Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unternehmen müssen sich an Regeln halten. Recht und Gesetz sind für jedermann verbindlich, auch für Unternehmen. Das ist selbstverständlich. Genauso selbstverständlich ist es, dass Regelverstöße sanktioniert werden müssen.
Eine Rechtsordnung, die die durch sie eingeräumten Rechte und Pflichten nicht effektiv durchzusetzen vermag, entwertet sich selbst. Eine Rechtsordnung bedarf daher eines effektiven Sanktionsinstrumentariums, um ihre Akzeptanz gerade bei denjenigen aufrechtzuerhalten, die sich rechtstreu verhalten. Deswegen ist die Verteidigung unserer Rechtsordnung – dem fühlt sich die Union als Rechtsstaatspartei in besonderer Weise verpflichtet – ganz in unserem Sinne, und das gilt in allen Bereichen der Gesellschaft, auch im Bereich der Wirtschaft. Wir haben deswegen im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir ein Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne prüfen.
Ich will aber gar nicht verhehlen, dass ich persönlich – hier schließt sich dann auch wieder der Kreis zum Antrag der Grünen – einem eigenen Unternehmensstrafrecht skeptisch gegenüberstehe, und das aus sehr grundsätzlichen Erwägungen heraus. Es entspricht nämlich dem Menschenbild nicht nur unseres Strafgesetzbuches, sondern vor allen Dingen auch dem Menschenbild unseres Grundgesetzes, dass die Sanktionierung eines Verhaltens als strafbare Handlung persönliche Verantwortung und individuelle Schuld voraussetzt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist in § 17 unseres Strafgesetzbuches als grundlegendes strafrechtliches und auch verfassungsrechtliches Prinzip manifestiert.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir uns einig!)
Ohne zweifelsfrei nachgewiesene individuelle Schuld gibt es keine Strafbarkeit. Eine Verbandsstrafbarkeit erscheint mir mit diesem grundlegenden Prinzip nur sehr schwer vereinbar zu sein.
Ich will mich aber gar nicht so sehr mit unserem Koalitionsvertrag aufhalten, sonst könnte man auch die Frage aufwerfen: Was sind eigentlich multinationale Konzerne? Kann man das mit Blick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot hinreichend präzise regeln? Wieso wäre es eigentlich gerechtfertigt, kleine Unternehmen gegenüber großen, nämlich multinationalen Konzernen, zu privilegieren? Sie sehen, meine Damen und Herren, hier werden viele Zweifel aufgeworfen, Zweifel, die auch das Bundesjustizministerium zu haben scheint, das bis zum heutigen Tage prüft und prüft und prüft, aber noch immer keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Aus meiner Sicht kann das gerne auch so bleiben.
Kommen wir zum Antrag der Grünen, der alle Tatbestände zur Sanktionierung von Unternehmen in einem Gesetz zusammenfassen und die Regelungen deutlich verschärfen möchte. Was ist also der Grundgedanke dieses Antrags? Zum einen wird behauptet, es gebe einen systematischen Rechtsbruch von Unternehmen.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na! Haben Sie nicht zugehört?)
Zum anderen wird in dem Antrag behauptet, dass es Defizite bei der Ahndung von Regelverstößen gibt. Beides muss natürlich verifiziert werden, wenn der Antrag der Grünen seine Berechtigung haben will.
Kommen wir zum systematischen Rechtsbruch, der hier unterstellt wird. Ich muss schon sagen: Natürlich gibt es schwarze Schafe in der deutschen Wirtschaft, natürlich gibt es Unternehmen, die Rechtsverstöße begehen, und da muss man auch ganz klar handeln. Aber hier von systematischem Rechtsbruch zu sprechen, das geht an der Wirklichkeit vorbei. Damit nehmen Sie die gesamte deutsche Wirtschaft und die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die rechtschaffen sind, die hart und innovativ arbeiten und auf diese Weise oft auch Weltmarktführer geworden sind, in Haftung.
(Niema Movassat [DIE LINKE]: So ein Unsinn! Nur schwarze Schafe wären von dem Gesetz betroffen!)
Deswegen sagen wir: Solche unberechtigten Vorwürfe gehen zu weit. Wir wollen nicht alle Unternehmen in Kollektivhaftung nehmen, sondern nur diejenigen, die sich wirklich etwas zuschulden kommen lassen. Die müssen wir dann entsprechend angehen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist genau das, was ich gesagt habe!)
