Johannes FechnerSPD - Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Nicht zuletzt der VW-Skandal hat uns deutlich vor Augen geführt, dass wir in Deutschland schärfere Sanktionen benötigen, um Unternehmen dazu zu bringen, sich gesetzestreu zu verhalten. Schon im Koalitionsvertrag haben wir deshalb entsprechend geregelt, dass wir das Ordnungswidrigkeitenrecht ausbauen wollen und dass wir konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln für Unternehmensbußen benötigen; denn offensichtlich reicht die heutige Rechtslage, reicht das Sanktionsinstrumentarium nicht aus. Wir können zwar die Täter bestrafen, die in Unternehmen tätig sind und strafbare Handlungen begehen; aber wir können nicht gegen das Unternehmen selbst vorgehen. Gerade der VW-Skandal hat uns gezeigt, dass insbesondere Verbraucherinnen und Verbraucher auf einen solchen Schutz durch spürbare Geldsanktionen angewiesen sind, etwa in den USA, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
In Deutschland diskutieren wir seit Jahrzehnten härtere Sanktionen. In anderen Ländern, etwa in der Schweiz oder in Holland, gibt es sie bereits. Ich finde, dass wir, auch wenn wir heute eine Unternehmenskriminalität haben, nicht alle Unternehmen unter einen Generalverdacht stellen dürfen – auf keinen Fall, lieber Marco Luczak –; aber dass es dort eben auch schwarze Schafe gibt, das ist Realität. Deswegen muss die Antwort eines starken Staates sein, hierfür Sanktionen gesetzlich zu regeln, die für die Unternehmen spürbar sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Ich finde, es liegt gerade auch im Interesse der Unternehmen, dass sich Mitbewerber eben keinen illegalen Wettbewerbsvorteil verschaffen, indem sie eben durch Gesetzesverstöße billiger produzieren können, indem sie etwa Aufträge durch Korruption bekommen. Genau das wollen wir verhindern. Genau das ist im Sinne der Wirtschaft und insbesondere des Mittelstandes: dass diejenigen, die betrügen, eben keinen Wettbewerbsvorteil haben und sie dadurch keine Gewinne einfahren, sondern dass der Ehrliche eben nicht der Dumme ist. Das gilt auch in diesem Bereich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen stimmen Sie den Grünen zu!)
Deswegen reicht der Bußgeldrahmen, wie wir ihn heute im Ordnungswidrigkeitengesetz haben – dort gibt es eine Höchstgrenze von 10 Millionen Euro –, nicht aus. Das ist viel zu wenig, wenn wir uns anschauen, wie viele Millionen – ein Vielfaches von diesen 10 Millionen – etwa bei dem prominenten Fall in München durch eine kriminelle Handlung an Gewinn eingefahren wurden. Deswegen müssen wir diesen Rahmen von 10 Millionen Euro deutlich erhöhen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch ich finde, wir müssen das Opportunitätsprinzip, das wir im Ordnungswidrigkeitenrecht haben, einschränken; denn ansonsten haben wir das Risiko, dass von Landgerichtsbezirk zu Landgerichtsbezirk unterschiedliche Sanktionen drohen.
(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das haben wir alles gesagt!)
Ich bin auch der Meinung, dass wir klare Regeln dafür finden müssen, dass die Geldbußen an der Ertragskraft eines Unternehmens orientiert sein müssen, sodass kein Unternehmen einfach aus der Portokasse eine kleine Geldbuße bezahlt und anschließend das illegale Handeln fortgesetzt wird. Nein, auch hier, finde ich, müssen wir eingreifen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich würde noch weiter gehen. Ich meine, der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty hat auch zu diesem Thema einen sehr interessanten Vorschlag gemacht, einen interessanten Gesetzentwurf vorgelegt, übrigens ausformuliert, anders als die Grünen.
(Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Der Gesetzentwurf ist aber nicht gut! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist aber durchgefallen!)
– Von euch haben wir einmal mehr nur ein Sammelsurium von Fragen.
