Volker UllrichCDU/CSU - Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wirtschaftskriminalität verursacht volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe, zerstört das Vertrauen in gutes Wirtschaften und erschüttert unsere Rechtsordnung. Rechtsbruch darf sich nicht lohnen. Unsere Rechtsordnung muss durch einen klaren Vollzug des geltenden Rechts dafür Sorge tragen, dass niemand aus der Verletzung von Vorschriften einen Vorteil ziehen kann.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)
Der Antrag der Grünen zielt im Grunde genommen auf Einführung einer Art Unternehmensstrafrecht, auch wenn sie das so nicht bezeichnen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie es in Ihrem Koalitionsvertrag steht!)
Der zentrale Satz Ihrer Begründung mag dann aber schon erstaunen:
Wegen der Möglichkeit, Verantwortung insbesondere in großen Unternehmen gezielt zu verschleiern sowie dem Kräfteungleichgewicht zwischen häufig überlasteten Staatsanwaltschaften und besonders finanzstarken Beschuldigten, kommt es aber in Deutschland selten zu individuellen Schuldfeststellungen gegenüber einzelnen Wirtschaftsakteuren.
Wenn es also – das ist meine erste Bemerkung – um individuelle Schuldfeststellungen geht, dann ist die Frage nach der Haftung von Unternehmen falsch; denn dann geht es um die individuelle, ganz höchstpersönliche Vorwerfbarkeit.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um beides muss es gehen!)
Es ist auch keine Haltung, der Kriminalpolizei, den Staatsanwaltschaften und Teilen der Justiz, die in oftmals mühevoller Kleinarbeit Wirtschaftsstrafsachen aufarbeiten, in den Rücken zu fallen. Das tun Sie, indem Sie sagen, dass es nur selten zu Schuldfeststellungen kommt. Ich glaube, das spiegelt die aktuelle Lage nicht wider.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn Sie behaupten, dass Staatsanwaltschaften häufig überlastet sind, dann muss doch die zentrale Aufgabe der Politik darin bestehen, diese Belastungen abzubauen und für mehr Kapazität bei den Strafverfolgungsbehörden zu sorgen. Zuständig dafür sind die Länder. Und hier tragen die Grünen in 11 von 16 Landesregierungen Verantwortung. Nehmen Sie also bitte den Bund nicht in die Haftung für eigene Versäumnisse in den Ländern, in denen Sie mitregieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Auch dogmatisch ist ein eigenes Unternehmensstrafrecht nicht zielführend, weil es das Schuldprinzip verletzt.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gesagt!)
Schuld ist die von der Verfassung gebotene Voraussetzung für eigene, höchstpersönliche Vorwerfbarkeit. Schuld kann nur ein einsichtsfähiger Täter sein, aber nicht ein Personenverband oder ein Konstrukt.
Wenn Sie in letzter Konsequenz beispielsweise Strukturmaßnahmen für verurteilte Unternehmen fordern, dann verursachen Sie auch eine Betroffenheit Dritter, die möglicherweise nicht akzeptabel ist.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
Wollen Sie, dass im Ergebnis der Fließbandarbeiter mit dem Verlust seines Arbeitsplatzes für das Fehlverhalten des Managements haftet? Wollen Sie, dass Kleinaktionäre mit dem Verlust ihrer Altersvorsorge bestraft werden, weil der Vorstand strafbare Handlungen vollzieht, die der Kleinaktionär nicht kontrollieren kann?
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch wirklich nicht zu glauben!)
Eine solche Drittbetroffenheit ist unserer Rechtsordnung fremd und muss ihr auch fremd bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn Sie, wie es in Ihrem Vorschlag heißt, jetzt statt des Opportunitätsprinzips das Legalitätsprinzip einführen wollen, dann müssen Sie auch deutlich machen, welche Konsequenzen das hat. Sie dürfen zunächst einmal nicht so tun – es ist mir wichtig, das zu unterstreichen –, dass das Opportunitätsprinzip Willkür bedeuten würde. Wir haben in Deutschland eine Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz. Diese Bindung an Recht und Gesetz muss die Verwaltung gleichmäßig durchführen. Deswegen ist das Opportunitätsprinzip bereits jetzt ein gutes Mittel, Verfehlungen von Unternehmen zu verfolgen.
Aber das Legalitätsprinzip bedeutet, dass Sie strafrechtsähnliche Verfahren gegenüber Unternehmen einführen – mit dem Schweigerecht, mit der Unschuldsvermutung. Damit werden Sie im Endeffekt eine weniger effektive Rechtsverfolgung haben und weniger Unternehmen zur Verantwortung ziehen, als wir das bisher können. Ihr Vorschlag ist damit ein Rückschritt und kein Fortschritt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Man darf auch nicht vergessen – das haben Sie völlig verschwiegen –, dass es bereits jetzt gerade im Bereich des Kartellrechts ordentliche Geldbußen gibt, die den Unternehmen zu Recht wehtun. Beispielsweise Lkw-Kartell: Bußgelder über 1 Milliarde Euro; Libor-Kartell: Bußgelder in Höhe von dreistelligen Millionenbeträgen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch darum, dass sie Sorgfaltspflichten haben und eine Struktur umsetzen, und nicht, dass irgendwann eine Kartellreaktion kommt! Sie sind doch Christ! Bewegen Sie doch mal die Stelle bei sich, die das Christliche ausmacht!)
Deutlich muss aber auch werden, dass wir das bestehende Recht konsequent anwenden und dort, wo es notwendig ist, es auch verschärfen. Ich lade Sie ein, mit uns darüber zu diskutieren, möglicherweise die Wertgrenzen im Ordnungswidrigkeitengesetz zu erhöhen.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch! – Niema Movassat [DIE LINKE]: Machen Sie es doch einfach!)
Ich lade Sie ein, unseren Gesetzentwurf zum Thema „strafrechtliche Vermögensabschöpfung“ mitzutragen.
Eines allerdings haben Sie heute nicht angesprochen – das scheint ein Schlüssel bei der Frage der Verfolgung von rechtswidrigem Handeln innerhalb von Unternehmen zu sein –: Wir brauchen ausreichende Kapazitäten bei Polizei und Staatsanwaltschaften, damit sie solche Machenschaften auch aufdecken und zur Anklage bringen können.
(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig! Super! Wann kommt Ihr Antrag?)
Wir brauchen ordentliche Ausstattungen bei der Polizei, und zwar auch im Hinblick auf Kapazitäten.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen Polizeibeamte, die wirtschaftskriminelle Strukturen aufdecken, besser bezahlen und dafür sorgen, dass Verfahren beschleunigt werden.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, reden wir mal über Herrn Henkel! Die Berliner CDU hat da voll versagt!)
Wenn Sie eine stärkere Sanktionierung von Unternehmern wollen, müssen Sie auch dort, wo Sie Verantwortung tragen, den Apparat besser ausstatten, damit Rechtsverfolgung effektiv sein kann.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, machen wir alles!)
Meine Damen und Herren, es ist wenig geholfen – weder den Bürgern, die auf Rechtstreue von Unternehmen setzen, noch einer bereits jetzt an den Grenzen der Belastbarkeit stehenden Justiz –, einen Paradigmenwechsel im Strafrecht, wie Sie ihn wollen, herbeizuführen, der zu einem langen Theorienstreit, aber nicht zu einer effektiven Rechtsdurchsetzung und zu einem Schutz für die rechtstreuen Unternehmen führt. Deswegen werden wir Ihren Antrag heute ablehnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Christoph Strässer für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7063867 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 215 |
Tagesordnungspunkt | Zukunftsfähige Unternehmensverantwortung |