Sie sagen weiter, dass es Defizite bei der Ahndung gibt. Wenn ich mir so anschaue, was unsere Rechtsordnung unseren Unternehmen so an Pflichtenkatalogen aufbürdet, dann kann ich eigentlich nicht erkennen, dass es zu wenige Pflichten gibt. Ich kann auch nicht erkennen, dass es zu wenige Sanktionstatbestände gibt. Denn wir reden hier ja nicht nur über den Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, sondern es gibt die vielen spezialgesetzlichen Regelungen des besonderen Verwaltungsrechts, des Umweltrechts, des Handelsgesetzbuchs, des Aktienrechts, des Marken- und Patentrechts, des Kreditwesengesetzes, der Börsenaufsichtsgesetze, des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb, die kartellrechtlichen Normen des BGB. Die Liste ließe sich fast unendlich fortsetzen.
Deswegen muss man einfach feststellen: Es gibt ausgefeilte Pflichtenkataloge, und es gibt die entsprechenden behördlichen Eingriffsbefugnisse, und diese werden auch konsequent angewandt. Deswegen: Damit, Lücken und Defizite in den Antrag zu schreiben, ohne sie zu belegen, machen Sie es sich ein bisschen zu einfach.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht doch sogar in Ihrem Koalitionsvertrag!)
Sie bleiben, ohne hier eine fundierte Analyse vorzunehmen, dabei, dass das alles nicht effektiv sei und man all die Regelungen, die die Sanktionierung von Unternehmen betreffen, in einem Gesetz bündeln müsste. Das scheint auf den ersten Blick auch ein gewinnbringender Gedanke zu sein. Man hat ein einziges Gesetz. Darin kann der Unternehmer nachschlagen, welche gesetzlichen Pflichten ihn treffen und wie eine Sanktionierung gegebenenfalls aussähe.
Ich bin grundsätzlich auch ein Freund umfassender Kodifizierungen. Bereits seit der Einheit haben wir zum Beispiel den gesetzgeberischen Auftrag, ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch zu schaffen. Wir haben in unserem Koalitionsvertrag auch festgelegt, dass wir ein Staatshaftungsrecht kodifizieren wollen. Aber da muss man dann schon genau hinschauen. Bei der Zusammenfassung und der Schaffung einer konsequenten, in sich kohärenten Regelung steckt nämlich häufig der Teufel im Detail. Gerade im Bereich der Pflichtenkataloge von Unternehmen sind es die spezifischen Pflichten, die einzuhalten sind, und die sind je nach Branche und Tätigkeitsfeld ja ganz verschieden. Deswegen gibt es diese vielen Spezialgesetze, von denen ich gerade einige aufgezählt habe. Sie verfolgen allesamt einen eigenen fachspezifischen Regelungszweck, haben eine eigene Ratio Legis. Sie haben eine eigene auf Sinn und Zweck der Materie abgestimmte Systematik, und sie berücksichtigen die Besonderheiten der jeweiligen Märkte und Tätigkeitsfelder.
Sie von den Grünen aber sagen: Wir müssen all die Sanktionen regeln, die sich in den verschiedenen Spezialgesetzen befinden, und sie in einem Gesetz zusammenführen. Aber – und das ist das Bemerkenswerte – die Strukturen der besonderen spezialgesetzlichen Regelungen sollen ansonsten unberührt bleiben. Das bedeutet im Kern: Wir haben die Sanktionsregelungen in dem einen Gesetz, die jeweiligen Pflichten aber in einem anderen. Da muss man sich schon fragen: Wie soll das denn funktionieren? Gehalt, Reichweite und Auslegung eines Sanktionstatbestandes erschließen sich doch gerade mit Blick auf diese fachspezifischen Regelungszusammenhänge, die Gesetzessystematik und die Ratio Legis der jeweiligen Pflichtenkataloge. Wenn ich also den inneren Zusammenhang, der zwischen Pflicht auf der einen Seite und Sanktion auf der anderen Seite besteht, auseinanderreiße und in zwei verschiedenen Gesetzen regele, geht der gesamte systematische und teleologische Zusammenhang verloren. Deswegen ist der Vorschlag, den Sie uns hier präsentieren, gesetzessystematisch völlig verfehlt. Er würde zu einer enormen Rechtsunsicherheit führen, und deswegen können wir ihn nicht mittragen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die bisherige Rechtslage!)
Schon der Ansatz des Antrags ist fragwürdig. Aber schauen wir einmal auf die uns vorgeschlagenen konkreten Dinge. Zum Beispiel wird hier die Schaffung eines öffentlichen Sanktionenregisters vorgeschlagen. Ich hatte immer gedacht, seit der Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karl V. 1532 sei der Pranger abgeschafft worden, und muss nun zur Kenntnis nehmen, die Grünen wollen an dieser Stelle offensichtlich zurück ins Mittelalter.
