20.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 24

Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Zulassungspflicht für Finanzprodukte

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Auseinandersetzung hat gerade schon gezeigt, dass die Frage, wie viele Regeln es eigentlich braucht, wie viele Vorgaben der Staat machen soll, immer heiß umstritten war. Wenn man sich anschaut, wie sich die CDU/CSU-Fraktion über Jahre hinweg gegen Verbote bei offensichtlich schlechten, nämlich intransparenten Finanzprodukten, die für die Kunden eindeutig gefährlich sind, gewehrt hat, dann merkt man: Es waren genau dieselben Argumente, die Sie heute vorgetragen haben, Herr Steffel. Sie haben heute zugegeben, dass Produktverbote manchmal schon notwendig sind. Daher sage ich Ihnen: Wägen Sie Ihre Argumente noch einmal sehr gut. Es gibt nämlich sehr wohl schlechte Finanzprodukte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es gibt zu viele schlechte Finanzprodukte, nämlich solche, bei denen das, was das Finanzprodukt eigentlich ausmacht, verschleiert wird, ohne dass der Kunde das nachvollziehen kann. Von dieser Art Produkte gibt es Hunderttausende in Deutschland.

Damit sind wir bei einem Zustand, den man einfach einmal sehen muss. Herr Steffel, Sie haben gesagt: Wir müssen aufpassen, dass wir schnell genug sind. – Leider ist der Staat unter dieser Bundesregierung nicht schnell genug. Seit 2008 hat die Menge der Zertifikate, die in Deutschland zirkulieren, zugenommen.

(Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Jetzt kommen wir in den Wahlkampf!)

Die Lebensversicherungen sind an vielen Stellen immer noch intransparent, und die Auszahlungen für die Kunden sind nicht nachvollziehbar. Deswegen muss man sagen: Diese Regierung ist gegenüber dem Finanzmarkt nicht schnell genug.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Was leistet jetzt ein Finanz-TÜV, wie er im Antrag vorgeschlagen wird? Erst einmal möchte ich sagen: Im Vergleich zu dem, was in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagen wurde, gibt es eine entscheidende Verbesserung: Sie setzen jetzt nämlich auf die europäische Ebene, weil wir einen europäischen Finanzbinnenmarkt haben – das haben Sie erkannt –, und deswegen wird eine solche Zulassung europäisch verankert sein müssen. Die Frage, inwieweit der Staat für das haftet, was er zugelassen hat, ist jetzt beantwortet – wunderbar.

Es gibt trotzdem entscheidende Schwächen, und die muss man sehen.

Mein erstes Beispiel für diese Schwäche betrifft jetzt nicht den Verbraucherbereich, sondern Derivate wie zum Beispiel Kreditausfallversicherungen, die berühmten Credit Default Swaps. Was solche Absicherungsgeschäfte zwischen einzelnen Unternehmen und Banken betrifft, so sind das erst einmal Produkte, bei denen eine Behörde sagen würde: Das können wir zulassen. – Möglicherweise können in einem Einzelfall zwischen Unternehmen, die genau wissen, was sie machen, bestimmte Absicherungen Sinn machen. Wenn das aber zum Massengeschäft wird und plötzlich ein Riesenmarkt daraus entsteht, dann wird das in einer Immobilienkrise eine massiv gefährliche Geschichte. So gibt es verschiedene Produkte, die in ihren Ursprüngen gar nicht mal völlig verkehrt waren, als sie in Einzelfällen genutzt wurden, die aber in ihrer Gesamtwirkung für den Markt fatal werden können. Wenn Sie jetzt denken: „Wenn man diese Produkte am Anfang einmal prüft, dann ist alles gut“, dann springen Sie eindeutig zu kurz. Vielmehr braucht es auch eine Kontrolle: Welche Entwicklungen gibt es am Markt? Insofern ist diese makroökonomische Sicht, also die gesamtwirtschaftliche Sicht, die Frage „Was passiert am Finanzmarkt?“ und gegebenenfalls ein nachträgliches Eingreifen, um Produkte aus dem Verkehr zu ziehen, die eine gefährliche Wirkung haben, so wichtig. Das übersehen Sie. Es braucht nicht nur einen Zulassungs- und Kontrollprozess am Anfang, es braucht ihn auch, während die Produkte laufen, und das fehlt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Zweite, was mich nicht überzeugt, ist: Es gibt ja bereits Kontrollen am Anfang, zum Beispiel die Prospektpflicht. In der Tat sehen wir auch da Nachsteuerungsbedarf. Bisher ist das immer noch zu formal, und es wird zu wenig darauf geschaut, ob sich die Inhalte widersprechen, ob es Hinweise auf Interessenkonflikte gibt. Viele Finanzprodukte sind als Produkt erst einmal okay. Nehmen wir den Bereich der Immobilienfinanzierung: Wenn derjenige, der ein solches Produkt anbietet, mit dem Bauträger, dem Vermieter und anderen am Projekt Beteiligten unter einer Decke steckt, sodass die Rendite, die normalerweise dem Anleger zugutekommen müsste, unter den anderen aufgeteilt wird, dann steckt das Problem nicht allein im Produkt, sondern in dem, was insgesamt passiert. In diesem Fall darf man nicht nur auf die Produktzulassung schauen, um beim Vergleich mit den Arzneimitteln zu bleiben, sondern man braucht, wenn so etwas auf den Markt kommt, auch eine Kontrolle, dass es hier keine Interessenkonflikte gibt und der Anleger nachher nicht leer ausgeht, bis hin zu betrügerischen Geschäftsmodellen. Ich glaube, da greift der Vergleich mit den Arzneimitteln an dieser Stelle zu kurz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn man schon den Vergleich mit Arzneimitteln bemüht, dann muss man sagen: Auch im Finanzbereich gibt es einen Beratungsprozess. Viele Produkte sind für manche Kunden grundsätzlich in Ordnung, erreichen aber auch die völlig falschen Kunden. An der Stelle muss man die Frage der Zulassung zusammendenken mit dem ganzen Beratungsprozess. Hier ist Kritik daran zu üben, wie es heute in Deutschland läuft. Wir haben das Provisionsunwesen immer noch nicht überwunden, obwohl wir schon seit acht Jahren, seit Ausbruch der Finanzmarktkrise, hier intensiv darüber diskutieren. Es gibt immer noch Leute, die es schützen wollen – in Brüssel und in Deutschland. Dazu gehören leider das Bundesfinanzministerium und insbesondere die CDU/CSU-Fraktion. Auch da müsste dringend etwas getan werden. Wir müssen also die Dinge in einem größeren Zusammenhang sehen und vorher und nachher eingreifen. Dann kann man den Zustand überwinden, dass es immer noch zu viele schlechte Produkte für die Anleger gibt.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. – Jetzt hat für die SPD-Fraktion Sarah Ryglewski das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7061807
Wahlperiode 18
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Zulassungspflicht für Finanzprodukte
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