26.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 215 / Tagesordnungspunkt 9

Karsten MöringCDU/CSU - Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Menz, Sie machen hier eine Scheindiskussion auf, wenn Sie das Thema Kinderlärmprivilegierung hochziehen.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sahen die Sachverständigen aber etwas anders!)

Die Diskussion bei der Sachverständigenanhörung am Montag hat doch ganz klar gezeigt, dass alle Beteiligten, von den Sportverbänden einerseits bis zu den Vertretern von Haus & Grund andererseits, letztlich gesagt haben: Wir haben eine gute Vorlage. – Der eine möchte ein bisschen mehr hiervon, der andere möchte ein bisschen weniger davon. Das ist der normale Interessengegensatz, aber das Endergebnis war: Wir liegen da völlig richtig.

Warum ist das eine Scheindiskussion, die Sie aufmachen, wenn Sie Kinderlärm thematisieren? Wir wissen genau – auch das ist am Montag thematisiert worden –, dass die Unterscheidung von Kinderlärm und Nichtkinderlärm auf Sportplätzen de facto nicht möglich ist. Ich habe den Vertreter des Städte- und Gemeindebundes oder den Vertreter des Deutschen Städtetages – ich weiß nicht mehr genau, wer es war – extra gefragt, ob er sich vorstellen kann, dass das umsetzbar ist. Er hat gesagt: Das ist das große Problem, aber ein Rezept hat er nicht. – Was haben wir stattdessen gemacht? Wir haben etwas gemacht, was darüber hinausgeht, was Kinderlärmprivilegierung erreichen würde. Durch die Veränderung der Werte für die Ruhezeiten haben wir nicht nur die Möglichkeiten für den Sport von Kindern erweitert, sondern wir haben gleichzeitig die Möglichkeiten für den Sport von Erwachsenen und Jugendlichen erweitert. Das können Sie doch nicht als Mangel betrachten. Das ist ein wichtiger Erfolg.

Bei den anderen Punkten, die Sie nennen, ist es genauso. Wenn Sie darauf rekurrieren, dass man den Grenzwert für Verkehrslärm senken müsste, der höher ist als der für Lärm von Sportanlagen, dann möchte ich Sie auch fragen: Wie? Wir können natürlich den Verkehr stilllegen oder Lärmschutzmauern ohne Ende in der Stadt aufbauen. Sie wissen doch genau, warum wir diese Grenzwerte haben und warum wir beim Sport nicht dieselben Grenzwerte haben. Welche Folgen hätte das? Dann würden wir die Lärmbelastung insgesamt deutlich erhöhen. Das alles macht keinen Sinn.

Deswegen sage ich noch einmal: Wir haben eine sehr gute Vorlage, die ausgeglichen ist und die zur Befriedung der Situation führen wird. Sie wird auch dazu führen, dass wir die begrenzten Kapazitäten an Sportmöglichkeiten in der Stadt besser nutzen können. Man kann den Kommunen vielleicht den Vorwurf machen, dass sie in der Vergangenheit im Rahmen heranrückender Bebauung nicht sorgfältig genug darauf geachtet haben, ausreichende Abstände zwischen der Sportanlage und der Bebauung herbeizuführen. Das reparieren wir ein Stück weit. Die Sensibilität ist heute deutlich größer geworden.

Was haben wir gemacht? Wir haben durch die Anhebung der Werte in den abendlichen Ruhezeiten und am Sonntag auf die Tageswerte – das hat Frau Ministerin Hendricks schon ausgeführt – eine Verdreifachung der Nutzungszeit in der Ruhezeit geschaffen. 5 dB(A) mehr heißt physikalisch eine Verdreifachung des Schalldrucks. Das ist für Menschen wahrnehmbar, aber keine fundamentale Erhöhung. Man muss sich einmal eine Verdreifachung der Nutzungszeit praktisch vorstellen. Um 20 Uhr endet der ursprüngliche Grenzwert. Danach kann man natürlich Sport machen. Weil wir den Mittlungspegel über einen langen Zeitraum haben, führt das dazu, dass man vielleicht noch bis 20.30 Uhr Sport machen kann und über 50, 55 oder 60 dB(A) liegt, je nachdem, in welcher Region man sich befindet. Aber dann ist Schluss. Wenn wir jetzt die Ruhezeit zwischen 20 und 22 Uhr auf den Tageswert nehmen, dann bedeutet das, dass der Pegel in dieser Zeit ermittelt werden muss und nicht verrechnet werden darf mit Ruhezeiten zwischen morgens 8 Uhr und mittags 12 Uhr, wo die Sportanlagen allerhöchstens von Schulen genutzt werden. Es muss in diesem Zweistundenrythmus sein. Das heißt in der Praxis, dass man Sport mit einem höheren Lärmanteil vielleicht bis 21 Uhr, 21.30 Uhr betreiben kann. Dann sagen Sie mir, dass das die Kernzeit ist, in der die Kinder Sport machen. Also das geht in meinen Kopf nicht hinein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Noch einmal: Wir alle haben eine gute Lösung gefunden. Ich muss eines ganz klar betonen: Bei den Lärmgrenzwerten, die wir zugrunde gelegt haben, haben wir Grenzwerte, die eindeutig unter jeglicher Schwelle von gesundheitlicher Beeinträchtigung liegen. Das sei ganz klar gesagt. Dass es für Anwohner lästig ist, vor allen Dingen, wenn sie 20 Meter entfernt wohnen, ist verständlich. Es trifft 10 oder 20 Leute. Aber die Nutzung betrifft Hunderte. Wenn wir davon ausgehen, dass der Sport nicht nur eine soziale, sondern auch eine gesundheitliche Funktion hat, dann ist die Abwägung klar und die zusätzliche Belastung ist gering, vertretbar und richtig. Sie trifft niemanden übermäßig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Stichwort „Altanlagenbonus“. Wir haben in der Vergangenheit häufig Auseinandersetzungen gehabt, wenn Modernisierungen genehmigt wurden und Anwohnerbeschwerden kamen, dass jetzt mehr Sport gemacht wird – im Vergleich zu vorher, nicht über die Grenzwerte hinaus. Sportämter sind sehr schnell zu den Vereinen hingegangen, um Auseinandersetzungen oder gar juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden, und haben den Vereinen gesagt: Okay, es tut uns leid, aber ihr müsst eure Betriebszeiten einschränken. Ihr habt zwar einen schönen Platz, aber ihr könnt ihn nicht mehr so intensiv nutzen wie früher. – Im Einzelfall haben sie von Vereinen sogar Aufnahmesperren verlangt, weil die Mitglieder nicht mehr ausreichend Zeit für die Sportausübung haben.