(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Während das noch mit einem Schmunzeln hingenommen werden könnte, so stellt man bei Betrachtung der anderen dort vorgeschlagenen Maßnahmen – zum Beispiel der Strukturmaßnahmen als Strafe – fest, dass dort gemeint ist, dass man Unternehmen zerschlagen, sie unter staatliche Kuratel stellen und einen Staatskommissar einsetzen kann, und zwar nicht nur für einzelne Unternehmen, sondern ganze Unternehmenszweige. Damit bewegt man sich auf dem direkten Weg in eine staatlich beaufsichtigte und gelenkte Volkswirtschaft. Das ist nun wirklich Sozialismus pur, und das können wir nicht mitmachen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommt der Kommunismus gleich hinterher! Das ist der Weltuntergang! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Luczak, wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)
Da muss man sich auch einmal fragen: Wen träfe denn eigentlich die Zerschlagung eines solchen Unternehmens? Die Leidtragenden wären tatsächlich die Arbeitnehmer und die Kunden des Unternehmens. Die haben doch aber mit dem Fehlverhalten der aufsichtführenden Personen eines Unternehmens überhaupt nichts zu tun. Nein, mit diesen Vorschlägen treffen Sie wirklich die Falschen, und das stünde auch wieder nicht im Einklang mit einem materiell-rechtlich verstandenen Schuldprinzip.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kommen doch von einer christlichen Partei! Was reden Sie da!)
Deswegen können wir das an dieser Stelle nicht mitmachen, meine Damen und Herren.
Richtig ist: Wir müssen uns das Ordnungswidrigkeitenrecht anschauen und können auch darüber nachdenken, ob es geschärft werden muss. Wir haben da in den letzten Jahren auch einiges gemacht. Erst 2013 haben wir die möglichen Strafen verzehnfacht, von 1 Million auf 10 Millionen Euro. Das ist schon mal was. Aber natürlich muss man schauen, ob diese Sanktionen effektiv sind. Man kann darüber nachdenken, sie noch weiter zu verschärfen.
Was ich nicht verstehen kann, ist Ihre Kritik, es gäbe keinen Verfolgungszwang im Ordnungswidrigkeitenrecht. Es ist zwar richtig, dass das Ordnungswidrigkeitenrecht dem Opportunitätsprinzip folgt, aber man muss sich das natürlich genau anschauen. Bei den Konstellationen, über die wir hier gerade reden, also bei großen Schäden und einem schwerwiegenden Fehlverhalten, ist es so, dass sich das Verfolgungsermessen der Behörden regelmäßig auf null reduziert. Das heißt, das Opportunitätsprinzip weicht in der Sache einem Legalitätsprinzip. Das heißt, die Behörden müssen einschreiten. Deswegen gibt es an dieser Stelle aus unserer Sicht auch keinen Handlungsbedarf.
Man kann sich aber Folgendes wirklich einmal anschauen: Momentan liegt die Zuständigkeit in aller Regel bei den Amtsgerichten. Da wir von erheblichen Schäden und komplexen wirtschaftlichen Zusammenhängen sprechen, kann man überlegen: Sind die Amtsgerichte damit möglicherweise sachlich und personell überfordert? Man kann darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoll wäre, diese Zuständigkeit den Wirtschaftsstrafkammern bei den Landgerichten zu übertragen. Es gibt viele Punkte, über die man nachdenken kann, um die Sanktionsmechanismen effektiv zu machen.
Abschließen möchte ich mit einer Bemerkung: Sie setzen sehr stark auf die Abschreckungswirkung von Sanktionen. Sie schreiben, dass sie einen starken präventiven Effekt haben und zu rechtstreuem Verhalten führen sollen. Diese Argumentation wundert mich schon ein bisschen; denn wenn wir sagen, wir wollen das Strafrecht zum Beispiel im Bereich der Terrorismusbekämpfung verschärfen, lehnen Sie diese Argumentation mit allergrößter Vehemenz ab.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil bestehendes Recht nicht angewandt wird! Das ist doch das Problem!)
Hier tun sich massive Widersprüche in Ihrer Argumentation auf. Aber man sagt ja: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Wir werden Sie daran erinnern.
Heute jedenfalls werden wir Ihren Antrag ablehnen, weil er im Ansatz verfehlt ist und viele Maßnahmen vorgeschlagen werden, die die Falschen treffen würden, die nicht zielführend sind. Deswegen können wir das so nicht mittragen.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt wenig überzeugend!)
Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner: Niema Movassat für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7063852 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 215 |
Tagesordnungspunkt | Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung |