Erwin RüddelCDU/CSU - Ausbildung und Arbeit in der Pflege
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die beiden vorliegenden Anträge enthalten Vorschläge, die ich mit Interesse zur Kenntnis genommen habe und die sicherlich im weiteren Meinungsbildungsprozess hier im Haus eine wichtige Rolle spielen werden. Es wäre gut, wenn wir zu einer Reform der Pflegeausbildung kommen würden, zu einer Lösung, die hier im Hause auf weitgehende Zustimmung treffen würde.
Aus meiner Sicht geht es zentral um den richtigen Weg, um zwei Ziele zusammenzubringen: bessere Bezahlung in der Pflege und mehr Pflegefachkräfte. Beides würde den Beruf attraktiver machen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Mit den Pflegestärkungsgesetzen I und III haben wir bereits die Grundlage dafür geschaffen, dass in der Altenpflege Tariflohn zum Standard werden kann.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles andere war ja wohl unterirdisch in der letzten Wahlperiode!)
Deshalb wehre ich mich mit Entschiedenheit gegen den Vorwurf, den Skeptikern in Sachen Generalistik gehe es darum, die Löhne in der Pflege zu drücken. Das Gegenteil ist der Fall. Wie unsinnig der Vorwurf ist, zeigt sich im Übrigen daran, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber in seltener Eintracht zu den Kritikern der dreijährigen generalistischen Ausbildung gehören.
Meine Damen und Herren, es könnte sein, dass es für eine Reform in dieser Legislaturperiode schon zu spät ist,
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre aber schlecht!)
zumal es mit einem Gesetz nicht getan ist; denn wir brauchen zusätzlich ausreichend Zeit, um die Verordnung zu den Ausbildungsinhalten sorgfältig zu prüfen. Das ist unverzichtbar. Gleichwohl begrüße ich ausdrücklich, dass in den letzten Wochen endlich Bewegung in die Sache gekommen ist.
(Petra Crone [SPD]: Wo denn? Haben Sie einen Vorschlag gemacht?)
Ich hätte mir diese Bewegung allerdings wesentlich früher gewünscht.
Zu verantworten haben die aktuellen Probleme indes diejenigen, welche die bereits vor etlichen Monaten vorgebrachten Bedenken offenbar nicht ernst genommen haben.
(Zuruf von der SPD: Bitte?)
Die Skeptiker in Sachen Generalistik haben schon vor vielen Monaten zielführende und kreative Kompromissvorschläge gemacht. Aber all diese Vorschläge wurden von den Verfechtern der dreijährigen generalistischen Ausbildung oft schroff abgelehnt. Deren Modell hat sich allerdings bisher in der Praxis in keiner Weise bewährt.
(Hilde Mattheis [SPD]: Es ist schon verkehrte Welt, Herr Rüddel, dass wir hier Ihren Minister verteidigen müssen!)
Genau das ist der Kern des Problems. Viele Praktiker haben unverändert die Sorge, dass die Besonderheiten der Kinderkrankenpflege und der Altenpflege zu kurz kommen. Deshalb hat zum Beispiel GKV-Vorstand Gernot Kiefer vorgeschlagen, eine Zeit lang mehrere Ausbildungswege zuzulassen. Frau Müller hat einen ähnlichen Vorschlag gemacht.
Herr Kollege, ich darf Sie einmal unterbrechen. Die Frau Kollegin Baehrens würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es noch interessant! Koalitionskino!)
Ja, gern.
Bitte schön.
Herr Abgeordneter Rüddel, herzlichen Dank dafür, dass ich eine Zwischenfrage stellen darf. – Ist Ihnen in Erinnerung, dass der Gesetzentwurf, der im Mai des vergangenen Jahres von einem CDU-Gesundheitsminister und einer SPD-Familienministerin vorgelegt worden ist, auf den Eckpunkten basiert, die in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe aufgrund von jahrelanger Vorarbeit von Praktikern erarbeitet worden sind und in der sich die Bundesländer gemeinsam mit diesen beiden Ministerien auf ein gemeinsames Konzept verständigt haben? Sie haben sich auch deshalb untereinander verständigt, weil die Altenpflegeausbildung in der Verantwortung der Länder liegt. Das heißt, die Länder müssen einem solchen Gesetz zustimmen. Ist Ihnen bewusst, dass Sie mit den Interventionen, die Sie seit Monaten vornehmen, ein Gesetzgebungsvorhaben aufhalten, das in enger Kooperation zwischen den 16 Bundesländern und zwei Bundesministerien entwickelt worden ist?
