Joachim PoßSPD - Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2017
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa macht sich im Moment der Krise unter dem Eindruck des wachsenden Nationalismus in den Mitgliedstaaten und des weltweiten Populismus kleiner, als es tatsächlich ist, wie ich finde. Wir nutzen die Potenziale, die in diesem demokratischen Gemeinwesen Europa stecken, nicht hinreichend aus. Wir Proeuropäer machen nicht hinreichend deutlich, wofür wir stehen: für Menschenrechte, für Rechtsstaat und für Demokratie.
Wir müssen keine Angst vor den Populisten dieser Welt haben. Wir sollten uns mal die wirtschaftlichen Ergebnisse in Russland oder in der Türkei anschauen. Diese Volkswirtschaften sind hochgradig gefährdet. Über die Euro-Zone haben wir gerade in dieser und in der letzten Woche gehört, dass wir die wirtschaftliche Stabilisierung erreicht haben, im Übrigen mit der europäischen Hilfe für Griechenland.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Gysi, Sie als Meister der Halbwahrheiten können natürlich nicht zu richtigen Schlussfolgerungen kommen, wenn Sie eine falsche ökonomische Analyse vornehmen. Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten wir Griechenland überhaupt nicht geholfen.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Wir haben Griechenland aber massiv geholfen. Wir werden Griechenland auch weiter helfen, weil wir das europäische Projekt zusammenhalten wollen. Sie als Linkspartei haben keine vernünftigen Antworten auf die europäische Situation.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Sie verstricken sich ebenso in Widersprüche wie die Rechtspopulisten mit ihrem unverantwortlichen Reden und Handeln, meine Damen und Herren. Sie sind in dieser Hinsicht nicht wesentlich besser.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Unglaublich!)
Schauen Sie sich einmal einige Reden Ihrer Fraktionskollegin Wagenknecht an, und analysieren Sie diese.
Also, was tun? Es sind doch nicht die Europäische Kommission und die Europäische Union, die das Handeln gegen Steuerdumping in Europa verhindern. Es sind die Mitgliedstaaten – die Niederlande an erster Stelle, Belgien, Luxemburg, Malta, Irland –, die ein wirksameres und erfolgreicheres Handeln der Europäischen Union gegen Steuerdumping verhindern. Es sind Orban, Kaczynski und Co., die verhindern, dass wir in der Flüchtlingsfrage erfolgreicher zusammenarbeiten. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir müssen hier in diesem Parlament schon aussprechen, was ist, und dürfen nicht unsere ideologischen Versatzstücke vortragen.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Die Bürgerinnen und Bürger verlangen ein Ende des Steuerdumpings der multinationalen Konzerne. Das verlangen sie von uns. Wenn wir nicht liefern, tauchen solche Figuren wie Trump auf, der heute amerikanischer Präsident wird.
(Richard Pitterle [DIE LINKE]: Sie sind doch an der Regierung! Liefern Sie!)
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten dann von ihm, dass er handelt: von einem Mann – das muss man über den zukünftigen amerikanischen Präsidenten sagen –, der ein bekennender Spezialist im Umgehen der Steuerpflicht ist und der mit seiner Praxis in den letzten Jahrzehnten bewiesen hat, dass er nichts vom Gemeinwesen versteht, sondern nur etwas von der Ausbeutung von Menschen, um es einmal deutlich zu sagen. Das ist die Realität, mit der wir uns jetzt natürlich auseinandersetzen müssen. Es sind die weißen Arbeiter, die ihn gewählt haben und eine Veränderung ihrer Lebenssituation erwarten.
(Zuruf des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE])
– Ich will mit dem Beispiel deutlich machen: Wenn die weißen Arbeiter in Deutschland oder in anderen europäischen Ländern von den Populisten dieser Welt, ob Rechts- oder Linkspopulisten, realitätstaugliche Antworten zur Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse erwarten, dann werden sie nach aller geschichtlichen Erfahrung angeschmiert. Davor müssen wir die Menschen bewahren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Es führt doch auch nicht weiter, dass Frau Theresa May in ihrer Verlegenheit, eine vernünftige Antwort auf die Brexit-Entscheidung ihres Landes zu finden, damit droht, vor unseren Toren ein weiteres Steuerparadies entstehen zu lassen. Wir haben bereits Jersey, Guernsey und andere vor der Haustür. Damit würden die Handlungs- und Finanzierungsmöglichkeiten, die wir benötigen, verringert, um Investitionen und damit auch Arbeitsplätze für diejenigen zu schaffen, die sich abgehängt fühlen.
Im Übrigen muss natürlich auch Deutschland seinen Beitrag zur notwendigen Stabilisierung der Euro-Zone und Europas leisten und noch mehr investieren. Wir haben mit dem Investitionsprogramm einen ersten Schritt gemacht. Die Laufzeit dieses Programms wird bis 2020 verlängert.
Abschließend sage ich: Je unsicherer und gefährlicher die Welt wird, desto mehr muss die Europäische Union ihr Gewicht auf der internationalen Bühne zur Geltung bringen. Angesichts unserer Wirtschaftskraft und unserer demokratischen Substanz haben wir allen Grund, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch gegenüber denjenigen selbstbewusst aufzutreten, die öffentlich vor Kraft kaum laufen können und hinter deren Fassade es sehr hohl ist.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist die Kollegin Iris Eberl für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7061578 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 213 |
Tagesordnungspunkt | Arbeitsprogramm der EU-Kommission 2017 |