Frank SteffelCDU/CSU - Zulassungspflicht für Finanzprodukte
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Karawanskij, Sie haben Ihre Rede begonnen – Sie haben das charmant vorgetragen – mit dem Hinweis auf Medikamente. Das klingt für die Zuhörer sicherlich überzeugend,
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist überzeugend!)
sodass sie sich fragen: Warum machen wir es nicht so einfach? – Sie sollten aber fairerweise darauf hinweisen, dass es bei Medikamenten erstens einen Beipackzettel gibt und zweitens die Nebenwirkungen angegeben sind. Nur weil ein Medikament mit größerer oder geringerer Wahrscheinlichkeit möglicherweise Nebenwirkungen hat, wird es nicht verboten. Wenn wir alle Medikamente verbieten würden, die Nebenwirkungen haben könnten, dann gäbe es in Deutschland keine Medikamente.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Susanna Karawanskij [DIE LINKE])
– Melden Sie sich doch zu einer Zwischenfrage. Ich stehe Ihnen gerne zur Verfügung. Ansonsten sollten Sie mich meine Argumente genauso vortragen lassen, wie ich es bei Ihnen getan habe.
Wenn Sie das bei Finanzprodukten ähnlich machen wollen, dann gilt das Gleiche. Sie können natürlich sagen: Wir verbieten alle Finanzprodukte, die Nebenwirkungen haben. – Aber, meine Damen und Herren Zuhörer, Sie müssen wissen, dass das dann nicht nur hochspekulative, von uns allen als dubios und unseriös eingeschätzte Produkte betrifft, sondern auch den Ökobauernhof um die Ecke, das Sozialprojekt, das Kulturprojekt und den Sportverein, der ein paar Tausend Euro für das neue Vereinsheim sammelt. Das alles müssten wir – weil es Risiken birgt und Nebenwirkungen hat – ebenfalls verbieten.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Von „verbieten“ hat hier keiner was gesagt! Sie hätten zuhören sollen!)
Sie erwecken des Weiteren den Eindruck – das ist schon erstaunlich –, dass diese Bundesregierung und auch ihre Vorgängerin seit dem Ausbruch der globalen Finanzkrise nicht unendlich viel für die Stabilisierung der Finanzmärkte und insbesondere für den Anlegerschutz getan hätten. Ich gebe Ihnen trotzdem recht – ich sage das sehr klar –: Natürlich ist dieser Markt hoch dynamisch. Wir alle müssen aufpassen und schnell genug sein, wenn es um Regulierung, Nachjustierung und den Schutz von Bürgerinnen und Bürgern, die ihr Geld anlegen wollen, geht; denn die Finanzindustrie ist außergewöhnlich kreativ. Wir alle arbeiten ständig mit Hochdruck und versuchen, rechtzeitig wirksame Regelungen zu finden, nachzujustieren und übrigens aufzuklären, aufzuklären, aufzuklären. Der Deutsche Bundestag hat aus diesem Grunde gerade im Finanzbereich so viele Gesetze beschlossen wie nur selten zuvor zu einem anderen Thema in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
(Beifall bei der CDU/CSU – Manfred Zöllmer [SPD]: Genau!)
Wir haben seit 2007 Gesetzeslücken geschlossen. Wir haben mit unglaublichem Aufwand die Transparenz der Vermögensanlagen erhöht. Wir haben zur Stabilisierung der Finanzmärkte und zum Schutz der Anleger sehr viel getan. Wir haben 40 Maßnahmen zur dauerhaften Stabilisierung der Finanzmärkte auf nationaler und insbesondere auf europäischer Ebene ergriffen; es gibt diverse Gesetze. Wir haben die Bankenunion beschlossen. Damit gibt es eine europäische Aufsicht. Denn wir haben in der Krise lernen müssen: Es nutzt uns gar nichts, wenn wir Deutsche das perfekt machen. Wenn Lehman Brothers in Amerika Probleme bekommt, dann wackelt auch der deutsche Finanzsektor, mit allen Konsequenzen für den deutschen Anleger. Wir haben die europäische Einlagensicherung und den europäischen Bankenabwicklungsmechanismus auf den Weg gebracht. Wir haben die Bankenaufsicht für alle Banken Europas bei der EZB angesiedelt. Übrigens sagen uns alle, die damit zu tun haben, dass das hervorragend klappt.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Sie haben es eigentlich gar nicht gewollt!)
