20.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 25

Heidtrud HennSPD - Jahresbericht 2015 des Wehrbeauftragten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Soldatinnen und Soldaten! Am kommenden Dienstag wird Hans-Peter Bartels uns seinen Bericht für das Jahr 2016 vorlegen. Wir sprechen heute über seinen Bericht aus dem Jahr 2015. Die Bundeswehr am Wendepunkt – so hat der Wehrbeauftragte seinen ersten Bericht überschrieben. Die Überschrift des neuen Berichts kenne ich noch nicht.

Ich glaube, dass es gut ist, das Wahre zu sagen, und ich weiß aus meiner beruflichen und persönlichen Erfahrung, dass vor jeder Verbesserung der Mut zur Wahrheit steht. Martin Luther, über den wir insbesondere in diesem Jahr viel hören und lesen können, hat viel zur Wahrheit gesagt. Vor 500 Jahren hat er seine 95 Thesen in Wittenberg an die Tür der Schlosskirche geschlagen. Er hat hörbar und lesbar gemacht, was falsch war, mit den Mitteln seiner Zeit, in der er noch nicht die Möglichkeit zur Veröffentlichung im Internet hatte. Dennoch waren seine Worte durchschlagend, im wahrsten Sinne des Wortes. Das zeigt uns, wie kraftvoll die Wahrheit ist. Sie braucht aber immer jemanden, der sie ausspricht.

„Iss, was gar ist, trink, was klar ist, red, was wahr ist!“ – das gibt uns Martin Luther mit auf den Weg. Ohne die Soldatinnen und Soldaten, die die Zeit und manchmal auch den Mut aufbringen, ihre Wahrheit an den Wehrbeauftragten heranzutragen, wäre der Bericht des Wehrbeauftragten nicht denkbar. Darum gilt mein Dank für den Bericht des Wehrbeauftragten nicht nur Hans-Peter Bartels und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern auch allen, die sich im Berichtsjahr an den Wehrbeauftragten gewandt haben.

Zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie, sehr geehrte Frau von der Leyen, und auch Frau Staatssekretärin Dr. Suder zu Recht viel Applaus dafür bekommen, dass Sie eine neue Fehlerkultur in Ihrem Haus gewünscht und sogar eingefordert haben. Es sollte keine Angst vor einem Karriereknick geben, wenn mündige Soldaten Probleme und Missstände benennen. Auch uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hat das gefallen. Grund für die Fehlerkulturoffensive waren die Probleme bei der Rüstungsbeschaffung. Sie hatten aber auch gesehen, dass es nicht hilfreich ist, wenn Kritiker mit Kenntnis des Hauses blockiert statt gehört werden. Durch Verschweigen heilen keine Krankheiten. Eine Kultur des Schweigens verhindert Veränderungen und Verbesserungen.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

In Ihrer Rede zum Bericht des Wehrbeauftragten am 28. April letzten Jahres haben Sie, sehr geehrte Frau Ministerin, gesagt – ich zitiere –:

Ich finde, es ist ganz entscheidend, Transparenz über unsere Organisation herzustellen.

Ich stimme Ihnen da voll zu. Mit großer Sorge erfüllt mich deshalb die Berichterstattung zu dem von Ihnen geplanten sogenannten Verhaltenskodex. Ich kenne hierzu nur Presseberichte, aber es gibt eine öffentliche Debatte, und gerade weil in diesem Zusammenhang über den Wehrbeauftragten und seine besonderen Zugangsrechte gesprochen wird, möchte ich das Thema auch hier ansprechen.

Ich nutze jede Gelegenheit, um mit Soldatinnen und Soldaten ins Gespräch zu kommen, also mit der Basis. Das ist auch immer mein Wunsch, wenn ich Standorte besuche oder wenn ich in Einsatzgebieten bin. Mich interessiert, wie es den Menschen bei der Bundeswehr geht, wie sie ticken, was sie umtreibt, aber auch, was sie begeistert. Der Mensch hat meine Aufmerksamkeit, nicht der Dienstgrad; der steht an anderer Stelle. Bei all diesen Gesprächen und Telefonaten mit den Menschen in der Bundeswehr habe ich viel über die Bundeswehr gelernt. Vor allem habe ich gelernt, wie loyal, professionell und zugleich ehrlich die Soldatinnen und Soldaten im Gespräch sind, ohne etwas oder jemanden zu verraten. Sie kennen ihre Vorschriften bestens und handeln danach.

Angst und Misstrauen tun niemandem gut. Sie machen Seelen krank, und sie schaffen ein Klima, das ein kameradschaftliches Miteinander verhindert. Vertrauen ist im Einsatz und im Grundbetrieb der Garant für die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten, die für unsere Sicherheit sorgen. In der Bundeswehr muss es um Zusammenhalt gehen. In der freien Marktwirtschaft geht es um Gewinnmaximierung und Macht. Diese Prinzipien sind in meinen Augen nicht auf unsere Bundeswehr übertragbar.

Anfang 2013 haben Sie, liebe Frau von der Leyen, oft betont, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Das hat mir gut gefallen, und das habe ich Ihnen auch gesagt. Soldat sein ist eine Berufung. Wer dient, verdient Vertrauen. Wer dient, muss reden dürfen. Reden ist die Basis für ein gutes Miteinander und Kommunikation.

