Philipp LengsfeldCDU/CSU - Friedens- und Konfliktforschung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag hat meine Unterstützung, obwohl sich der Titel wie eine Parole aus meiner Pionierzeit in der DDR anhört.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – René Röspel [SPD]: Oha!)
Es handelt sich tatsächlich um ein wichtiges Anliegen, insbesondere natürlich auch vor dem Hintergrund unserer deutschen Geschichte – das ist hier, glaube ich, noch nicht erwähnt worden –, aber nicht nur wegen unserer Verbrechen. Es gibt im Zusammenhang mit der Friedens- und Konfliktforschung einen sehr positiven, beispielgebenden Prozess in unserem Land. Die Wende in der DDR, der Einigungsprozess und der Zusammenbruch einer hochgerüsteten Diktatur praktisch ohne Blutvergießen – ein Klassiker der modernen Friedens- und Konfliktforschung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Aber Friedens- und Konfliktforschung hat natürlich auch einen ganz konkreten Bezug zur aktuellen deutschen Politik – auch das ist schon mehrfach erwähnt worden –, insbesondere da Deutschland zur verstärkten Übernahme internationaler Verantwortung bereit ist, wie zum Beispiel im Münchner Konsens vor zwei Jahren festgestellt wurde. Damit sind auch wir als Deutscher Bundestag in einer besonderen Verantwortung. Es ist also folgerichtig, dass wir uns mit dem Feld der Friedens- und Konfliktforschung mehr beschäftigen und es stärken.
Die wissenschaftliche Analyse von Konfliktursachen ist von herausragender Bedeutung, um Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen, Strategien für friedliche Lösungen zu entwickeln und fundierte Entscheidungen zu treffen; auch das ist schon gesagt worden. Ich will an einem konkreten Beispiel illustrieren, dass die Thematik durchaus nicht nur komplex, sondern teilweise auch hochinteressant ist. Ich greife einen Nebenaspekt der Konfliktforschung heraus: das Thema „Begleitende Mythen“; sie sind ja oft wesentlicher Teil einer Auseinandersetzung.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin für Begleitforschung!)
Ich nehme als konkretes Beispiel die Auseinandersetzung um die Krim, ein aktuelles, wenn auch nicht mehr brandaktuelles Beispiel.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, oh!)
Wussten Sie zum Beispiel, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Annexion der Krim durch die Russische Föderation eigentlich ein russisch-deutsches Projekt war oder ist?
(Martin Rabanus [SPD]: Na, jetzt wird es interessant!)
So wurde es jedenfalls einer sehr erstaunten Helmholtz-Delegation – ich war dabei – 2014 in Moskau anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Moskauer Helmholtz-Büros von einem hochrangingen russischen Wissenschaftler erklärt.
(René Röspel [SPD]: Der gehörte aber nicht zur deutschen Helmholtz-Gemeinschaft! – Martin Rabanus [SPD]: Ja, ja! Das postfaktische Zeitalter!)
Ich glaube, er wollte uns eine Art Kompliment machen und um mehr Verständnis auf deutscher Seite bitten.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat er sich ja den Richtigen ausgesucht!)
Die Lösung ist natürlich ganz einfach: Die erste russische Annexion der Krim erfolgte unter Katharina der Großen, die als geborene Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst natürlich Deutsche war. Sie können sich vorstellen, dass die deutsche Delegation in Moskau etwas gequält gelächelt hat.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir quälen uns gerade auch!)
Viel interessanter finde ich in diesem Zusammenhang aber, dass die Annexion 1783 von Fürst Potemkin angeführt wurde – er war dafür zuständig –, der mit Blick auf einen Besuch der siegreichen Zarin Katharina auf der Krim ebenjene berühmten, aber falschen russischen Dörfer errichtet hat, um der Zarin die erfolgreiche Russifizierung der Krim zu demonstrieren. „ Potemkinsche Dörfer“ ist ein geflügeltes Wort, nicht nur im Deutschen.
(Zuruf von der CDU/CSU: Auch im Bundestag!)
Mich persönlich hat die Sowjetzeit immer mehr interessiert. Diesen zweiten Punkt der Krim-Mythologie will ich nicht unerwähnt lassen, weil er die ganzen Schwierigkeiten und Sensibilitäten einer solchen Geschichte ziemlich gut deutlich macht. 1954 wurde die Krim nämlich innerhalb der Sowjetunion administrativ umgehangen: von der Russischen SFSR zur Ukrainischen SSR.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Das stimmt!)
Dieser Vorgang wird heute von russischer Seite gerne so dargestellt, als habe der Ukrainer Chruschtschow – quasi in einer Wodkalaune, ohne echten Grund, unter Bruch selbst sowjetischer Regeln – dieses Stück Land der Ukraine unrechtmäßig zugeschanzt – eine perfide Legende, die wie alle guten Lügen natürlich auch einen Teil Wahrheit enthält.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und jetzt zum Thema!)
Chruschtschows ursprüngliche Machtbasis war die Ukraine. Es gab nach Stalins Tod 1953 einen heftigen Machtkampf, und die Unterstützung der ukrainischen Kommunisten brauchte er dabei dringend. Nicht richtig ist aber, dass es für diese administrative Änderung nicht gute Gründe gab. Die Versorgung der Krim lief vor allem über die Ukraine; das ist übrigens heute noch eine Herausforderung in diesem Konflikt.
Was ich an der Legende aber besonders perfide finde – deshalb erzähle ich sie hier –, ist die subtile nationalistische Unterstellung. Mit sehr, sehr großer Wahrscheinlichkeit – ich habe das nachgeprüft; es ist gar nicht so einfach herauszubekommen – ist Chruschtschow nämlich Russe:
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal zum Thema! – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Molotow ist ein Cocktail!)
nach Geburtsort, nach ethnischer Herkunft und auch formal gemäß den damals gültigen sowjetischen Rechtsnormen. An diesem vermeintlich kleinen Beispiel erkennen Sie die Dimension dieser Art von Problematiken.
Und deshalb muss die Arbeit in der Friedens- und Konfliktforschung sehr verantwortungsbewusst betrieben werden. Interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit ist absolut essenziell.
Eine gute Qualitätssicherung ist sehr wichtig; denn Konflikte werden auch gerne mithilfe von „wissenschaftlichen Erkenntnissen“ angeheizt. Eine gut geförderte Forschungslandschaft in einem sehr politischen und vor allem sehr dynamischen Umfeld in Deutschland kann auch die Tendenz zum Wildwuchs zeigen. Deshalb ist mir die im Antrag festgeschriebene externe Evaluierung durch den Wissenschaftsrat ein wichtiges Anliegen. Ich bin mir auch sicher, dass dies völlig im Interesse des Hauses ist.
Es ist gut und richtig – das ist heute auch schon erwähnt worden –, dass sich die Forschung stets auch an aktuellen Fragestellungen ausrichten muss. Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass es ein BMBF-gefördertes Projekt „Salafismus in Deutschland“ gibt; es ist schon erwähnt worden.
Zum Abschluss kann ich mir eine Bemerkung zu unserer Aktuellen Stunde am Mittwoch nicht ersparen. Im erweiterten Zusammenhang mit dem Mörder Amri aus Tunesien brachte Dietmar Bartsch, der Vorsitzende der Linksfraktion, die linken Standardfloskeln von den Interventionskriegen und dem Klimawandel als den tieferen Fluchtursachen ins Spiel. Das mag in der Theorie richtig sein. Ich sage dazu ganz ausdrücklich in Richtung der linken Seite: Bitte unterlassen Sie im konkreten Fall auch nur den Versuch einer Legendenbildung. Die Geschichte des Mörders und Terroristen aus Tunesien hat weder mit einer Intervention noch dem Klimawandel zu tun.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Doktor, reden Sie zum Thema!)
Und ein Flüchtling war er auch nicht. Für diese Feststellung brauche ich eigentlich keine Wissenschaftler, aber wenn es gutgemachte Untersuchungen über die wahren Ursachen des Islamismus in Deutschland gibt, wird es vielleicht auch anderen leichter fallen, dieser Art von Legendenbildung ein klares Stoppsignal zu zeigen.
Zusammengefasst: Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland dient der Beförderung von friedlichen Konfliktlösungen, von demokratischen Prozessen und Lösungen unter dem Leitstern von Freiheit und Menschenrechten.
So unterstütze ich das Anliegen der Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung – auch unter dieser blumigen Überschrift.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Als letzte Rednerin in dieser Aussprache hat Frau Dr. De Ridder von der SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7062028 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 213 |
Tagesordnungspunkt | Friedens- und Konfliktforschung |