19.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 212 / Tagesordnungspunkt 12

Hiltrud LotzeSPD - Medikamentenrückstände in Gewässern

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne! Wasser ist unsere wichtigste Lebensgrundlage. Dass hier am Rednerpult zum Beispiel jederzeit ein Glas frisches, sauberes Trinkwasser steht, das nehmen wir als Selbstverständlichkeit wahr. Aber das ist natürlich keine Selbstverständlichkeit. Deswegen gehört es zu unseren wichtigsten Aufgaben, die Qualität des Wassers nicht nur zu erhalten, sondern sie da, wo es nötig ist, auch kontinuierlich zu verbessern, damit sie unseren und den Ansprüchen der Verbraucherinnen und Verbraucher genügt. Die Europäische Union bescheinigt uns, dass der Gewässerzustand von Flüssen und Bächen im Jahr 2015 nur zu 7 Prozent „gut“ oder „sehr gut“ war. Das ist natürlich kein gutes Zeugnis. Ein Grund für den schlechten Zustand ist die durch die Landwirtschaft verursachte jahrelange Überschreitung der Grenzwerte für den Nitrateintrag. Ich bin froh, dass sich das Landwirtschaftsministerium jetzt bewegt hat – es wird höchste Zeit; das will ich noch dazusagen – und dass wir hoffentlich in Kürze eine neue Düngeverordnung und ein neues Düngegesetz mit strengeren Regeln bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Faktor für den schlechten Zustand unserer Gewässer ist die Belastung mit Mikroschadstoffen, darunter die Rückstände von Medikamenten. Genau darum geht es ja in dem Antrag der Grünen, den wir hier beraten. Dieses Thema – das konnte man in der Vergangenheit sehen – produzierte schon einmal skurrile Schlagzeilen wie zum Beispiel in der Welt aus dem August 2014. Da hieß es in der Überschrift: „Fische auf Viagra“. Das hört sich lustig an, aber es ist natürlich ein ernstzunehmendes und stetig wachsendes Problem; denn durch immer mehr in der Tierhaltung eingesetzte Medikamente, vor allem Antibiotika, steigt natürlich auch der Anteil dieser Stoffe in den Gewässern.

Gleiches gilt für Humanarzneimittel. Durch die älter werdende Bevölkerung – wir freuen uns, dass so viele Menschen älter werden – nimmt die Menge an eingenommenen Medikamenten stetig zu. 2012 waren es über 8 000 Tonnen Medikamente mit umweltbelastenden Wirkstoffen. Wir können davon ausgehen, dass die Menge heute deutlich höher ist. Und da die Kläranlagen nicht in der Lage sind, alle Wirkstoffe herauszufiltern, gelangen diese Wirkstoffe als Abwasser in die Flüsse und von dort wiederum als Trinkwasser in den menschlichen Körper, zwar auf Nanogrammniveau, aber es bleibt nicht ohne Auswirkung.

Wir wissen noch gar nicht genau, welche Folgen das für Mensch und Tier hat, aber es ist absehbar, dass es zu Resistenzen gegen Antibiotika kommt. Fische laichen nicht mehr, weil sie dank der Pille, die im Wasser als Wirkstoff ankommt, permanent verhüten. In Schweden hat man aufgrund der erhöhten Konzentration eines Beruhigungsmittels in einem Fluss bei Barschen ein zunehmend artuntypisches Verhalten festgestellt.

Wenn wir uns vor Augen führen, welches unsere Ansprüche an das Wasser sind und wie die Problematik, die ich geschildert habe, ist, dann haben wir sozusagen ein Dreieck: Wir wollen sauberes Trinkwasser von hoher Qualität. Wir wollen, dass alle Menschen die Medikation bekommen, die sie benötigen. Und wir wollen natürlich auch bezahlbares Wasser, besonders Trinkwasser. Diese berechtigten Anliegen müssen in Einklang gebracht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, mit Ihrem Antrag haben Sie ein wirklich wichtiges Thema aufgegriffen. Doch unter den Mikroschadstoffen sind die Medikamentenrückstände nur ein Teilbereich. Deswegen hat das Umweltministerium im letzten Jahr begonnen, eine Mikroschadstoffstrategie zu erarbeiten, die im Frühjahr 2017 verabschiedet werden soll. Diese Strategie soll unter Beteiligung von Akteuren aus der Zivilgesellschaft, der Wasserwirtschaft, der Industrie, den Ländern sowie der betroffenen Bundesressorts entstehen. Als Ergebnis sollen ein gemeinsames fachliches Verständnis und ein Bündel geeigneter Maßnahmen und Strategien im Umgang mit Mikroschadstoffen erarbeitet werden. Dabei – das können wir zu Recht erwarten; das fordern wir auch – muss es im Besonderen um wirksame Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen gehen; denn was gar nicht erst ins Wasser gelangt, muss am Ende nicht herausgefiltert werden. An der Quelle müssen die Veränderungen vorgenommen werden.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU])

Ich bin sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Bundesregierung mit diesen Maßnahmen, mit der Strategie, die derzeit entwickelt wird, die Forderungen, die im Antrag der Grünen enthalten sind, nicht nur erfüllt, sondern im Ergebnis noch darüber hinaus geht; denn die Strategie wird sich nicht nur auf die hier genannten Medikamente beziehen, sondern auch auf Kosmetika und Industrie- und Haushaltschemikalien.

Wir als SPD-Fraktion wollen die Ergebnisse des Dialogs und die Strategie abwarten und werden deswegen dem Antrag heute nicht zustimmen. Wenn sie im Frühjahr vorgelegt wird, werden wir schauen, ob weitere Maßnahmen erforderlich sein werden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Ralph Lenkert für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7061474
Wahlperiode 18
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Medikamentenrückstände in Gewässern
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