19.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 212 / Tagesordnungspunkt 9

Uli GrötschSPD - Änderung des Vereinsgesetzes

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Ulla Jelpke, im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf kann man nicht von Eiltempo sprechen. Die erste Lesung des Gesetzentwurfs fand am 30. September letzten Jahres statt. Wir haben eine ausführliche Anhörung durchgeführt und Gespräche über dieses Thema geführt. Das Tempo bei diesem Gesetzentwurf entspricht dem eines normalen parlamentarischen Verfahrens. Es gab ausreichend Zeit, den Gesetzentwurf dort zu korrigieren, wo es nötig war. Dieses Gesetz ist solide.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Eigentlich hast du unserem Gesetzentwurf in Teilen deiner Rede fast zugestimmt. Wir alle stehen nämlich an der Seite der Motorradklubs und der Rocker, die sich nichts zuschulden kommen lassen. Gegen diese hat in diesem Land wirklich niemand etwas. Diesen will auch niemand etwas ans Zeug flicken oder etwas verbieten. Uns geht es vielmehr darum, den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und diejenigen Vereine zu verbieten, deren Vereinszweck ein anderer ist als der vorgegebene, nämlich oft ein Deckmantel für organisierte Kriminalität zu sein.

Wir regeln mit diesem Gesetz konkret, dass Kennzeichen eines verbotenen Vereins nicht „in wesentlich gleicher Form“ von einem neuen Verein genutzt werden, so geschehen – nur beispielhaft – in der Rockerszene, wo verbotene Vereinssymbole mit einem anderen Ortsnamen weiter benutzt werden. Aber das betrifft – das sage ich ausdrücklich – nicht nur die Rockerszene. Auch in der rechtsextremen Szene wird ähnlich verfahren.

Was „in wesentlich gleicher Form“ bedeutet, haben wir in diesem Gesetz klar festgelegt, damit das Gesetz praxistauglich ist und entsprechend angewendet werden kann. Hier gab es in der Vergangenheit rechtliche Ungenauigkeiten. Vor allem fällt künftig das sogenannte subjektive Merkmal weg. Die Verbotsbehörden müssen künftig den nach einem Vereinsverbot neu gegründeten Nachfolgevereinen, die die bereits verbotenen Vereinssymbole in ähnlicher Form weiter benutzen, nicht mehr nachweisen, dass sie die verfassungswidrigen Ziele des verbotenen Vereins teilen, um das Kennzeichenverbot durchzusetzen. Das war nachvollziehbarerweise in der Praxis unmöglich, selbst wenn der Sachverhalt offensichtlich war. Um es auf den Punkt zu bringen: Verboten ist verboten.

Ja, diese Verschärfung des Vereinsgesetzes kann zu einem Kuttenverbot führen. In der ersten Beratung im Plenum am 30. September 2016 habe ich von einem möglichen Ende des Mythos um Hells Angels oder Bandidos gesprochen, weil das verbindende Vereinssymbol wegfallen könnte. In der öffentlichen Sachverständigenanhörung hat uns einer der Sachverständigen geschildert, dass die Bikerkutte auch ein Stück Kultur und Tradition in der Rockerszene ist, die es seit Jahrzehnten in Deutschland gibt. Das teile ich ausdrücklich und sage: Es geht uns nicht um diese Jacken, sondern um diejenigen, die sie für einen Vereinszweck nutzen, der ein anderer ist als der vorgegebene.

Ich kann als Sicherheitspolitiker auch nicht wegdiskutieren, dass Teile der Rockerszene für viele Bereiche der organisierten Kriminalität – wie etwa Prostitution oder Schutzgelderpressung – stehen und Rockerklubs trotz Vereinsverbot und Kennzeichenverbot Möglichkeiten gefunden haben, um Gesetzeslücken zu nutzen und einfach in einem anderen Ort ein neues Chapter zu gründen mit fast dem gleichen Vereinssymbol. Bei einer Güterabwägung überwiegt für mich die Verantwortung für die Sicherheit der Menschen in unserem Land.

In der Anhörung am 12. Dezember 2016 wurde auch sehr deutlich, wie bedrohlich das demonstrative Gebaren mit Kutten und Motorrädern in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, wie auch teils bewusst Angst und Schrecken verbreitet werden. Und darum geht es eben auch in Bezug auf das Sicherheitsgefühl der Menschen in diesem Land, über das wir in diesem Haus hier unter so vielen Aspekten immer wieder reden. Auch das ist einer der Aspekte, die mit dem Sicherheitsgefühl der Menschen in Deutschland zu tun haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben in einer Zeit, in der das Sicherheitsgefühl der Menschen leider Schaden genommen hat – nicht nur durch Terroranschläge wie zuletzt auf dem Berliner Weihnachtsmarkt, sondern etwa auch durch die steigende Zahl von Wohnungseinbrüchen. Deshalb muss der Staat zeigen, dass er sich nicht an der Nase herumführen lässt, dass er Recht durchsetzen kann und handlungsfähig ist. Ich habe den Eindruck, dass das Vertrauen dahin gehend gelitten hat. Deshalb schließen wir heute mit diesem Gesetz ein weiteres Schlupfloch, um die verbotenen Symbole diesmal effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich möchte zum Ende noch einmal etwas sagen, was mir sehr wichtig ist. Diese Änderung des Vereinsgesetzes ist keine Lex Rocker. Sie gilt für alle kriminellen oder verfassungsfeindlichen Vereine – egal ob rechts, links oder islamistisch –, die meinen, eine Gesetzeslücke nutzen zu können, um ihre Machenschaften fortzusetzen. Diese Lücke wird es künftig nicht mehr geben. Ich bin mir sicher, dass das auch im Sinne aller ehrlichen und friedliebenden Motorradfahrer und Rocker in Deutschland ist, die sich nichts zuschulden kommen lassen. Von denen gibt es in diesem Land übrigens mehr als eine halbe Million.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Monika Lazar für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7061251
Wahlperiode 18
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Änderung des Vereinsgesetzes
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