Volker UllrichCDU/CSU - Zulassungspflicht für Finanzprodukte
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Linken, einen Finanz-TÜV einzuführen, zielt darauf ab, dass Finanzprodukte zukünftig nur noch auf den Markt kommen dürfen, wenn sie vorher zugelassen wurden. Der Hintergrund dieser Regelung ist in der Tat ein Ärgernis. In den vergangenen Jahren gab es gerade im Bereich des sogenannten Grauen Kapitalmarkts Vorkommnisse, die uns als Gesetzgeber nicht zufriedenstellen können: Schiffsfonds mit hohen Verlusten, Schrottimmobilien, die viele Kleinanleger in die Pleite getrieben haben, Abschlüsse von Verträgen, bei denen lediglich das Provisionsinteresse im Vordergrund stand und nicht das Interesse des Anlegers, und auch betrügerische Fonds, deren Vorgehen im Augenblick strafrechtlich aufgearbeitet wird.
So ärgerlich diese Vorkommnisse auch waren, so ärgerlich ist es auch, dass Sie in Ihrem Antrag nicht deutlich machen, dass die Große Koalition auf diesen Missstand bereits geantwortet hat. Es sind viele Gesetze erlassen worden, mit denen wir auf diese Missstände reagiert haben, zum Beispiel das Kleinanlegerschutzgesetz mit einer strikteren Prospekthaftung und mehr Befugnissen für die BaFin. Es gibt seit vielen Jahren in Deutschland ein Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz, mit dem gerade die Produkte der Altersvorsorge unter eine ganz besonders strenge Prüfung gestellt werden. Wir debattieren in der nächsten Woche im Deutschen Bundestag über das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz, und im Bereich des Verbraucherschutzes gibt es seit einigen Jahren die Marktwächter, die ganz deutlich darauf hinweisen, welche Produkte für Verbraucher geeignet sind und welche nicht. Diese Art der klugen Regulierung zeigt, dass der Gesetzgeber aus den Missständen gelernt hat, und er hat gehandelt. Zu sagen, es sei nichts passiert, ist allenfalls populistisch, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])
Ihr Finanz-TÜV wird von einer ganz anderen Grundhaltung getragen. Sie sagen explizit: Alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist verboten. Dem liegt im Grunde genommen ein ganz anderer Geist, eine andere Haltung zu Fragen der Freiheit und der sozialen Marktwirtschaft zugrunde. Ich sage Ihnen ehrlich: Ihre Haltung gegenüber Freiheit und Marktwirtschaft ist nicht unsere Haltung. Das ist Staatsdirigismus, und den lehnen wir entschieden ab.
(Zuruf der Abg. Susanna Karawanskij [DIE LINKE])
Ihr Konzept wird auch nicht funktionieren, weil eine Umsetzung in der Praxis nicht zu leisten ist. Sie schlagen vor, eine Produktanlage aus Deutschland von einer Behörde mit Sitz in Paris prüfen zu lassen. Von den sprachlichen Schwierigkeiten bei einem französischen, portugiesischen oder finnischen Mitarbeiter ganz zu schweigen, beantworten Sie die praktischen Fragen nicht, zum Beispiel, wie es funktionieren soll, dass sich Mitarbeiter einer europäischen Behörde in jedes Geschäftsmodell einarbeiten.
(Widerspruch bei der LINKEN)
Die praktischen Schwierigkeiten dieses Modells haben Sie nicht einmal im Ansatz umrissen. Aber Sie bekommen die Schwierigkeit, dass Sie die Haftung des Staates, selbst wenn Sie sie am Anfang vielleicht rechtlich ausschließen wollen, tatsächlich nicht ausschließen können, wenn der Staat einem Produkt seinen Stempel aufdrückt; denn dann wird jeder Kleinanleger, bei dem sich das Risiko verwirklicht hat, nicht beim Emittenten Regress nehmen, sondern den Staat in Anspruch nehmen. Der Staat haftet aber nicht für das Versagen einer Kapitalanlage. Das ist nicht unser Verständnis.
(Beifall bei der CDU/CSU – Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Sie haben es nicht verstanden, und Sie haben es nicht gelesen!)
Sie müssen das einmal plastisch sehen. Ich erkläre es Ihnen ganz einfach:
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Ja wenn Sie es nicht verstehen?)
Wenn in einem Restaurant oder in einer Gaststätte jeder für sich selbst bezahlt, ist der Umsatz meistens geringer, als wenn einer die Runde schmeißt und jeder so viel nehmen kann, wie er möchte. So wird es auch im Bereich der Finanzprodukte sein. Wenn der Staat haftet, dann werden die Emittenten im Endeffekt ein höheres Risiko eingehen, als wenn der Staat nicht haften würde, weil eben letzten Endes der Staat dahintersteht. Die Frage des Risikos haben Sie völlig ausgeblendet.
(Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Können Sie das Beispiel wiederholen? Das hat hier keiner verstanden! Das Präsidium auch nicht!)
Wir setzen auf das Konzept einer vernünftigen Regulierung. Wenn Betrug vorliegt, schaltet sich der Staatsanwalt ein. Wenn Angaben im Prospekt nicht ordnungsgemäß gedruckt sind, kann die BaFin das Produkt bereits jetzt aus dem Verkehr ziehen.
(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Das habe ich auch anerkannt!)
Wir sagen aber auch ganz ehrlich, dass es in unserer Volkswirtschaft einen Bedarf an Kapitalanlagen, die Möglichkeit des Einsammelns von Geld gibt, und zwar, weil wir es für Investitionen benötigen. Ich nenne Ihnen nur eine Zahl aus dem Bereich der Start-ups: Im Jahr 2015 ist im gesamten Silicon Valley die Summe von 34 Milliarden Dollar an Wagniskapital eingesammelt worden, um Start-ups, neue Firmen zu finanzieren. Im gleichen Zeitraum sind in ganz Deutschland nur 4 Milliarden Euro eingesammelt worden. Das heißt, allein im Silicon Valley war es achtmal so viel. Wir brauchen auch in Deutschland eine Kultur des Geldeinsammelns – für Start-ups, für neue Ideen, für neue Firmen und für junge Gründer. Diese Idee würden Sie zunichtemachen, wenn Sie letztendlich den Staat für die Geschäftsidee eines jungen Unternehmers verantwortlich machten. Das ist nicht unsere Vorstellung von einer vernünftigen Finanzarchitektur.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir entlassen – das dürfen wir auch nicht – vor dem Hintergrund unserer Vorstellungen die Menschen nicht aus der Verantwortung. Es gilt der Satz, dass jeder nur das Produkt kaufen soll, das er selbst versteht und beurteilen kann. Die Eigenverantwortung des Verbrauchers ist die notwendige Kehrseite des staatlichen Schutzes, den wir leisten. Nur notwendige Eigenvorsorge und klare und strikte Regeln zusammen ergeben eine Finanzmarkt- und Kapitalmarktarchitektur, die wirklich vernünftig ist. Lassen Sie uns deswegen an klugen und praxistauglichen Regelungen weiterarbeiten, an Regelungen, die einerseits verhindern, dass betrügerische Produkte auf den Markt kommen, die uns andererseits aber Luft lassen, damit wir Investitionen tätigen und Kapital einsammeln können, um damit zum Wohlergehen unserer Volkswirtschaft beizutragen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Kollege Christian Petry, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7061813 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 213 |
Tagesordnungspunkt | Zulassungspflicht für Finanzprodukte |