland wünschen, die wir uns vorstellen, die sich deutsche Verbraucher wünschen.
Wir haben es hier – Sie beschreiben das in Ihrem Antrag plastisch; das wurde so ähnlich auch schon gesagt – mit einer Externalisierung von Kosten zu tun, wie das die Ökonomen beschreiben. Um das zu ändern, wollen Sie die Bundesregierung auffordern, sich für eine EU-Richtlinie einzusetzen, die vor allen Dingen folgende Aspekte regeln soll: die Transparenz über die Lieferkette, die Verpflichtung, bestimmten Sorgfaltspflichten nachzukommen, den Nachweis der Einhaltung durch Zertifikate und einheitliche Standards für ebendiese Zertifikate.
Allerdings besteht kein Anlass, dies in dieser Weise zu regeln; denn – das schreiben Sie auf der anderen Seite auch – wir erleben einen Bewusstseinswandel in der Bevölkerung. Heute sagt man: Solche Produkte wollen wir nicht kaufen. – Für acht von zehn Verbrauchern ist es wichtig – das deckt sich auch mit meinen Rückmeldungen –, vernünftig produzierte Kleidung zu kaufen. Das zeigt doch: Verbrauchermacht wirkt. Verbrauchermacht wirkt auch durch die sozialen Medien. Wenn ein Produkt qualitativ schlecht ist und mit einer miserablen Lieferkette hergestellt worden ist, dann wird es von den Verbrauchern nicht mehr gekauft. Umgekehrt gilt: Wenn ein Unternehmen sagt: „Unser Produkt ist ordentlich hergestellt worden; wir überwachen die Lieferkette“, dann generiert es zusätzliche Marktanteile. Das bedeutet: Der Markt funktioniert.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er funktioniert eben nicht!)
Sie können sich das etwa bei den Bioeiern ansehen. 95 Prozent der Eier, die heute an Endverbraucher verkauft werden, sind Bioeier.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war ich auch!)
An der Kennzeichnung – das ist Ihr Verdienst –
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)
liegt es, dass die Verbraucher diese Eier kaufen.
Nur, dieselben Verbraucher sagen in Kenntnis genau dieser Umstände bei Kleidung oft: Wir wollen es anders haben. Die Verbraucher fragen auch, zu welchem Preis ein Produkt verkauft wird; und zu welchem Preis sie kaufen, ist die freie Entscheidung der Verbraucher.
Deshalb ist es so einfach nicht, dass acht von zehn Verbrauchern diese Bedingungen in dieser Weise überwacht haben wollen. Das könnte man nur durch Zwang ändern, indem man sagt: „Eine Produktion im Ausland ist verboten“, oder: Anzüge in Deutschland werden erst ab 4 000 Euro verkauft.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsinn! – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was soll das denn?)
Diesen Zwang lehnen wir ab, und Sie lehnen ihn auch ab. Was Sie wollen, ist Transparenz, nur Transparenz. Aber genau diese Transparenz haben wir schon. Deshalb geht Ihr Ansatz ins Leere. Wir verfolgen mit dem Textilbündnis – das BMZ hat das inzwischen weiter forciert – genau diesen Ansatz, die Transparenz zu fördern. So werden dem Verbraucher die notwendigen Informationen gegeben, damit er selbst eine Entscheidung treffen kann.
Es wäre falsch, die Wirtschaft – das klang in der Rede der Kollegin Drobinski-Weiß und noch viel extremer in der Rede der Kollegin von den Linken an – in die Haftung zu nehmen. Es sind die Verbraucher, die eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen, ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen sie Produkte aus der Dritten Welt kaufen. Wir brauchen Aufklärung, aber sie muss nicht mit Zwang hergestellt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Karin Binder [DIE LINKE]: Wie sonst?)
Selbst wenn Regelungsbedarf bestünde, gilt: Das, was Sie hier vorschlagen, ist ein bürokratisches Monster. Ein Herrenhemd – wir haben das in der Anhörung gehört – hat bis zu 140 Produktionsvorstufen. Das heißt, wir machen einen langen Zettel an ein Herrenhemd, auf dem steht, wo alle Einzelprodukte, vom Knopf bis zum Faden, herkommen. Das alles soll überwacht werden. Man braucht Zertifizierungsagenturen und Berater. Sie haben eben noch einmal gefordert, dass das auch von einem Abschlussprüfer überwacht werden muss usw. usf. Was Sie hier schaffen wollen, ist nicht soziale Gerechtigkeit, sondern ein neues Betätigungsfeld für Unternehmensberater und Werbeagenturen. Davon hätten die Menschen in Bangladesch nichts. Die Mehrkosten würden dann hier in Deutschland entstehen, und wir würden hier neue Arbeitsplätze in der Bürokratie schaffen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach super!)
Sehen wir uns weiter an, was Sie in Ihrem Antrag schreiben: Sie wollen die Pflichten so ausgestalten, dass den Kapazitäten und Einflussmöglichkeiten von KMUs Rechnung getragen wird. Das ehrt Sie. Aber wenn dies umgesetzt würde, wäre die Folge, dass die KMUs in noch größerem Umfang von den Pflichten ausgenommen werden, als wir es – im Übrigen im Konsens mit der SPD – jetzt in der CSR-Richtlinie vorsehen. Das ist in sich widersprüchlich.
Meines Erachtens ist es ein richtiges Anliegen, aber der falsche Weg. Nicht der Staat, sondern der Markt und der aufgeklärte Verbraucher – dazu haben wir die Instrumente in der Hand – sollten den Textilhandel zu besseren Bedingungen bei der Textilproduktion zwingen. Deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Renate Künast für die Fraktion der Grünen das Wort.
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Cite as | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Electoral Period | 18 |
Session | 212 |
Agenda Item | Faire Textilproduktion |