19.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 212 / Tagesordnungspunkt 9

Thorsten HoffmannCDU/CSU - Änderung des Vereinsgesetzes

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt und kann dieses Thema aus einer ganz anderen Sicht beleuchten. Ich will einmal deutlich machen, was mir passiert ist.

Vor einigen Wochen traf ich mich mit Ron Perlman auf der Comic Con in Dortmund. Ron Perlman ist der Hauptdarsteller der amerikanischen Fernsehserie Sons of Anarchy. Es geht in der Serie um einen Motorrad- und Rockerklub, einen MC. Wenn sich jemand ein wenig mit der Rocker- und Motorradszene auskennt, stellt er fest, dass diese Serie durchaus einen hohen Realitätsgehalt hat. Wer sich mit der organisierten Rockerkriminalität allerdings nicht auskennt – das scheint mir bei manchen der Fall zu sein –, der hat hier gutes Anschauungsmaterial. Ich finde überdies sehr interessant, wie Hollywood mit so einem Thema umgeht, wie Hollywood es schafft, dass sich der Zuschauer sogar mit diesen Outlaws identifizieren kann.

Ich selbst habe im Bereich der organisierten Kriminalität und im Speziellen auch im Rockermilieu ermittelt. Und damit meine ich nicht, dass ich mal einen Rocker bei einer Verkehrskontrolle angehalten habe. Nein, ich meine damit, dass ich bis tief in die Szene vorgedrungen bin. Haben Sie schon mal einem Rocker in die Augen geschaut? Ich schon – 14 Jahre lang. Es sind zunächst Menschen wie Sie und ich. Sie haben Familie, gehen auch in die Kirche, haben Kinder

(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das lässt ja tief blicken!)

– hören Sie ruhig zu, dann lernen Sie etwas! –, lieben ihre Frauen und gehen arbeiten. Der Unterschied ist nur der: Teile der Rockerszene verdienen ihren Lebensunterhalt mit kriminellen Geschäften.

Keiner von uns glaubt ernsthaft, dass die Hells Angels oder die Bandidos bestehen, weil sie nur die Freude am Motorradfahren verbindet. Das heißt aber nicht – das wurde heute schon des Öfteren gesagt –, dass ich alle vorverurteile, die Mitglieder eines Motorradklubs sind. Nein, das heißt nur, dass mir bei den kriminellen Rockern die Verstrickungen in Schutzgelderpressungen, Zuhälterei bis hin zu Waffen- und Drogenhandel bekannt sind. Deshalb bin ich der festen Überzeugung, dass es durchaus gute Gründe dafür gibt, das Vereinsgesetz gerade im Hinblick auf die organisierte Kriminalität im Rockermilieu anzupassen.

Wir müssen dazu erst einmal anerkennen, dass nach außen sichtbare Zeichen, also die Patches, auch Macht bedeuten. Wenn ein Rocker seine Kutte trägt, dann gibt ihm das eine Identität. Mit dem Tragen der Kutte steigert sich auch sein Selbstwertgefühl. Die Umwelt reagiert anders auf jemanden, der eine Kutte mit diversen Symbolen trägt. Viele werden vorsichtig, ängstlich und zurückhaltend. Wenn man einem Rocker die Kutte wegnimmt, ist er nackt und empfindet sich als unvollständig und sogar minderwertig. Wer eine Bandidos- oder Hells-Angels-Kutte mit entsprechenden Patches trägt, der zeigt, dass er ein Teil von etwas ist, der zeigt, dass eine ganze Truppe hinter ihm steht – eine Truppe, die möglicherweise Partei ergreifen wird. Wenn ein Bürger so jemandem in Kutte gegenübersteht, dann schaut der nicht auf die Details der Patches. Er sieht nur das Ganze und hat oft Angst.

Was für den Bürger schwer ist, ist oft auch für den Polizisten schwer. Nicht jeder Polizeibeamte kennt sich detailliert mit Patches aus. Hier müssen wir den Polizistinnen und Polizisten im Einsatz eine Sicherheit geben. Sie müssen auf Anhieb erkennen können, ob ein Symbol zu einer verbotenen Gruppierung gehört. Es wäre doch peinlich für jeden Polizisten, der weiß, dass ein MC und das zugehörige Patch verboten sind, wenn er bei einer Kontrolle solch ein Patch zu erkennen glaubt und entsprechend handelt, er dann aber im schlimmsten Fall von einem möglicherweise kriminellen Rocker belehrt wird, weil das Patch eben nicht zu dem verbotenen Chapter, sondern zu einem anderen gehört. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können und dürfen unsere Polizisten und Polizistinnen, denen ich jeden Tag für ihre großartige Arbeit dankbar bin, nicht im Regen stehen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte aber noch einen allgemeineren Rahmen bauen. Wir müssen es kriminellen Vereinigungen so schwer wie möglich machen. Denn diese Kriminellen wissen nur zu gut, wie man es den Ermittlungsbehörden schwer macht. Sie kennen die juristischen Schlupflöcher und sind bundesweit, teilweise weltweit organisiert. Wir können hier mindestens von mittelständischen Strukturen der Kriminalität sprechen, und wir müssen diesen Strukturen entschlossen entgegentreten. Um diesen illegalen Strukturen entgegenzutreten, sind wir als Gesetzgeber verpflichtet, unseren ermittelnden Behörden die Arbeit so einfach wie möglich zu machen. Wir sind verpflichtet, den Rechtsrahmen ganz klar abzustecken. Wir sind verpflichtet, diese Art der Kriminalität auf jede legale Weise zu bekämpfen.

Wissen Sie, ich selbst bin passionierter Motorradfahrer. Ich schaue mir auch gern Ron Perlman und die Sons of Anarchy an. Aber ich möchte nicht, dass Fernsehserien zu einer von uns akzeptierten Wirklichkeit werden. Deshalb müssen wir das Vereinsgesetz in diesem Punkt anpassen und ergänzen. So wird es effektiver, ist näher an der Realität, und genau das wollen wir doch. Man wirft uns doch sonst immer vor, nicht nah genug an der Realität zu sein. Insofern bitte ich Sie herzlich um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Vereinsgesetzes. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 18/10903, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 18/9758 und 18/9947 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Jetzt bitte ich diejenigen, die dagegenstimmen wollen, sich zu erheben. – Jetzt bitte ich diejenigen, sich zu erheben, die sich enthalten wollen. – Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Gesine Lötzsch, Halina Wawzyniak, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Dragoner-Areal dem Land Berlin zum Kauf anbieten

Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 75, Entschuldigung, 25 Minuten vorgesehen. – 75 Minuten für dieses Thema wären ein bisschen zu lange gewesen; das muss ich deutlich sagen. Die Debattenzeit beträgt also 25 Minuten. Die Redner mögen sich bitte darauf einstellen. Gibt es dazu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner in dieser Aussprache hat Klaus-Dieter Gröhler von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7061431
Wahlperiode 18
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Änderung des Vereinsgesetzes
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