20.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 213 / Tagesordnungspunkt 27

Jutta KrellmannDIE LINKE - Unternehmensmitbestimmung

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt immer zwei Möglichkeiten, mit der Mitbestimmung umzugehen. Entweder man findet sie richtig gut, oder man findet sie richtig schlecht und sieht sie als einen Eingriff in die unternehmerische Selbstbestimmung. Für mich als Gewerkschaftssekretärin ist ganz klar: Ich stehe ausdrücklich auf der Seite der Befürworter der betrieblichen Mitbestimmung und der Mitbestimmung insgesamt.

Für mich als Linke gehört die Ausweitung der Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ganz oben auf die Agenda. Die Beschäftigten sollen nicht nur über die Farbe der Gardinen in ihren Betrieben, sondern auch über das Was, das Wie und das Wo der Produktion mitbestimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Mit anderen Worten: Sie müssen in die wirtschaftlichen Entscheidungen des Unternehmens einbezogen werden. Die Beschäftigten haben keinen Bock darauf, nur dann mitzubestimmen, wenn es um Lohnverzicht und den Abbau ihrer Arbeitsplätze geht. Aus Erfahrung weiß ich: Sie wollen auch mitentscheiden, ob Boni nur an die Chefetagen verteilt und ausbezahlt werden und ob Unternehmensgewinne zur Sicherung der Arbeitsplätze reinvestiert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke steht ganz klar hinter diesem Anspruch. Wir wollen die Mitbestimmung mit einem Gesamtkonzept stärken und ausbauen – sowohl auf betrieblicher als auch auf Unternehmensebene. Die Unternehmensmitbestimmung ist nur so gut wie die Gesetze, die sie tragen. Genau hier liegt im Moment der Hase im Pfeffer.

In dem Antrag der Grünen werden einige Bereiche aufgegriffen, in denen sich in den letzten Jahren Lücken entwickelt haben. Nur ein Beispiel: Die Leiharbeitsfirma Adecco hat einfach eine ausländische Rechtsform angenommen, und zack: Das war es mit der Unternehmensmitbestimmung. Das kann doch überhaupt nicht wahr sein.

Allein durch diese Gesetzeslücke schlossen schon 2007  17 Unternehmen ihre Beschäftigten von der Mitbestimmung im Aufsichtsrat aus. Drei Jahre später waren es schon 37 Unternehmen, und fünf Jahre später, also 2015, waren es allein über diesen Weg sogar 69 Unternehmen mit insgesamt über 200 000 Beschäftigten. Das zeigt: Es ist ein wachsendes Problem. Deswegen muss es durch den Gesetzgeber gelöst werden. Auf was wollen wir denn immer wieder neu warten?

Neu ist das alles auch nicht. Herr Lagosky, Sie haben es selbst gesagt: Schon vor zehn Jahren hatte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Kommission zur Reformierung der Unternehmensmitbestimmung eingesetzt. Das Problem war also schon damals, vor zehn Jahren, bekannt. Leider ist die Kommission an der Unbeweglichkeit der Arbeitgeberverbände gescheitert. Sie hatten gar kein Interesse an einer Reform. Nein, sie wollten die paritätische Besetzung in den Aufsichtsräten lieber verhindern als ausbauen.

Die Kommission hat gezeigt: Wenn wir über Mitbestimmung reden, dann müssen wir nicht von weniger Mitbestimmungsrechten sprechen, sondern wir müssen sie an dieser Stelle stärken.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Ziel ist eine Ausweitung der Mitbestimmung; das ist ganz klar. Nur über diesen Weg ist für die Beschäftigten die demokratische Teilhabe in den Unternehmen möglich. Das haben einige Landesregierungen, wie die in Niedersachsen oder die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen, auch verstanden. Deren Antrag „Mitbestimmung zukunftsfest gestalten“ im Bundesrat enthält eine klare Ansage an die Bundesregierung: Kümmert euch um den Erhalt und den Ausbau der gesetzlichen Mitbestimmung

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

und entwickelt sie europarechtlich weiter!