Viele von uns hatten die Sorge, dass das nicht vernünftig funktionieren wird. Nein, selbst die Bundesbank sagt uns, dass es mindestens so gut klappt wie bei uns in Deutschland. Wir sollten das heute einmal erwähnen und stolz darauf sein, was der Deutsche Bundestag gerade in diesem Bereich beschlossen hat.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich möchte Sie an das Kleinanlegerschutzgesetz erinnern. Wir haben vor wenigen Monaten ein Kleinanlegerschutzgesetz beschlossen. Wir haben hier den Verbraucherschutz zu einem weiteren Aufsichtsziel unserer BaFin erklärt. Wir haben den Vertrieb problematischer Produkte dramatisch beschränkt. Wir verbieten irreführende Werbung; denn das war ein Teil der Probleme: Man hat den Menschen Sicherheit – bei hoher Rendite – versprochen. Das kann es natürlich nicht geben. Wenn Sie 15 Prozent Zinsen erwarten, dann haben Sie ein hohes Risiko. Das ist das kleine Einmaleins der Marktwirtschaft. Jemand wird 15 Prozent nur zahlen, weil er für 3 Prozent niemanden findet. Damit ist das Risiko naturgemäß höher als bei 3 oder 4 Prozent.
Wir ermöglichen der BaFin, bereits zu Beginn einer Vermarktung eine Beschränkung oder ein Verbot auszusprechen. Das heißt, die BaFin kann genau das, was Sie fordern. Sie kann verhindern, dass problematische Produkte in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt erst auf den Markt kommen.
Wir haben den Vertrieb eingeschränkt und gesagt: Bestimmte Produkte dürfen nur an Menschen vertrieben werden, die von dem Produkt auch etwas verstehen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Jetzt sagen Sie doch mal, warum Sie keine Zulassungspflicht wollen!)
Übrigens, meine Damen und Herren, dieser Satz gilt immer – ich sage das gerade und besonders gerne hier im Deutschen Bundestag, wenn hoffentlich ein paar Menschen zuschauen und zuhören –: Kaufe kein Produkt, das du nicht verstehst. Das ist der Hinweis an jeden Menschen, der Geld anlegen möchte: Kaufe nur Produkte, die du verstehst. – Wenn das geschähe, hätten wir übrigens einen Großteil der Probleme schon gelöst.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Kleinanlegerschutzgesetz hat darüber hinaus eine Mindestlaufzeit eingeführt, weil kurze Laufzeiten ein großes Problem waren. Es hat ein Kündigungsrecht eingeräumt. Heute kann man, wenn man ein Finanzprodukt kauft, wie bei anderen Produkten auch innerhalb einer gewissen Frist sagen: Ich habe mich geirrt, ich habe mich schlaumachen lassen, ich trete vom Kaufvertrag zurück. – Das war früher nicht so. Das, was für viele andere Produkte galt, galt für Finanzprodukte nicht. – Auch diese Verbesserungen hat diese Koalition eingeführt.
Wir haben bei der Erarbeitung dieses Gesetzes – die Kolleginnen und Kollegen, die wie ich damit befasst waren, werden das bestätigen können – gelernt, wie heterogen auch der kleine Finanzmarkt ist. Ich habe zwischen der ersten und zweiten Lesung über 60 Zuschriften von kleinen Unternehmen, Sozialprojekten, Kulturprojekten und Bürgerinitiativen bekommen, die gesagt haben: Wir sammeln Geld ein, aber wir führen nichts Böses im Schilde. Achtet darauf, dass ihr unsere Arbeit nicht durch gesetzliche Regelungen unmöglich macht.
