19.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 212 / Tagesordnungspunkt 14

Hendrik HoppenstedtCDU/CSU - Bekämpfung von Diskriminierung

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um den Schutz vor Diskriminierungen zu verbessern, hat die Große Koalition vor zehneinhalb Jahren das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz beschlossen. Damit wurden insgesamt vier unterschiedliche EU-Antidiskriminierungsrichtlinien umgesetzt. Dank des AGG wurden und werden Diskriminierungen erfolgreich beseitigt und verringert. Das Gesetz hat sich also nach unserer Auffassung insgesamt bewährt.

Die Linke – wir haben es eben gehört – fordert in ihrem Antrag die Einführung eines Verbandsklagerechts. Zu Recht weist sie in der Begründung darauf hin, dass Verfahren kollektiver Rechtsdurchsetzung im deutschen Rechtssystem einen Fremdkörper darstellen. In Deutschland haben wir das Konzept des Individualrechtsschutzes. Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 Grundgesetz bestimmt:

Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.

Die verwaltungsgerichtliche Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 42 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist aber nur dann zulässig, „wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein“. Auch im Zivilprozess gilt es darum, eigene subjektive Rechte als Kläger vor Gericht durchzusetzen. Dieses Konzept hat sich nach unserer Auffassung bewährt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es braucht schon gute Gründe, um im Einzelfall davon abzuweichen.

Das von den Linken angeführte Beispiel der naturschutzrechtlichen Verbandsklage etwa kann man damit rechtfertigen, dass die Natur ihre Rechte nicht selbst einklagen kann. Dieses Argument gilt aber ausdrücklich nicht für Diskriminierte. Man kann die Forderung nach der Verbandsklage auch nicht mit finanziellen Hürden, mit Beweisschwierigkeiten des Einzelnen oder einer enormen emotionalen Belastung begründen, wie es die Linke versucht. Die Gegenargumente lauten nämlich: Es gibt Beratungs- und Prozesskostenhilfe. Beweisschwierigkeiten ergeben sich auch bei klagenden Verbänden. Und falls eine betroffene Person als Zeuge gehört wird, löst das natürlich auch eine emotionale Belastung aus. – Deswegen lehnt meine Fraktion die Einführung eines gesonderten Verbandsklagerechts ab.

Die Grünen anerkennen in ihrem Antrag immerhin, dass das AGG die Rechte derjenigen, die Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität erfahren haben, gestärkt hat. Positiv bewerten sie, dass sich in deutschen Unternehmen eine Antidiskriminierungskultur etabliert habe. Sie behaupten allerdings auch, dass die vier EU-Gleichbehandlungsrichtlinien in dem AGG nur bruchstückhaft umgesetzt worden sind, und fordern zudem eine Reform des Gesetzes, um Diskriminierungen noch effektiver zu bekämpfen.

Der Antrag der Grünen enthält insgesamt 19 unterschiedliche Forderungen. Vieles davon steht schon in dem Evaluierungsbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Das ist deswegen nicht besonders verwunderlich, weil auch ein Referent der Fraktion der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus – meines Wissens jedenfalls – an dem Bericht mitgewirkt hat.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mir den Namen geben?)

Ich kann jetzt leider nicht alle 19 Forderungen, die Sie aufführen, hier mit Ihnen diskutieren. Deswegen gestatten Sie mir, dass ich nur einige wenige herausgreife.

Sie fordern erstens natürlich auch das Verbandsklagerecht. Das lehnen wir aus den eben genannten Gründen ab.

Sie möchten zweitens den Begriff der Rasse möglichst vermeiden und schlagen vor, diesen durch „rassistische Benachteiligungen“ zu ersetzen.

(Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Hören Sie doch eine Sekunde zu! – Angesichts unserer Geschichte kann man darüber sicherlich diskutieren. Das Merkmal der Rasse ist allerdings von der Antirassismusrichtlinie vorgegeben. Bevor diese beschlossen wurde, ist intensiv über die konkrete Formulierung diskutiert worden. Die Wortwahl entspricht dem Wortlaut des Artikels 10 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU, dessen Ausfüllung die Antirassismusrichtlinie dient. Selbst in unserem Grundgesetz, in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1, ist von Rasse die Rede. Daher glaube ich, dass wir das AGG insoweit nicht ändern müssen.

Sie fordern drittens, klarzustellen, dass der Diskriminierungsgrund Geschlecht entgegen der Begründung des AGG auch Diskriminierungen aufgrund der Geschlechtsidentität erfasst, das heißt trans- und intergeschlechtliche Menschen. Damit erwecken Sie den Eindruck, dass diese Personengruppen nicht ausreichend geschützt werden und einen schwächeren Schutz genießen als Menschen, die wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden. Dies begründen Sie leider nicht weiter. Richtig ist, dass vom Begriff der sexuellen Identität laut Begründung des AGG auch transsexuelle und zwischengeschlechtliche Menschen erfasst werden. Damit unterliegen diese auch uns am Herzen liegenden Personengruppen dem AGG-Schutz, sodass ich Änderungsbedarf wirklich nicht erkennen kann. Im Ausschuss können wir darüber diskutieren; vielleicht haben Sie ja ein paar Fallkonstellationen, die uns weiterhelfen.

Schließlich schreiben Sie zum Schluss:

Die Gefahr von sexueller Belästigung besteht grundsätzlich bei allen Schuldverhältnissen ...

Deshalb wollen Sie sexuelle Belästigung auch im Hinblick auf den allgemeinen Zivilrechtsverkehr als Diskriminierung definieren. Auch diese Forderung erläutern Sie nicht weiter. Bei alltäglichen schuldrechtlichen Massengeschäften, etwa an der Supermarktkasse, sehe ich jedenfalls keine grundsätzliche Gefahr, aus Gründen der Sexualität diskriminiert zu werden.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss, möchte Ihnen aber schon jetzt keine zu großen Hoffnungen machen, dass Ihre 19 Forderungen am Ende des Tages im Bundesgesetzblatt stehen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD] – Zuruf von der CDU/CSU: Die werden gar nicht drinstehen!)

Der Kollege Volker Beck hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7061494
Wahlperiode 18
Sitzung 212
Tagesordnungspunkt Bekämpfung von Diskriminierung
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