Eine sachlich vorgetragene Kritik ist niemals ein Angriff, und vor der Wahrheit sollte sich niemand fürchten. Auch vor uns Abgeordnete sollte niemand Angst haben. Wenn uns jemand ein Anliegen vorträgt, wissen wir ganz gut, wie wir damit umgehen und wie wir Kritik einzuordnen haben. Eine Parlamentsarmee muss mit den Mitgliedern des Parlamentes reden dürfen – ohne Angst und ohne Verbot.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE])

Dass der Mensch im Mittelpunkt der Bundeswehr steht, hat die Verteidigungsministerin richtigerweise immer wieder betont. Ich möchte, dass das so wird und dann auch so bleibt; denn das ist schlicht und ergreifend nicht bei allen Entscheidungen des Hauses der Fall.

Der Wehrbeauftragte ist bereits auf wesentliche Punkte seines Berichtes eingegangen, und ich denke, auch in der Debatte zu seinem nächsten Bericht werden wir viel über eine bessere Ausstattung sprechen. Unsere Haushälter haben hier gute Voraussetzungen geschaffen. Auch für das kommende Jahr soll es genug finanzielle Mittel für die wachsenden Aufgaben der Bundeswehr geben.

Sie wissen, dass ich besonders genau hinsehe, wenn es um Menschen und um ihr seelisches und gesundheitliches Wohl geht.

Der Sanitätsdienst leistet hier, im Ausland und auch im zivilen Bereich gute Arbeit. Das Personal ist top, die noch immer vorhandenen Papierdokumente sind ein Flop. Wenn ich den Sanitätsdienst in den Standorten besuche, fühle ich mich in meine Kindheit zurückversetzt. Damals haben die Arzthelferinnen auch alles mit dem Bleistift auf Papier dokumentiert. Irgendwie widerspricht sich das Ganze: Im Ausland ist unser Sanitätsdienst führend, und zu Hause sind wir, was die Dokumentation betrifft, noch immer in den 60er-Jahren.

Ich weiß, dass manche Menschen im Sanitätsdienst Schnappatmung bekommen, wenn ich dieses Thema immer wieder anspreche, und hoffe, dass eine truppenärztliche Versorgung bald überall vor Ort gewährleistet ist. Oftmals fehlt sie.

Lassen Sie mich noch zu den Lotsen kommen. Auch der Wehrbeauftragte hat betont, dass sich das Angebot der Lotsen bewährt hat. Sie erfüllen eine wichtige Aufgabe für ihre Kameradinnen und Kameraden.

Auch hier geht es um Vertrauen. Man darf aber nicht vergessen, welche Last Lotsen auf ihren Schultern tragen. Als ehrenamtlicher Nebenjob funktioniert dies auf Dauer nicht. Auf Dauer ist eine Freistellung für diese Aufgabe notwendig und, um die Last von den Schultern der Lotsen zu nehmen, eine regelmäßige Supervision.

(Beifall bei der SPD)

Im Hinblick auf die Infrastruktur möchte ich einfach nur ein paar Stichworte nennen:

Alte Unterkünfte sollen abgerissen, neue gebaut werden, was dauert. Betreuungseinrichtungen werden geschlossen, und es gibt keinen Ersatz. Gebäude des Sanitätsdienstes in Zweibrücken und Idar-Oberstein sollen abgerissen und neu gebaut werden. Hier gibt es noch immer keine Bewegung. Auf dem Klotzberg in Idar-Oberstein tut sich mittlerweile aber etwas. Die Container für die Betreuungseinrichtung sollen in diesem Jahr wirklich endlich stehen. Das hat dann von 2014 bis 2017 gedauert. Bei der Sporthalle und der Küche in Zweibrücken bewegt sich dagegen noch immer nichts.

Ich bin immer wieder fasziniert, mit welchen Mitteln unsere Soldaten ihre Aufgaben meistern. „ Aktiv. Attraktiv. Anders.“: Sie sind sehr aktiv, an der Attraktivität müssen wir noch arbeiten, und dem „Anders.“ stimme ich voll zu.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Dr. Bartels, ich schließe mit diesem Zitat von Martin Luther:

Für Heuchelei gibt’s Geld genug. Wahrheit geht betteln.

Als Parlamentarier haben wir die Pflicht, zu prüfen, ob das, was wir entscheiden, auch so ankommt, wie wir uns das gedacht haben. Was oben gut entschieden worden ist, muss unten auch gut ankommen und darf nicht in der Mitte hängen bleiben. Darum ist der Bericht des Wehrbeauftragten so wichtig für unsere Arbeit, und es ist wichtig, dass wir unseren Soldatinnen und Soldaten, denen wir viel zumuten, auch Zutrauen entgegenbringen. Dieses Zutrauen zeigen wir mit Vertrauen. Nicht vergessen: Der Mensch steht im Mittelpunkt!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen Gottes Segen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Doris Wagner von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7061999
Wahlperiode 18
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Jahresbericht 2015 des Wehrbeauftragten
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