Wir haben deshalb in der Beratung hier im Bundestag das Gesetz an vielen Stellen nachjustiert und gesagt: Wir wollen, dass auch ein Sozialprojekt 50 000 Euro einsammeln kann. Und wir wollen, dass es im Rahmen eines Wohnprojekts Mieterinnen und Mietern ermöglicht wird, ein Haus etwa zu kaufen. Natürlich gibt es da ein Risiko. Es gibt bei jeder Finanzanlage ein Risiko. Immer gibt es ein Risiko, wenn man Geld hat, das man irgendwo hinpackt, um damit Geld zu verdienen. Das ist ein Naturgesetz der Marktwirtschaft. Und darüber müssen wir aufklären. Im Übrigen gibt es nicht gute und schlechte Finanzprodukte, wie Sie versuchen, das den Menschen einzureden.
(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, es gibt richtig schlechte!)
– Nein, das Finanzprodukt, Herr Schick, richtet sich natürlich am Ziel und am Anlegerkreis aus. Wenn Sie für sich entscheiden, von Ihrem üppigen Einkommen hier im Deutschen Bundestag 1 000 Euro in ein hochriskantes Geschäft zu stecken, weil Sie die Hoffnung haben, dass aus den 1 000 Euro 100 000 Euro werden, dann ist das Ihre freie Entscheidung. Wenn ein anderer – weil er bescheidener ist als Sie – entscheidet, die 1 000 Euro in ein vermeintlich ganz sicheres Produkt zu packen, wo er nur 0,2 Prozent Zinsen bekommt, dann ist das seine ganz persönliche Entscheidung. Und diese Entscheidung soll auch jeder Deutsche treffen können. Das wollen wir! Er muss nur wissen, wofür er sich entscheidet.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])
Er muss wissen, welches Produkt er kauft. Deswegen haben wir gesagt: Es muss eine klare Aufklärung, große Warnhinweise und eine Einschränkung der Vertriebswege geben. Und die Werbung darf nicht mehr irreführen. Das gibt es in vielen anderen Bereichen des Lebens übrigens auch, nur, im Finanzbereich sind die Auswirkungen besonders elementar. Deswegen hat der Staat eingegriffen.
Wir werden – ich will das abschließend noch erwähnen – weitere Gesetze beschließen. Wir machen gerade das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz. Hier werden wir natürlich wieder hingucken, wo wir nachjustieren und an welchen Stellen wir den Entwicklungen folgen müssen, die der Markt in den letzten Monaten oder Jahren genommen hat.
Meine Damen und Herren, Ihre Forderung nach einem Finanz-TÜV hört sich super an. Und ich sage noch einmal: Sie haben das lustig vorgetragen. Kompliment an Ihren Redenschreiber! – Sie haben den Menschen das Gefühl gegeben, man kann bei Finanzprodukten zwischen guten und schlechten bzw. sicheren und unsicheren unterscheiden. Meine Damen und Herren, so einfach ist die Welt nicht. Es wird immer unterschiedliche Finanzprodukte geben. Selbst die vermeintlich sichere Aktie der Deutschen Bank hat gerade in diesem Jahr bewiesen, dass es Risiken gibt. Und keiner weiß, wo der Kurs morgen steht. Denn wenn wir das wüssten, dann säßen wir alle nicht hier, sondern würden unser Geld entsprechend anlegen und ab morgen unser Leben in der Sonne verbringen. Insofern werden wir damit leben müssen, dass es Unsicherheiten gibt.
Ein TÜV gaukelt Sicherheit vor, die es nicht gibt. Man kann Produkte nicht unterscheiden, indem man rote und grüne Ampeln einführt. Ich komme zurück zu den Medikamenten. Sie können Medikamente nicht verbieten, nur weil eines von tausend möglicherweise Nebenwirkungen hatte, die wir alle nicht wollen. Dies gilt auch für Finanzprodukte.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, es geht um Zulassungspflicht, nicht um Verbieten!)
Wir wollen Aufklärung und Sicherheit für die Verbraucher. Wir wollen, dass sich die Menschen bewusst für etwas entscheiden können. Deswegen werden wir weiter regulieren, aber nicht populistisch und einfach. So, wie Sie mit Ihrem sozialistischen Weltbild sich die Welt vorstellen, ist sie nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])
Vielen Dank. – Das hat jetzt die Frau Karawanskij dazu bewegt, eine Kurzintervention zu beantragen. Bitte schön, Frau Kollegin.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7061800 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 213 |
Tagesordnungspunkt | Zulassungspflicht für Finanzprodukte |