19.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 212 / Tagesordnungspunkt 8

Volker UllrichCDU/CSU - Faire Textilproduktion

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Verantwortung für das, was wir tragen. Die Wahrheit ist: In vielen Bereichen der Welt, vornehmlich in Asien, wird zu Bedingungen produziert, die wir für uns selbst niemals akzeptieren würden. Für Näherinnen werden Löhne bezahlt, die selbst unter Beachtung der dortigen Kaufkraft nicht zum Leben reichen. Die Verhältnisse und Bedingungen der Arbeitssicherheit sind nicht akzeptabel, die Umweltverhältnisse teilweise katastrophal.

Wir müssen darauf reagieren – aus eigener Verantwortung, um zu zeigen, dass wir nicht erst seit der Katastrophe von Rana Plaza eine globale Verantwortung für die Frage haben, wie Textilien weltweit produziert werden. Die Antwort darauf bedeutet: Wir haben eine Verpflichtung, die Situation der Menschen vor Ort, in den Ländern, bei der Produktion zu verbessern.

(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Stimmt!)

Auf diese Verpflichtung wollen wir uns sehr gern ei n lassen.

Aber klar ist auch: Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Das ist ein langwieriger Prozess.

(Karin Binder [DIE LINKE]: Aber dann muss man anfangen!)

Es gibt auch einige grundsätzliche Irrtümer, die immer wieder geäußert werden, zum Beispiel den Irrtum, dass eine Produktion in diesen Ländern nicht gut sei. Das Gegenteil ist der Fall. Die Textilindustrie hat beispielsweise in Bangladesch dazu beigetragen, dass sich die Lebensverhältnisse der Menschen Stück für Stück verbessern konnten, dass beispielsweise in Bangladesch auch wegen der vielen Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen die Geburtenziffer in den letzten dreißig Jahren von sechs Geburten pro Frau auf etwa zweieinhalb Geburten pro Frau zurückgehen konnte. Damit konnten sich ganz konkrete Perspektiven für die Menschen entwickeln.

Schauen Sie nach Südkorea. Dieses Land hat es geschafft, sich über den Einstieg in die Textilindustrie zu einem Industriestaat mit Maschinenbau und Elektrotechnik zu entwickeln.

Falsch ist die Vorstellung, dass allein günstige Kleidung bereits etwas über die Produktionsverhältnisse aussagt. Entscheidend ist der Lohnanteil an den gesamten Herstellungskosten der Kleidung. Er ist auch manchmal bei hochpreisigen Textilien nicht wesentlich höher als bei Textilien, die wenig kosten.

(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Genau!)

Wir dürfen nicht vergessen, dass die Verantwortung für katastrophale Umstände in den Produktionsländern auch der dortigen Korruption geschuldet ist. Auch das müssen wir ins Visier nehmen.

Jetzt ist die große Frage: An welchen Stellen können wir ansetzen? Die Idee, dass Richtlinien, Normen oder gar eine Beschwerdestelle in Brüssel jeden einzelnen der bis zu 140 Produktionsschritte entscheidend beeinflussen kann, ist zu optimistisch. Sie wird in der Praxis wenig funktionieren. Entscheidend ist, dass wir keine Bürokratie haben, sondern dass die Menschen mehr verdienen, dass wir Stück für Stück den Lohnkostenanteil heben, weil sich gezeigt hat, dass durch die Erhöhung der Löhne – das macht bei einer Jeans oder einem T-Shirt oftmals nur wenige Cent aus – tatsächlich die Bedingungen für die Menschen verbessert werden können. Das ist der Weg, den wir gehen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir setzen also bei der Wertschöpfungskette am entscheidenden Faktor an, nämlich am Faktor Mensch. Wir wollen erreichen, dass die Menschen unter besseren Umweltbedingungen, unter besseren Arbeitsbedingungen sowie zu besserem Lohn produzieren können.

Da ist mir wichtig, einen Satz auf das Bündnis für nachhaltige Textilien zu verwenden. Vor zwei Jahren, als dieses Bündnis durch unseren Entwicklungshilfeminister Gerd Müller gestartet ist, hat niemand gedacht, dass sich innerhalb von zwei Jahren über 180 Unternehmen daran beteiligen, sich an dieser Bewusstseinsbildung beteiligen. Zeigen Sie mir doch bitte ein Industrieland der westlichen Hemisphäre, welches sich mit dieser Nachhaltigkeit und diesem Engagement für entsprechende Produktionsbedingungen engagiert.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist nur immer noch nichts passiert!)

Ich glaube, auf dieses unser Engagement können wir wirklich stolz sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir haben eine Verantwortung für das, was wir tragen. Das Bewusstsein dafür müssen wir schon beim Einkauf haben. Wenn der mündige Verbraucher in die Bekleidungsgeschäfte geht, sollte er im Hinterkopf haben, wie diese Kleidung produziert wird.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was passiert im Hinterkopf?)

Ich setze darauf, dass die Verhältnisse durch bessere Löhne für die Näherinnen und durch ein nachhaltiges Textilbündnis insgesamt verbessert werden und wir durch diese Debatten für die Menschen vor Ort etwas gewinnen können.

Vielen Dank.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7061243
Wahlperiode 18
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Faire Textilproduktion
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