Thomas JurkSPD - Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Linken kommt relativ schlicht daher. Es wird begehrt, nur einen einzigen Satz zu beschließen. Ich stelle fest: Dieser Antrag ist sicher gut gemeint, geht aber sowohl an der Struktur der Netze als auch an der aktuellen politischen Debatte vorbei.
Kollege Krischer, ich habe mir einmal die Debatte vom 14. November 2014 angeschaut. Da sind Sie von dem früheren energiepolitischen Sprecher Dirk Becker gelobt worden. Deswegen brauche ich das an dieser Stelle nicht zu machen. Sie liegen ausnahmsweise einmal völlig richtig. Das Bashing gegen Sigmar Gabriel will ich hier nicht kommentieren.
Es macht aber keinen Sinn, alle Netzebenen in einen Topf zu werfen; denn das hieße gleichsam, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Es geht neben den vermiedenen Netzentgelten aktuell um die Übertragungsnetzentgelte der vier großen Übertragungsnetzbetreiber Amprion, TransnetBW, TenneT und 50Hertz. Wir stellen fest, dass die Preisunterschiede in den jeweiligen Netzgebieten erheblich sind. Je nachdem, ob man bei einem günstigen Übertragungsnetzbetreiber zu Hause ist oder bei einem teureren, bekennt man sich – bis auf wenige Ausnahmen – für oder gegen eine bundesweite Wälzung der Netzentgelte.
Es ist wirklich kein Ost-West-Thema; einige Redner haben bereits darauf hingewiesen. Denn bei bundesweit gleichen Übertragungsnetzentgelten würden die Verbraucher in zwölf Bundesländern profitieren. In vier Ländern würden die Übertragungsnetzentgelte steigen. So ist es nicht verwunderlich, dass in Ländern mit zukünftig höheren Netzkosten bei einer bundesweiten Wälzung der größte Widerstand zu verzeichnen ist. Auch die CDU-Landesgruppe NRW im Bundestag verlangt vom Kanzleramt den Stopp entsprechender Neuregelungen, sieht man doch die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie bedroht. Aktuell erreicht die Bundeskanzlerin Post von 87 Unternehmen, Verbänden und Kammern aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Hannover und den ostdeutschen Bundesländern. Lassen Sie mich kurz aus diesem aktuellen Brief – er wurde bereits veröffentlicht – zitieren. Unter dem Stichwort „Ungerecht und nicht zukunftsfähig“ heißt es:
Erneuerbare Energien werden vor allem in dünnbesiedelten und eher ländlich geprägten Regionen erzeugt. Die Kosten für die Netzintegration verteilen sich dort also auf wenige Verbraucher. Gleichzeitig produzieren diese Regionen einen Überschuss an günstigem Strom, von dem alle Kunden in Deutschland profitieren. Es ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb gerade diese Regionen überproportional hohe Netzentgelte zahlen müssen.
Weiter heißt es unter dem Stichwort „Volkswirtschaftlich widersinnig“:
Das teils deutlich auseinanderliegende Übertragungsnetzentgelt benachteiligt bestehende Gewerbe- und Industriestandorte, setzt Fehlanreize für die Neuansiedlung von Industrie und Gewerbe in den betroffenen Regionen und zieht damit erhebliche volkswirtschaftliche Nachteile nach sich.
Recht so.
Ich finde es bemerkenswert, dass sich Michael Fuchs von der CDU/CSU-Fraktion heute Morgen in der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht für bundeseinheitliche Übertragungsnetzentgelte ausgesprochen hat. Beim Kollegen Bareiß habe ich nicht ganz erkennen können, was er davon hält. Er hat ein bisschen um den heißen Brei herumgeredet. Aber ich gestatte mir einen Hinweis zu den Profiteuren des EEG-Topfes: Man muss immer genau schauen, wer Eigentümer der Anlagen ist, die aus dem EEG-Topf finanziert werden. Das müssen nicht unbedingt Leute aus Brandenburg oder Sachsen-Anhalt sein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Ulrich Freese [SPD]: Richtig, Thomas! Das musste mal gesagt werden!)
Lieber Kollege Krischer, das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen; denn ich lese auch, was Ihre Parteifreunde in meinem Heimatbundesland Sachsen von sich geben. Ich rate Ihnen, Ihre Kollegen ein bisschen aufzuschlauen. Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Sächsischen Landtag hat übrigens gesagt, er sei gegen eine bundesweite Wälzung, und beruft sich dabei auf das Gutachten von Amprion.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Bundeseinheitliche Übertragungsnetzentgelte sind für mich kein Akt der Solidarität. Vielmehr sind sie ein Gebot der Gerechtigkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Gerecht ist, wenn deutschlandweit alle Verbraucher in gleichem Maße an der Finanzierung der Übertragungsnetze beteiligt werden. Bei der Anbindung von Offshorewindanlagen und Erdkabeln gibt es eine bundesweite Wälzung längst; das wurde in der Debatte bereits angesprochen. Bei Redispatch-Kosten und Einspeisemanagement wäre das meines Erachtens auch gerechtfertigt.
Ich habe die Hoffnung, dass es uns gelingt, noch in dieser Legislaturperiode des Deutschen Bundestages eine bundesweite Wälzung der Übertragungsnetzentgelte zu beschließen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Dr. Andreas Lenz, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7063969 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 215 |
Tagesordnungspunkt | Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom |