Stephan MayerCDU/CSU - Änderung des Vereinsgesetzes
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wenn es um innere Sicherheit geht, dann ist der öffentliche Fokus im Lichte des schrecklichen und unfassbaren Anschlags vom 19. Dezember 2016 am Breitscheidplatz hier in Berlin derzeit natürlich auf den islamistischen Extremismus und den islamistischen Terrorismus gerichtet. Es ist auch richtig, dass wir uns diesem Phänomen zuvorderst annehmen.
Trotzdem dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass es auch andere Phänomene im Bereich der Sicherheitspolitik gibt, die unsere große Aufmerksamkeit erfordern. Ich meine in diesem Zusammenhang vor allem die organisierte Kriminalität. Die Zahl der Verfahren im Bereich der organisierten Kriminalität steigt jährlich.
Im Jahr 2014 wurden in Deutschland allein 48 Verfahren gegen kriminelle Rockerbanden geführt. Dies entsprach 8,4 Prozent aller Verfahren gegen die organisierte Kriminalität. Rechnet man dann noch die Verfahren hinzu, die mittelbar gegen kriminelle Rockerbanden geführt wurden – das waren 23 –, dann kommt man auf insgesamt 71 Verfahren in Deutschland. Dies ist schon eine sehr beachtliche Zahl.
2015 waren es 42 Verfahren gegen kriminelle Rockerbanden. Das entsprach 7 Prozent aller Verfahren gegen die organisierte Kriminalität. Hinzu kamen noch 29 Verfahren, die mittelbar gegen kriminelle Rockerbanden geführt wurden.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, in sogenannten Outlaw Motorcycle Gangs sind insgesamt über 5 500 Mitglieder in mehr als 250 Gruppierungen organisiert. Das Lagebild des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen hat Ende letzten Jahres zutage gefördert, dass sich die Anzahl der polizeibekannten Rocker allein zwischen 2010 und 2016 mehr als vervierfacht hat. Das zeigt, dass dies ein Phänomen ist, das ernst zu nehmen ist. Kriminelle Rockerbanden sind vor allem in den Bereichen Drogenkriminalität, Menschenhandel, Zwangsprostitution und Schutzgelderpressung tätig.
Ich möchte eines deutlich machen: Wir hegen überhaupt keinen Generalverdacht gegen friedfertige Motorsportklubs oder gegen Motorradklubs, die sich in ihrer Freizeit organisieren und ihrem Hobby in friedfertiger und harmloser Weise nachgehen. Aber wir müssen klar differenzieren zwischen diesen friedfertigen und harmlosen Motorradklubs auf der einen Seite und hochkriminellen Rockerbanden auf der anderen Seite.
Es geht hier vor allem darum, deutlich zu machen, dass es nicht zugelassen wird, die Organisationsform des Vereins zu missbrauchen. Der Großteil dieser kriminellen Rockerbanden ist als Vereine organisiert. Das deutsche Vereinsrecht ermöglicht als Ultima Ratio das Verbot eines Vereins. Davon wird immer wieder einmal Gebrauch gemacht. Das ist auch richtig so.
Wir haben im Dezember letzten Jahres eine sehr einblickgebende Sachverständigenanhörung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt. Die Sachverständigen haben uns noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, dass der Organisationszusammenhalt in einer Rockergruppe vor allem durch die einheitliche Kleidung zum Ausdruck gebracht wird, dass das Tragen der Kutte eine integrative Wirkung hat. Damit wird gegenüber der Öffentlichkeit, gegenüber Unbeteiligten zum Ausdruck gebracht: Wir sind die Stärkeren. Wir unterminieren den Anspruch des Staates, das Gewaltmonopol auszuüben. Wir stellen durchaus auch den Rechtsstaat zur Disposition. – Wir dürfen es, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, nicht zulassen, dass hier rechtsfreie Räume entstehen. Deswegen ist es richtig, dass in derartigen Fällen von der Möglichkeit des Vereinsverbotes Gebrauch gemacht wird.
Es gab im Jahr 2002 eine Änderung des Vereinsgesetzes, die diese Möglichkeit verstärkt vorsah. Jetzt müssen wir, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, aber feststellen, dass diese Änderung aus dem Jahr 2002, insbesondere im Lichte eines Urteils des Bundesgerichtshofes vom Juli 2015, ihre gewünschte Wirkung nicht entfaltet hat. Weshalb? Weil der Bundesgerichtshof das subjektive Tatbestandsmerkmal in § 9 Absatz 3 des Vereinsgesetzes sehr restriktiv ausgelegt hat. Das hatte zur Folge, dass zwar der einzelne Verein als verboten galt und auch das Tragen der jeweiligen Kutte mit dem Namenszusatz verboten war, es aber durchaus möglich war, dass Schwestervereine, beispielsweise Chapter der Bandidos oder der Hells Angels, diese Kutten mit einem anderen Namenszusatz weiterhin legal verwenden konnten. Dadurch wurde dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.
Vor diesem Hintergrund ist es richtig, dass das Bundesinnenministerium eine Initiative ergriffen hat, um das Vereinsgesetz dahin gehend zu ändern, dass dieses subjektive Tatbestandsmerkmal in § 9 Absatz 3 des Vereinsgesetzes gestrichen wird. Wir brauchen in Zukunft die Möglichkeit umfassender Kennzeichenverbote.
Wir haben uns im Innenausschuss des Deutschen Bundestages mit diesem Gesetzentwurf sehr intensiv auseinandergesetzt. Wir sind der festen Überzeugung, dass mit dieser Änderung auch dem Bestimmtheitsgebot in ausreichender Weise Rechnung getragen wird. Vor allem wird mit dieser Änderung klar, dass man nicht die Möglichkeit hat, sich dieser an sich verbotenen Organisation durch einen schnellen Wechsel des Namenszusatzes auf der Kutte in der Öffentlichkeit auf legale Weise weiterhin als zugehörig zu zeigen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie herzlich um die Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetzentwurf. Er wirkt auf den ersten Blick zwar kleinteilig, bringt aber aus meiner Sicht deutlich zum Ausdruck, dass wir keine rechtsfreien Räume in Deutschland dulden, dass wir in Deutschland nicht dulden, dass das Recht des Stärkeren gilt, dass sich der, der dazu die Möglichkeit hat, sein Recht nimmt. In Deutschland gilt der Rechtsstaat.
Wir haben im Rahmen eines Änderungsantrages darüber hinaus eine EU-Verordnung über das Statut und die Finanzierung von europäischen Parteien und Stiftungen umgesetzt, indem wir das Bundesinnenministerium als die nationale Kontaktstelle definieren. Ich glaube, es ist sachgerecht, dass wir diese EU-Verordnung, die seit 1. Januar dieses Jahres gilt, im Rahmen eines Änderungsantrages sehr schnell in das laufende Gesetzgebungsverfahren einfließen lassen.
Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wirklich herzlich um die Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetzentwurf, zu dieser wichtigen Änderung des Vereinsgesetzes, weil damit die Möglichkeit gegeben wird, dass wir unsere Behörden in die Lage versetzen, konsequent und entschieden gegen organisierte Kriminalität, insbesondere gegen kriminelle Rockerbanden, vorzugehen.
Ich danke ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Als nächste Rednerin hat Ulla Jelpke von der Fraktion Die Linke das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7061246 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Vereinsgesetzes |