20.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 26

René RöspelSPD - Friedens- und Konfliktforschung

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht ist es sogar bezeichnend, dass wir an einem Mittag kurz vor dem Wochenende, nachdem über die Militäreinsätze gesprochen und der Bericht des Wehrbeauftragten gegeben worden ist, noch über Friedens- und Konfliktforschung reden, sozusagen am Ende der Sitzungswoche.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hättet ihr ja drehen können!)

Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als ich in dem Alter vieler der Zuhörer hier war: 1979 saß ich vor dem Fernseher und betrachtete entsetzt die sowjetische Armee, die in Afghanistan einmarschierte, und ich war nicht sicher, was passieren würde. Ihr in der DDR werdet das vielleicht anders gesehen und anders beurteilt haben.

(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ich bin Sachse mit Migrationshintergrund! – Zuruf des Abg. Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU])

Es gab ein paar Tage und Wochen Diskussionen, in denen begründet wurde, warum das passiert, und dann ist das Thema schnell wieder verschwunden, und man hat Jahre nichts davon gehört.

Mir, wie vielen Millionen anderer Menschen, begegnete das Thema Afghanistan erst wieder, als James Bond in dem Kinofilm Der Hauch des Todes von den afghanischen Mudschaheddin, den Glaubenskriegern, gerettet wurde, und das waren dann offenbar die Guten. Das Thema ist dann wieder verschwunden, und im März 2001 ging ein Erschrecken durch die Weltbevölkerung, weil die Taliban die Buddha-Statuen in Bamiyan, die zum Weltkulturerbe gehörten, zerstörten. Die Welt war über diesen Kulturfrevel entsetzt. Ein halbes Jahr später musste dann der Bundestag hier entscheiden, ob er sich militärisch an einem Einsatz in Afghanistan beteiligt.

Viel differenzierter als der Krieg in Afghanistan sind in den 90er-Jahren die Golfkriege betrachtet worden. Sie waren viel mobilisierender. Tausende von Menschen, darunter Kinder und Schüler, sind auf die Straße gegangen. Damals war der Irak unter Saddam Hussein sozusagen das Bollwerk des freien Westens gegen den Iran unter dem Ajatollah Chomeini. Das ändert sich relativ schnell. Irgendwann Jahre später wurde dann Saddam Hussein der Gegner und der Böse in einer Auseinandersetzung, bei der es um viel mehr ging als um Frieden in der Golfregion, nämlich auch um wirtschaftliche Interessen.

Als in Libyen die Gelegenheit bestand, Gaddafi loszuwerden, waren viele Länder versucht – sie haben es auch gemacht –, Gaddafi zu stürzen, nicht wissend, was eigentlich in dem Land und mit dem Land danach passieren wird.

Wenn man die fürchterlichen Bilder aus Syrien sieht – so geht es mir jedenfalls –, weiß man nicht, wer bei dem Konflikt gerade mit wem gegen wen wofür kämpft. Am Ende ist die Frage: Wer sind eigentlich die Guten und wer die Bösen? Die Antwort darauf wird es so nie geben, weil das ganze Feld sehr komplex ist.

Wer sind eigentlich diejenigen, die Kriege anfangen? Wie entstehen Konflikte? Wo ist Konfliktpotenzial? Was sind die Ursachen von Kriegen? Ralph Lenkert hat ja einige angesprochen. Was werden die neuen Herausforderungen sein? Zum Beispiel der Klimawandel oder die Tatsache, dass Menschen nicht mehr in ihrer Region leben können, weil sie dort kein Wasser haben, keine Chance auf Arbeit, ihre Ernährung nicht sicherstellen können, weil es dort unterschiedliche Ethnien gibt, die aufgrund bestimmter Bedingungen als Land zusammengeschweißt wurden – wie geht man mit solchen Fragen um?

Wenn es um die Antworten geht, braucht Politik immer Hilfe und Beratung. Das Beste wäre, wenn man eine Friedens- und Konfliktforschung hätte, die eindeutige Antworten geben kann. Das ist im seltensten Fall so. Aber es ist wichtig, dass es eine solche Friedens- und Konfliktforschung gibt. Wir sind in Deutschland exzellent aufgestellt. Ich habe in meiner vor einigen Wochen zu Protokoll gegebenen Rede viele Institute aufgezählt, auf die wir stolz sein können. Sie verrichten gute Arbeit. Ihre Analysen und Äußerungen werden häufig nicht genug beachtet, aber sie geben wichtige Anhaltspunkte für politische Entscheidungen.

Ein wichtiger Impuls, den wir als Koalition mit diesem Antrag setzen, ist, dass wir der Friedens- und Konfliktforschung einen anderen Stellenwert geben und für Kontinuität und Verlässlichkeit sorgen wollen. Auch das ist ein wesentlicher Vorteil dieses Antrags: Wir reden über dieses Thema, während die Opposition in dieser Frage leider keinen Vorstoß gemacht hat.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann bei allem anderen schon passieren!)

Ich finde sogar, dass Friedens- und Konfliktforschung so verlässlich und kontinuierlich finanziert werden sollte, wie wir es beim Pakt für Forschung und Innovation machen, in dessen Rahmen wir technische Wissenschaften und viele andere mit 3 Prozent jährlich fördern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ausdrücklich will ich an dieser Stelle – meine Redezeit ist kurz – Claudia Lücking-Michel für ihr Engagement danken und dafür, dass der Antrag, über den wir hier reden, überhaupt zustande gekommen ist. Das war nicht ganz einfach. Wir haben bei dem gemeinsamen Antrag für Friedens- und Konfliktforschung vieles abspecken müssen. Es ist auch dein Verdienst, dass es möglich geworden ist, dass wir diesen Impuls setzen. Ich finde es ausdrücklich schade, dass wir gerade aus den Reihen der Verteidigungspolitiker der Union immer wieder aufgefordert wurden, das Ganze abzuspecken oder zu reduzieren.

Ich will an dieser Stelle sagen: Wir haben in diesem Haushalt den Verteidigungsetat gegenüber dem letzten Jahr um 2 700 Millionen Euro erhöht. Angesichts der Krisen und Katastrophen, angesichts der Notwendigkeit, mehr darüber zu wissen, wie Konflikte entstehen, wie man sie vielleicht verhindern kann und wie man Abrüstung und Rüstungskontrolle machen kann, müsste es doch eigentlich ein paar Millionen mehr für Friedens- und Konfliktforschung geben, um an den Ursachen zu arbeiten.

(Beifall bei der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Herr Gabriel müsste anders entscheiden!)

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich auch bei den vielen in der Bevölkerung, die seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung immer wieder daran gearbeitet haben, Ursachen differenziert zu betrachten und auf sie hinzuweisen. Sie erlauben mir, dass ich stellvertretend an dieser Stelle ganz herzlich Günter Sauerbier danke, der in einigen Minuten in Hagen einen Friedenspreis für sein Lebenswerk, für seine Arbeit bei Pax Christi bekommen wird. Menschen wie er sind es, die unsere Gesellschaft besser machen; von diesen brauchen wir viel mehr. Ich wünsche Ihnen viele gute Erkenntnisse und dass wir bei der Friedens- und Konfliktforschung besser werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Kai Gehring für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7062016
Wahlperiode 18
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Friedens- und Konfliktforschung
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