26.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 215 / Tagesordnungspunkt 4

Claudia Roth - Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie und ihrer Umsetzung in nationales Recht Stellung zu nehmen. Das deutsche Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie geht auf die Erfahrungen der Finanzkrise zurück. Richtlinie und Umsetzung sollen verhindern, dass sich unseriöse Finanzierungspraktiken wiederholen, die unter anderem in den USA und in Spanien zu Immobilienblasen geführt haben. Als diese platzten, gingen keineswegs nur Banken pleite, sondern vor allem verloren auch viele Verbraucherinnen und Verbraucher ihre kreditfinanzierten und selbstbewohnten Immobilien. Die neuen Regeln stärken das Prinzip der verantwortungsvollen Kreditvergabe. Die Kreditinstitute müssen also im Interesse ihrer Kunden prüfen, ob Kreditnehmer die vertraglich vereinbarten Raten zahlen können. Ich halte das für eine verbraucherpolitische Errungenschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jedoch zeigte sich bereits kurz nach Inkrafttreten, dass die Umsetzung der EU-Richtlinie nicht nur Verbraucher effektiv schützt, sondern auch einige Banken tief verunsichert hat. Da die Banken jetzt für eine ordnungsgemäße Kreditprüfung haften,

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das haben sie schon immer gemacht!)

hinterfragten sie ihre Kreditvergabeprozesse sehr gründlich,

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das haben sie schon immer gemacht!)

zum Teil überzogen. Sie stellten dabei auch bewährte Kreditvergabestandards infrage und verschärften diese eigenständig weiter, was bei einigen Banken wiederum zu weniger Kreditvergaben führte; andere haben ihr Kreditvergabevolumen sogar ausgedehnt.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Welche Bank ist denn das?)

Ich möchte ein Beispiel für etwas nennen, was weder von der Richtlinie noch von der nationalen Gesetzgebung vorgesehen war. Wir wurden zum Beispiel gefragt, ob die neuen Regeln verhindern sollten, dass ein Kredit an jemanden vergeben wird, der diesen Kredit nicht innerhalb seiner statistischen Lebenserwartung zurückzahlen kann. Das war weder von Richtlinie noch vom Gesetz vorgegeben. Denn Erbschaftsteuer hin oder her: Die Richtlinie sollte natürlich nicht Erben ein schuldenfreies Haus garantieren, sondern ermöglichen, Verträge über die Nutzung abzuschließen. Wir haben im Hinblick auf diese Kritik auf Schnellschüsse verzichtet, sondern mit der deutschen Kreditwirtschaft und der Verbraucherschutzseite einen intensiven Dialog darüber geführt, wie diese Unsicherheiten bei den Banken beseitigt werden können. Wir wollen erreichen, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern uneingeschränkt Zugang zu Krediten, die sie sich ohne das Risiko einer Überschuldung leisten können, gewährt wird.

Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem wir Klarstellungen vornehmen wollen, die sowohl europarechtlich zulässig sind als auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern dienen.

Drei Punkte:

Erstens. Wir wollen klarstellen, dass die Wertsteigerung durch Baumaßnahmen oder Renovierungen natürlich berücksichtigt werden darf.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

– Das war von vornherein Intention, Herr Kollege Michelbach. – Aber natürlich – wahrscheinlich liegt die Richtlinie vor Ihnen – müssten Sie den Erwägungsgrund 55 der Richtlinie, dass sie nicht allein ausschlaggebend sein darf, auch in der nationalen Gesetzgebung berücksichtigen.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Aber andere Länder haben es noch nicht gemacht!)

Zweitens soll im Gesetz explizit geregelt werden, dass, wie schon bisher, die Regelungen für Verbraucherdarlehensverträge nicht auf die sogenannten Immobilienverzehrkreditverträge anwendbar sind, also in dem Fall, dass jemand einen Teil der Immobilie, in der er wohnt, an die Bank übereignet. Das soll auch die Unsicherheit der Rechtsabteilungen einiger Banken beenden und die Kreditvergabe an ältere Menschen erleichtern.

Drittens. Wir bitten Sie um eine Ermächtigung für eine gemeinsame Rechtsverordnung des Bundesfinanzministeriums und des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Wir wollen in weiteren praktisch relevanten Fällen eine Leitlinie für die ordnungsgemäße Kreditvergabe an die Hand geben. Auch hierzu zwei Beispiele: Wir wollen deutlich machen, wie mit befristeten Arbeitsverhältnissen und vorübergehenden Gehaltseinbußen durch Elternzeit umgegangen werden soll, da einige Banken nur die Negativannahmen verwendet haben. Außerdem wollen wir insbesondere beim altersgerechten Umbau, der den Wert von Immobilien erhöht, die Wert­steigerungen in angemessener Form berücksichtigen.

Wir meinen, dass damit – das will ich bewusst sagen – die bei einigen Banken – also keineswegs durchgehend – vorgekommene schlechtere Kreditvergabe an junge Familien sowie Seniorinnen und Senioren beendet wird und es wieder einen gesicherten Zugang dieser Personenkreise zu Krediten gibt. Ich werbe für die vorgesehenen Klarstellungen und bitte Sie um Ihre Unterstützung für diesen Gesetzentwurf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Ulrich Kelber. – Nächster Redner: Dr. Gerhard Schick für Bündnis 90/Die Grünen.

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Electoral Period 18
Session 215
Agenda Item Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz
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