Der Vorschlag von Kutschaty ist, kriminelle Unternehmen von öffentlichen Vergaben auszuschließen oder für solche Unternehmen Subventionen auszuschließen. Auch diese Sanktionen halte ich für sinnvoll, und genau diesen Weg sollten wir gehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann gehen Sie ihn doch!)
Zu dem Antrag der Grünen zu den Sanktionen: Daran stört mich schon einmal, dass Sie keinen konkreten Vorschlag machen, wie Sie die Dinge im Gesetz formulieren wollen. Vielmehr kommt einmal mehr ein langer Forderungskatalog mit recht unbestimmten Fragen, die im Übrigen teilweise unnötig sind, weil die Bundesregierung schon Gesetzesvorschläge dazu vorbereitet hat.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja auch keinen geschrieben! Wo ist denn Ihr Gesetzentwurf?)
Zum Beispiel ist es ja sinnvoll, wie Sie fordern, dass wir eine Verbesserung bei der Einziehung von Vermögen, bei der Vermögensabschöpfung vornehmen. Genau diesen Gesetzentwurf hat Justizminister Maas vorgelegt. Es ist ein sehr guter Entwurf, und ich hoffe, dass die Unionskollegen diesen sinnvollen, diesen wichtigen Entwurf nicht blockieren, sondern dass wir hier zu einer Regelung kommen, sodass der Grundsatz gilt: Verbrechen darf sich nicht lohnen. – Diesen Gesetzentwurf brauchen wir dringend.
(Beifall bei der SPD)
Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, fordern, dass eine Umgehung der Haftung durch bestimmte Unternehmensstrukturierungen verhindert werden muss, dann ist auch das richtig. Aber an diesem Thema sind wir ebenfalls schon dran; darüber diskutieren wir im Rahmen der GWB-Novelle.
Ein wichtiger Punkt – ich möchte ausdrücklich loben, dass Sie diese SPD-Forderung in Ihren Antrag aufgenommen haben – ist der Schutz der Whistleblower.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Grünenforderung!)
Meine Fraktion hat schon in der letzten Legislaturperiode einen Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Die Situation ist ja so, dass Hinweisgeber ihr Wissen oft nur dann offenbaren, wenn sie keine gravierenden Nachteile für sich befürchten müssen. Etwa im Lebensmittelbereich konnten dadurch Skandale aufgedeckt und abgestellt werden, sodass Millionen von Verbrauchern nun besser geschützt sind, weil sie keine giftigen oder verdorbenen Lebensmittel zu sich nehmen müssen. Wenn wir zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher wollen, dass Hinweisgeber ihr Wissen auch weiterhin offenbaren, dann brauchen wir eine Regelung, die etwa verhindert, dass Whistleblowern gekündigt werden kann.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wir sind dazu bereit. Wir bedauern sehr, dass eine solche Regelung von der Union verhindert wird. Das kann nicht sein. Dies ist ein ganz wichtiges Handlungsfeld, auf dem wir tätig werden müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Willkommen im Wahlkampf! Das ist der Schulz-Effekt! – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Glauben Sie, dass Sie attraktiv sind, wenn Sie hier nur jammern?)
– Es ist keine 24 Stunden her, dass wir einen Kanzlerkandidaten haben, und bei euch bricht schon Panik aus. Das ist eine hochinteressante Entwicklung.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Vielleicht sollten wir Händchen halten!)
Wir haben noch acht Monate vor uns. Ich bin gespannt, wie sich Stimmung und Blutdruck bei euch entwickeln.
Ich komme zum Schluss. Der Grünenantrag enthält sehr viele Forderungen, die von uns – das gilt etwa für die Vermögensabschöpfung – in gewohnt seriöser Manier schon umgesetzt werden.
(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann stimmen Sie doch zu! – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch einfach zu!)
Darüber hinaus sind einige Forderungen zu unbestimmt, sodass ich sie nicht nachvollziehen kann. Deswegen: Auch wenn einiges Richtiges drinsteht, werden wir Ihren Antrag ablehnen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Kollege Dr. Fechner. – Nächster Panik-Redner: Jürgen Klimke für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7063858 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 215 |
Tagesordnungspunkt | Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung |