Susanne MittagSPD - Änderung des Vereinsgesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich einmal die Mühe macht, den Begriff „Rocker“ im Netz zu suchen – es suchen ja alle immer gerne im Netz –, erhält man zunächst seitenweise Aufzählungen von Vorfällen mit Rockerbezug aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Diese lesen sich wie ein Auszug aus der Bandbreite der Kriminalstatistik. Erst sehr spät, nämlich auf der dritten Ergebnisseite, kommt eine Meldung zum Suchbegriff „Rocker“, der einmal nichts mit Kriminalität zu tun hat: Frau Rocker sucht für ihre Teestube einen Nachfolger. – Aber ansonsten sind diese beiden Begrifflichkeiten sehr eng miteinander verbunden.
Die Rockergruppierungen, über die wir sprechen, sollten übrigens nicht mit Motorradfahrergruppen verwechselt werden. Da gibt es ganz eindeutige Unterschiede. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, weil ich über 20 Jahre selber Motorrad gefahren bin. Motorradfahrer möchten auch nicht mit Rockern verwechselt werden. Das ist ein Riesenunterschied. Ich denke, den müsste man noch einmal deutlich machen.
Die Rockergruppen bezeichnen sich selbst als Outlaw Motorcycle Gangs. Sie stellen sich selber – auf Deutsch gesagt – außerhalb des Gesetzes. Diese Gruppierungen sind streng hierarchisch organisiert. Sie haben strikte interne Regeln, und sie weisen oftmals eine hohe Gewaltbereitschaft auf; das ist hier schon mehrfach gesagt worden. Das öffentliche Auftreten wirkt mit Absicht einschüchternd. Das bezwecken sie vorsätzlich. Das ist Sinn der Sache: als Gruppe, aber auch als Einzelperson. Gruppierungen wie zum Beispiel die Hells Angels oder die Mongols nutzen Embleme, Abzeichen oder auch bestimmte Farben, um damit eindeutig ihre Zugehörigkeit zu einer Outlaw-Gruppe zu zeigen. Offenbar gilt es bei ihnen als Markenzeichen – ist sozusagen ihr Geschäftsmodell –, außerhalb des Gesetzes zu stehen und das auch öffentlich zu bekennen. Damit machen sie auch Reklame.
In der Anhörung – das ist schon erwähnt worden –, die es im Vorfeld zu diesem Gesetzentwurf gegeben hat, wurde unter anderem dargelegt, die Bezeichnung „Outlaw“ müsse man vielleicht als ironische Überspitzung sehen – hier ist schon zurückgerudert worden –, aber es gehöre zur Kultur in Deutschland. Ich habe durchaus Sinn für Humor, aber Kultur ist doch etwas anderes als eine Outlaw-Gruppe.
(Zuruf der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])
Die gemeinsamen Embleme haben für die Mitglieder der Gang die Bedeutung, den Träger als Teil einer großen Gruppe auszuweisen und sich ihrer Unterstützung sicher zu sein: sei es als Gruppe, sei es alleine, gegenüber Dritten – ganz massiv wird damit Stärke suggeriert –, Konkurrenten und insbesondere unbeteiligten Bürgern. Bei diesen Zusammentreffen wurden schon sehr oft unbeteiligte Bürger von ihnen unbeabsichtigt zu Beteiligten. Sie werden durch diese Art des Auftretens und Handelns eingeschüchtert und verunsichert. Unterhalten Sie sich einmal mit Bürgern, die davon betroffen sind. Sie werden Ihnen ganz andere Geschichten erzählen. Hierbei geht es nicht nur um eine regionale Zugehörigkeit, wie es derzeit einige Gerichte werten müssen. Es geht um die Zugehörigkeit zu einer großen überregionalen Gruppe, und diese ist immer wieder Teil der organisierten Kriminalität.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes nehmen wir den nachweislich kriminellen Gruppierungen grundsätzlich die Erkennungszeichen und ihre Insignien der Macht. Das sind nämlich Insignien der Macht. Die öffentliche Zurschaustellung der entscheidenden Symbole und Kennzeichen wird erst nach entsprechender Prüfung und einem richterlichen Beschluss verboten. Damit verliert sich die nicht zu unterschätzende einschüchternde Wirkung. Wir nehmen diesen Gruppierungen einen Teil ihres Geschäftsmodells.
Im Vorfeld der Beratung hat der Deutsche Fußball-Bund – das ist schon erwähnt worden – in einem Schreiben die Befürchtung geäußert, nun würde das Vereinsleben gefährdet und die Fußballvereine ihre Logos verlieren, sofern diese von gewaltbereiten Fußballfans missbraucht werden. Richtig ist, dass sich dieses Gesetz nicht speziell gegen Rocker richtet. Es wird für alle Vereine anwendbar sein, zum Beispiel Fußballvereine, Schützenvereine, Gesangsvereine – kann sein –, aber auch rechts- und linksextremistische, salafistische und sonstige kriminelle und gewaltorientierte Vereine, die durch einen Innenminister der Länder oder des Bundes verboten werden oder wurden. Eine Gefahr für die Fußballvereine sehe ich nicht. Ich bin mir relativ sicher, dass sich jeder Fußballverein oder andere Vereine von randalierenden Gruppen oder sogenannten Hools, die sich als Fans ausgeben, distanzieren wird. Es wird Stadionverbote geben. Der Ausschluss wird sicher sein. Mit Ausschluss wird diese Gruppe auch geächtet werden, denke ich. Das sollten die Vereine auch tun. Es gibt nämlich keine gemeinsame Basis zwischen Fußballverein und gewaltbereiten und randalierenden Straftätern. Hier hätte sich der DFB vorher ein bisschen kundig machen sollen, ehe er derartige Bedenken äußert.
Meine Damen und Herren, wir schließen dieses Gesetzgebungsverfahren heute ab. Die Diskussion war ausreichend lange, und wir nehmen auch den Hinweis seitens des Bundesrates ernst. Wir werden sehr genau darauf achten, wie sich das Gesetz in der Praxis bewährt. Ich bin mir sicher, wir haben ein bislang in diesem Bereich völlig unterschätztes Gesetz verbessert und machen einen weiteren Schritt bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als letzter Redner hat Thorsten Hoffmann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7061430 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 212 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Vereinsgesetzes |