Wieso das Europarecht wichtig ist, zeigt sich gerade jetzt, wo einige Urteile anstehen. Anstatt endlich ihr Gewicht dafür einzusetzen, eine Richtlinie zur europäischen Unternehmensmitbestimmung auf den Weg zu bringen, wartet die Bundesregierung wieder einmal einfach ab. Einfach nur warten und nichts tun, das kann doch wohl nicht wahr sein. Es ist Ihre Aufgabe, sich zu bewegen, wenn Sie Probleme erkannt haben. Warten Sie nicht auf die Initiativen der Opposition. Wir brauchen ein Mehr an Mitbestimmung in den Betrieben. Wir brauchen eine Schließung der Schlupflöcher. Wir brauchen eine stärkere Beteiligung der Beschäftigten.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn gute Arbeit ist für die Linke unbefristet, tariflich bezahlt und mitbestimmt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Bernd Rützel für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/cvid/7062047
Wahlperiode 18
Sitzung 213
Tagesordnungspunkt Unternehmensmitbestimmung
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Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta
Gerhard Schröder

Gerhard Schröder

Gerhard Fritz Kurt „Gerd“ Schröder ist ein ehemaliger deutscher Politiker (SPD). Er war von Oktober 1998 bis November 2005 der siebte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und regierte in der ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene. Zuvor war Schröder von 1990 bis 1998 Ministerpräsident von Niedersachsen. Er war in den Jahren 1999 bis 2004 Bundesvorsitzender der SPD und von 1978 bis 1980 Bundesvorsitzender der Jusos. Während seiner Zeit als Bundeskanzler brachte er unter anderem die Agenda 2010 und die Hartz-Reformen auf den Weg. Infolgedessen spalteten sich Teile der SPD ab und gingen später in der neu gegründeten Linkspartei auf. Nach verlorener Vertrauensfrage kam es 2005 zu vorgezogenen Bundestagswahlen, bei der er die Mehrheit für eine Wiederwahl verlor. Seit dem Ende seiner politischen Karriere ist er als Wirtschaftsanwalt sowie in verschiedenen Positionen als Interessenvertreter des mit ihm befreundeten russischen Präsidenten Wladimir Putin und als Wirtschaftslobbyist tätig, unter anderem als Verwaltungsratspräsident des Ostsee-Pipeline-Betreibers Nord Stream 2. Weiterhin war er bis Ende 2021 Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins. Spätestens nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 geriet Schröder wegen seiner Russland-Nähe und insbesondere Putin-freundlichen Position in die Kritik. Infolgedessen wurde gegen Schröder als bislang einzigem Bundeskanzler ein Parteiausschlussverfahren angestrengt, das jedoch scheiterte.

Gerhard Schröder

Gerhard Fritz Kurt „Gerd“ Schröder ist ein ehemaliger deutscher Politiker (SPD). Er war von Oktober 1998 bis November 2005 der siebte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und regierte in der ersten rot-grünen Koalition auf Bundesebene. Zuvor war Schröder von 1990 bis 1998 Ministerpräsident von Niedersachsen. Er war in den Jahren 1999 bis 2004 Bundesvorsitzender der SPD und von 1978 bis 1980 Bundesvorsitzender der Jusos. Während seiner Zeit als Bundeskanzler brachte er unter anderem die Agenda 2010 und die Hartz-Reformen auf den Weg. Infolgedessen spalteten sich Teile der SPD ab und gingen später in der neu gegründeten Linkspartei auf. Nach verlorener Vertrauensfrage kam es 2005 zu vorgezogenen Bundestagswahlen, bei der er die Mehrheit für eine Wiederwahl verlor. Seit dem Ende seiner politischen Karriere ist er als Wirtschaftsanwalt sowie in verschiedenen Positionen als Interessenvertreter des mit ihm befreundeten russischen Präsidenten Wladimir Putin und als Wirtschaftslobbyist tätig, unter anderem als Verwaltungsratspräsident des Ostsee-Pipeline-Betreibers Nord Stream 2. Weiterhin war er bis Ende 2021 Ehrenvorsitzender des Nah- und Mittelost-Vereins. Spätestens nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 geriet Schröder wegen seiner Russland-Nähe und insbesondere Putin-freundlichen Position in die Kritik. Infolgedessen wurde gegen Schröder als bislang einzigem Bundeskanzler ein Parteiausschlussverfahren angestrengt, das jedoch scheiterte.