Axel KnoerigCDU/CSU - Regierungserklärung: Inklusives Wachstum
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung belegt eindeutig, dass die deutsche Wirtschaft weiter wächst. Erwartet wird ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 1,4 Prozent. Aber diese Dynamik kann an Stabilität verlieren. Das liegt an den – wir haben es heute schon angesprochen – zahlreichen existenziellen Entwicklungen in der nahen Zukunft. Ich will sie kurz in Stichworte zusammenfassen: der Brexit, der Rechts- und auch der Linkspopulismus in Europa, die neue Trump-Regierung, das schwierige Verhältnis zu Russland und die damit verbundene Neuausrichtung der EU.
Wir müssen uns die einzelnen Branchen genauer anschauen; denn das Wirtschaftswachstum ist sehr unterschiedlich einzuschätzen. So ist die Auftragslage in der Stahlindustrie besser als erwartet. Diese deutsche Kernbranche mit 87 000 Arbeitnehmern ist durch die Billigimporte aus China gefährdet. Die Große Koalition hat hier im Bundestag zeitnah einen Antrag eingebracht, um das entsprechend zu thematisieren.
Die Prognosen für die Automobilbranche sehen deutlich schlechter aus. Herr Cem Özdemir, ich habe Ihnen gut zugehört. Sie wollen die Verbrennungsmotoren in Deutschland verbieten. Wir als Union können da nur ganz klar gegenhalten; das sage ich als Niedersachse gerade mit Blick auf meine Region. Ihre Verbotspolitik schadet den Zulieferindustrien. Ihre Politik führt zu mehr Arbeitslosigkeit und zu weniger Ausbildung.
(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gefährden Sie doch, wenn Sie Elektromotoren nicht ausbauen!)
Das ist mit der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag nicht zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist heute viel über Protektionismus gesprochen worden. Wir müssen nicht nur die Entwicklung in den Vereinigten Staaten beobachten, wo womöglich Schutzzölle auf ausländische Waren erhoben werden, wir müssen auch die Entwicklung in den G-20-Staaten beobachten. Wir wissen, dass die G-20-Staaten Befürworter des Freihandels sind. Nach Angaben der Welthandelsorganisation ist die Zahl der Handelshemmnisse in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Seit der Finanzkrise 2008 wurden über 1 200 neue bürokratische Vorschriften eingeführt. Das bestätigt auch das, was in der Debatte über CETA und TTIP herausgekommen ist, nämlich dass der Sinn für Welthandelspolitik in der Öffentlichkeit und auch in Fachkreisen stetig abnimmt.
Gerade mit Blick auf das Abkommen mit Kanada will ich sagen: Die Grünen und die Linken haben über Monate dagegengehalten.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Immer noch!)
Zu dieser Politik gegen den Freihandel sagen wir als Union ganz deutlich: Wir brauchen die offenen Märkte; denn gerade diese Offenheit treibt die wirtschaftliche Dynamik an. Wir sind eine Exportnation. Aus dem Export wird letztendlich unser Wohlstand generiert. Wir verdanken unseren Wohlstand einem offenen Welthandel.
Zugleich sind globale Marktentwicklungen unberechenbarer geworden – wir sehen das an den Bilanzen der Firmen –: Von satten Gewinnen in einem Quartal bis zum totalen Einbruch – alles ist in einer Jahresbilanz möglich. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir uns auf unseren gemeinsamen EU-Binnenmarkt konzentrieren. In Zukunft wird das noch viel wichtiger; denn wir wissen, dass der US-Markt weitaus schwerer zugänglich sein wird.
Wir brauchen auch eine offene und sozial ausgewogene Wirtschaftspolitik. Das ist ein Markenkern gerade der Union. Der Jahreswirtschaftsbericht zeigt, dass sich die Ergebnisse sehen lassen können. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 6,1 Prozent und damit auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Wir haben eine Rekordbeschäftigung: Die Zahl der Beschäftigten liegt bei über 43 Millionen. Die Gehälter steigen, und der private Konsum zieht ebenfalls an. Die Start-up-Szene in Deutschland ist gut gewachsen, und entgegen den Befürchtungen der Ökonomen hat der Mindestlohn nicht zu mehr Arbeitslosigkeit geführt. Im Gegenteil: 4 Millionen Arbeitnehmer profitieren vom gesetzlich geregelten Mindestlohn.
Wir müssen uns die Frage stellen:
(Zuruf von der SPD)
– Nein, Herr Kollege, das habe ich immer so beantwortet. – Was brauchen wir jetzt, damit unsere Wirtschaft auch in Zukunft gut aufgestellt ist? Wir brauchen eine gute Kombination aus Investitions- und Industriepolitik sowie Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik. Dazu gehören vor allem eine moderne Infrastruktur und Fördermittel für Innovationen, die direkt in den Unternehmen und vor allem unbürokratisch ankommen.
Wir müssen fragen: Wie sieht der aktuelle Stand der Digitalisierung unserer Wirtschaft aus? Deutschland ist weiterhin Weltmarktführer bei der Fabrikausstattung – Stichwort „Industrie 4.0“ –, aber wir müssen im Zuge der industriellen Standortpolitik weitere Maßnahmen ergreifen, um die Entwicklung zu stärken, damit wir weiterhin vor den USA und vor China liegen. Wir brauchen also einen Wissens- und Technologievorsprung und müssen ihn ausbauen. Die Unternehmen investieren zu wenig in IT und TK. Wenn wir betrachten, was die öffentliche Hand auf diesem Gebiet in Deutschland investiert, stellen wir fest, dass es lediglich 14 Prozent sind, und da sage ich: Das ist schlichtweg zu wenig. Deswegen müssen wir die digitale Entwicklung in den Zukunftsbereichen vorantreiben. Ich will das an vier Punkten umschreiben:
Erstens zur digitalen Infrastruktur. Wir müssen den Ausbau von Breitband und Mobilfunk beschleunigen. Da muss es einfach schneller vorangehen. Wir sind auf dem Weg in eine Gigabit-Gesellschaft und dürfen nicht bei 50 Megabit stehen bleiben.
Zweitens. In der digitalen Bildung sind nicht nur Whiteboards und Tablets in den Schulen gefragt, sondern vor allem Lehrer mit Know-how. Wir müssen auch auf Quereinsteiger setzen. Die Wirtschaft braucht Zigtausende von Programmierern; wir brauchen also mehr Informatikstudiengänge. Wenn ich in mein Bundesland, Niedersachsen, schaue, stelle ich fest, dass dort jedes Jahr lediglich 20 Quereinsteiger für den Informatikunterricht ausgebildet werden, also eine sehr geringe Anzahl. Wir brauchen ferner die digitale Berufsschule, um die Auszubildenden auch im IT-Bereich fit zu machen.
Drittens müssen wir den digitalen Mittelstand ermutigen, innovative Geschäftsmodelle anzugehen. Hier ist Potenzial bei Wertschöpfung und Effizienzsteigerung. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das BSI, kann als Dienstleister für den Mittelstand auftreten, damit gerade im Bereich der Sicherheit bessere Grundlagen gelegt werden können.
Viertens. An letzter Stelle – da steht sie tatsächlich – nenne ich die digitale Verwaltung. Schon seit 20 Jahren sprechen wir über E-Government. Wir haben es nicht zuletzt auch bei der Flüchtlingskrise erlebt, dass es zu wenig Vernetzung auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene gibt. Da müssen wir handeln. In der nächsten Legislaturperiode muss das wesentlich stärker angegangen werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich halte fest: Die Rahmenbedingungen des Welthandels sind komplizierter geworden. Wir müssen noch stärker und kontinuierlich auf Märkte und Branchen eingehen und sie intensiver beobachten, um auch neue Wirtschaftsräume zu erschließen.
Ergänzend und abschließend möchte ich sagen: Wir brauchen einen digitalen Ruck in unserem Land. Nur auf dem digitalen Fundament sichern wir Wohlstand, Standort und auch Wettbewerbsfähigkeit.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 215 |
Agenda Item | Regierungserklärung: Inklusives Wachstum |