All das hat dazu geführt, dass wir Konflikte hatten, die wir mit dieser Sportanlagenlärmschutzverordnung deutlich verkleinern werden. Wir werden sie deutlich verkleinern, indem wir Rechtsklarheit schaffen. Es gibt einen Katalog, der an diese Verordnung angehängt ist, und er ist sehr vernünftig. Er gibt nämlich den entscheidenden Stellen, sprich: den Sportämtern, aber letztlich auch den Ämtern, die für Wohnungsbau oder Ähnliches zuständig sind, ein Kriterium an die Hand, wann sie davon ausgehen können, dass der Betrieb der Anlage unbeeinträchtigt weitergeführt werden kann. Diese Liste ist in der Sache vernünftig. Sie definiert ganz einfach, was geht und was nicht geht.

Sie haben eben in Ihrem Beitrag gesagt, man sollte vielleicht den Lärm des an- und abfahrenden Verkehrs aus der Berechnung herausnehmen, um noch mehr Möglichkeiten zu schaffen. Dann frage ich: Ist das der Kern der Sportausübung auf Sportanlagen? Wir machen das doch gerade, damit wir eine wohnortnahe Versorgung im Sport beibehalten können und nicht genötigt werden, die Sportanlagen an den Stadtrand oder vor die Tore der Stadt zu verlegen; wir wollen sie in Wohnortnähe behalten. Wenn es schon wohnortnah ist und wenn es schon um Sport geht, dann ist die Frage, ob man da unbedingt mit einem Auto, mit einem lauten Knatterton hinfahren muss oder ob man nicht auch Jogging, was man sonst noch mal extra macht, bei solch einer Gelegenheit machen kann oder sich aufs Fahrrad schwingen kann,

(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Das ist praxisfremd!)

um diesen vermeidbaren Lärm mit Rücksicht auf Nachbarn tatsächlich zu unterlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das wäre meiner Ansicht nach ein Beitrag zum Ausgleich von Konflikten, die natürlich immer wieder mal auftreten können.

Alles in allem – die Würdigung –: Es hat lange gedauert, über ein Jahr. Wir haben die urbanen Gebiete einbezogen – sie mussten erst im Baugesetzbuch untergebracht werden. Wir sorgen jetzt für eine Spreizung zwischen 45 dB(A) in Kurgebieten bis hin zu 65 dB(A) in Gewerbegebieten und damit für eine hohe Differenzierung abhängig von der umgebenden Nutzung. Wir haben mit dem Altanlagenbonus eine klare Aussage getroffen.

Sie sagen, wir brauchten eine bessere rechtliche Absicherung für Anlagen, die bis 2017 genehmigt worden sind. Wir haben den Altanlagenbonus an eine Genehmigung vor 1991 gebunden, weil dies eine rechtliche Notwendigkeit war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Genehmigungsbehörde sagt: Das gilt dann aber nur für die Anlagen, die vor 1991 genehmigt wurden, und wenn eine Anlage, die 1994 oder 2005 gebaut wurde, jetzt einen Kunstrasenplatz bekommt, dann müssen wir ein neues Genehmigungsverfahren durchführen und die Lärmgrenzwerte neu berechnen. – Das ist absurd, und ist auch weltfremd. Diese Verfahren werden dann analog angewandt. Wenn Sie sagen, die Regelung müsse für bis 2017 genehmigte Anlagen gelten, dann sage ich: Lassen wir das doch offen. Wer weiß, wie sich das weiterentwickelt! Wir müssen ja nicht ständig daran herumschrauben. Die Regelung ist meiner Ansicht nach absolut eindeutig.

Ich sage noch einmal: Wir haben eine rundum abgewogene Verordnung, einen Interessenausgleich zwischen den Anliegern und den Sporttreibenden. Es gibt aus meiner Sicht Gesetze oder Regelungen, die in der Großen Koalition schwieriger zustande gekommen

(Lachen der Abg. Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und eher die Interessen der einen oder der anderen erfüllt haben. Bei dieser Verordnung sage ich guten Gewissens: Es ist absolut das Beste, was möglich war. Deswegen bitte ich um Zustimmung. Ich freue mich, dass Sie sich wenigstens enthalten und nicht dagegen stimmen. Ein bisschen mehr Zustimmung,

(Ulli Nissen [SPD]: Genau! Wirb doch mal für uns!)

ein bisschen mehr Freude und mehr Unterstützung des Sports würde ich mir schon wünschen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Also gehen Sie noch mal in sich. Sie haben noch ein paar Reden lang Zeit, darüber nachzudenken.

(Ulli Nissen [SPD]: Guter Vorschlag!)

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Peter Meiwald hat jetzt die Chance, dazu für Bündnis 90/Die Grünen Stellung zu nehmen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7064170
Wahlperiode 18
Sitzung 215
Tagesordnungspunkt Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung
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