20.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 24

Sarah RyglewskiSPD - Zulassungspflicht für Finanzprodukte

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Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger auf der Tribüne! Finanz-TÜV – Kompliment an die Linken – ist ein toller Begriff. Wir alle können uns etwas unter TÜV vorstellen. Wenn wir uns in ein TÜV-geprüftes Auto setzen, dann wissen wir, dass es sicher ist, dann haben wir Vertrauen. Was könnte man denn grundsätzlich dagegen sagen, eine solche Prüfung, die wir in Deutschland immerhin schon seit mehr als 100 Jahren mit Verlässlichkeit und Sicherheit verbinden, auch für Finanzprodukte einzuführen? Ich sage es Ihnen: Bei genauerer Betrachtung –, das kam ja schon in den vorherigen Redebeiträgen zur Sprache – ist es nämlich so, dass dieses Sicherheitsversprechen nicht viel mehr bietet als diesen griffigen Namen.

Das, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, ist leider nur eine Scheinlösung, die viel verspricht, den Anlegerinnen und Anlegern aber nur eine gefährliche Scheinsicherheit bietet. Wirkliche Verbesserungen erreichen wir nur, indem wir die Transparenz für Anlegerinnen und Anleger erhöhen, vor allem aber eine gute Beratung sicherstellen, weil nicht jedes Finanzprodukt für jeden geeignet ist, und indem wir weiterhin für eine effektive Aufsicht sorgen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Frank Steffel [CDU/CSU])

Sie hingegen fordern eine Zulassungspflicht für Finanzprodukte und führen als Begründung an, dass es diese auch für Medikamente und technische Produkte gebe. Leider muss ich Ihnen sagen: Pillen und Policen sind sich in etwa so ähnlich wie Äpfel und Birnen. Der Vergleich zwischen der Zulassung von Medikamenten und der Zulassung von Finanzprodukten hinkt einfach. Bei einer Pille kann ich ganz konkret bestimmte Folgen absehen; ich kann sie an Probanden testen. Bei einem Finanzprodukt muss ich mich auf eine Prognose beschränken. Ich weiß nicht, wie viel Erfolg ein Unternehmen hat, ich weiß nicht, ob es Zukunft hat, und ich weiß auch nicht – das hat Herr Kollege Dr. Schick dargestellt –, ob sich möglicherweise Produkte, die für einen einzelnen Verbraucher geeignet sind, in der Summe zu einem Problem aufbauen. Deswegen ist das eine Scheinsicherheit. Finanzmärkte und Risiko sind eben untrennbar miteinander verbunden.

Hinzu kommt, dass wir Leute möglicherweise mit Produkten locken, die für sie gar nicht geeignet sind, weil der Stempel „sicher“ darauf ist: staatlich geprüft. Der TÜV hat es geprüft; das kennen wir vom Auto. Das kann man also machen. – Das wollen wir nicht.

Es wird argumentiert, man könne die Haftung des Staates dafür ausschließen. Das kann man juristisch möglicherweise machen; das will ich nicht ausschließen. Trotzdem ist es so, dass, wenn wir den Finanz-TÜV einrichten und es ein Problem gibt, das nicht der Kontrolle der Einrichtung unterliegt, alle mit dem Finger auf diese Einrichtung zeigen werden. Ihr Vertrauen wäre dann untergraben, und wir wären keinen Schritt weiter.

Etwas anderes, was ich sehr kritisch finde, ist, wie Sie mit den Etiketten „Verbraucherrelevanz“, „Verbraucherfreundlichkeit“ und „Verbraucherschutz“ umgehen. Ich frage mich: Was ist denn eine verbraucherfreundliche Geldanlage? Ist ein Sparbrief mit mageren 0,1 Prozent Zinsen verbraucherfreundlich? Ist ein kompliziertes Zertifikat, das mir aktuell 5 Prozent Rendite verspricht und bei dem mir ein geringes Risiko zugesichert wird, verbraucherfreundlich? Was ist mit einem Nachrangdarlehen für ein junges ökologisches Unternehmen? Ist das verbraucherfreundlich? Ob ein Produkt geeignet ist, das kommt auf den Verbraucher an und darauf, was er möchte.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Genau das sagen wir!)

Ich würde nicht jedem empfehlen, in Crowdfunding zu investieren. Aber wenn jemand sagt: „Ich habe in meiner Nachbarschaft jemanden, der ein innovatives Produkt entwickelt hat, das ich unterstützen möchte“, dann würde ich sagen: Das Risiko ist möglicherweise relativ hoch; aber wenn du Interesse an dem Produkt hast und Geld übrig hast, dann investiere.

Für uns heißt verbraucherfreundliche Kapitalanlage: Jeder bekommt das Produkt, das zu ihm passt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dafür braucht man in erster Linie eine gute Beratung. Wir sollten Anlegerinnen und Anleger nicht in falscher Sicherheit wiegen, noch sollten wir für sie entscheiden, wie sie ihr Geld investieren sollen.

In der Realität – das stört mich generell an Ihren Anträgen – gibt es nicht die eine große Lösung, mit der alle Risiken von den Kapitalmärkten verschwinden und jeder Anleger sein Geld ohne Risiko, dafür aber mit hohen Renditen anlegen kann. In der Praxis führt nur das Nebeneinander und Miteinander verschiedener Maßnahmen zu einem verbesserten Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Daran arbeiten wir in dieser Koalition in Deutschland und in Europa. Unsere Ziele sind deswegen Transparenz, eine effektive Aufsicht der Finanzmärkte und vor allem – das habe ich vorhin schon gesagt – eine gute Beratung, damit jeder das Produkt bekommt, das zu ihm passt.

Mit dieser Koalition ist hier einiges passiert; Herr Kollege Steffel hat das schon ausgeführt. Wir haben viele Produkte, die bisher nur unzureichend reguliert werden, aus dem Zwielicht des Grauen Kapitalmarkts geholt. Wir stellen sicher, dass sie nicht mehr auf Kleinanlegerinnen und Kleinanleger losgelassen werden, indem wir gesagt haben: Diese Produkte sind für diesen Anlegerkreis nicht geeignet. – So können Anlegerinnen und Anleger besser einschätzen, welche Chancen und Risiken sich hinter Produkten wie Nachrangdarlehen oder Crowdinvestments verbergen.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen zudem laufend über auftretende Problem informiert werden. Auch hier haben wir etwas getan. Das Thema Risikoklassen habe ich schon angesprochen; dadurch wird es leichter, sich im Dschungel der Finanzprodukte zurechtzufinden. Das Thema „Kosten von Produkten“ werden wir weiter angehen. Wir haben die Aufsicht, die Eingriffsmöglichkeiten der BaFin weiter verbessert; das muss ich nicht weiter ausführen. Es ist ja nicht so, dass das ein stumpfes Schwert ist. Sie macht von ihren Möglichkeiten Gebrauch. So ist die BaFin beispielsweise bei Bonitätsanleihen und Differenzkontrakten schon tätig geworden. Wir werden weiter beobachten, was passiert.

Ich möchte zum Schluss noch auf das Thema Beratung eingehen. Ich bin mit dem Kollegen Dr. Schick völlig einer Meinung: Wir müssen dafür sorgen, dass die Beratung weiter verbessert wird. Für mich heißt das ganz klar, dass wir das Thema Honorarberatung bzw. unabhängige Beratung – das ist eigentlich der richtige Begriff; Honorar­beratung unterstellt ja immer, dass das andere umsonst ist – weiter voranbringen müssen. Ich würde mich freuen, wenn bei den Kolleginnen und Kollegen von der Union noch ein bisschen mehr Offenheit und Bereitschaft vorhanden wären, hier weiterzukommen. Als ersten Schritt sollten wir im FiMaNoG festlegen, dass die Kosten und die Interessenlage bei provisionsbasierter Beratung offengelegt werden, damit eine Vergleichbarkeit gewährleistet werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, Sie müssen jetzt wirklich Ihr Versprechen einhalten, zum Schluss zu kommen.

Genau. – Deswegen mein Appell: Wir debattieren in der nächsten Woche hier im Plenum über das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz. In den Beratungen sollten wir das Thema dann angehen. Finanzmarktnovellierungsgesetz klingt vielleicht nicht so sexy wie Finanz-TÜV, ist aber wahrscheinlich deutlich wirksamer.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Jetzt hat Dr. Volker Ullrich, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7061809
Wahlperiode 18
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Zulassungspflicht für Finanzprodukte
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