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich glaube, Frau Kollegin, wir hier sind der Gesetzgeber und verantwortlich dafür, wie die Ausbildungsreform umgesetzt wird.
(Mechthild Rawert [SPD]: Deswegen ärgert die das ja auch so!)
Einem ehemaligen Vorsitzenden Ihrer Fraktion wird ja die Aussage zugeschrieben, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es in den Bundestag hineingekommen ist.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist das Struck’sche Gesetz! – Hilde Mattheis [SPD]: Schwache Antwort, Herr Rüddel!)
Ich denke, wir versuchen, diesen Gesetzentwurf weiter zu optimieren, weil wir zwei Ziele erreichen wollen. Das erste Ziel ist eine gute Bezahlung. Das zweite Ziel ist, nach der Reform mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen als zuvor.
Das Gesetz sollte aber zum Beispiel nicht dazu führen, dass Hauptschüler in diesem Beruf keinen Abschluss mehr machen können.
(Hilde Mattheis [SPD]: Das ist ja nicht richtig! – Petra Crone [SPD]: Das stimmt nicht! Das steht so nicht drin! – Weiterer Zuruf von der SPD: Tut es ja nicht!)
Wir reden immer darüber, dass in 40 Modellversuchen eine generalistische Ausbildung erprobt wurde.
(Hilde Mattheis [SPD]: Ich lade Sie ein nach Stuttgart!)
Der derzeit vorliegende Gesetzentwurf entspricht keinem dieser 40 Modellversuche. Alle diese 40 Modellversuche hatten Auswahlverfahren als Basis – so wurden etwa Schüler in einem Assessment-Center ausgesucht – oder sahen eine längere Ausbildungszeit von dreieinhalb Jahren vor. Nur 24 Schüler in diesen 40 Modellversuchen hatten einen Hauptschulhintergrund. Deshalb sollten wir uns Gedanken machen, wie wir zu einer guten Lösung kommen.
(Mechthild Rawert [SPD]: Zehn Jahre!)
Ich denke, wir sind auf einem guten Weg und werden eine Lösung finden,
(Zuruf von der SPD: Weshalb wollen es die privaten Anbieter nicht, Herr Rüddel?)
wenn die Familienministerin akzeptiert, dass das Parlament seine Ideen in Gesetzentwürfe einbringen kann.
(Mechthild Rawert [SPD]: Ich finde meine Ideen auch total toll!)
Das Selbstbewusstsein sollten wir hier im Parlament haben und nach außen tragen. Wir sind von den Bürgern gewählt worden, um ordentliche Gesetze zu machen. Es kann nicht sein, dass uns verboten wird, Änderungsanträge zu einem Gesetzentwurf einzubringen. Ich denke, Sie sollten noch einmal mit Ihrer Ministerin reden.
(Zurufe von der SPD)
Dann werden wir in den nächsten Wochen sicherlich einen sehr vernünftigen Kompromiss finden.
Ich habe zusammen mit Kollegen auf jeden Fall schon vor vielen Monaten Vorschläge zur integrierten Ausbildung gemacht,
(Hilde Mattheis [SPD]: Keinen Pieps haben Sie gesagt!)
die vorsehen, dass grundsätzlich zwei Jahre lang generalistisch ausgebildet wird und dass dann im dritten Jahr spezialisiertes Lernen im Vordergrund steht. Mittlerweile sind verschiedene Vorschläge gemacht worden. Ich bin der Meinung, dass wir den verschiedenen Wegen Zeit geben sollten, sich zu bewähren. Anschließend können wir entscheiden, welcher Weg der richtige ist.
Ich plädiere für einen evolutionären Wandel, nicht für eine Revolution. Ich glaube, wir brauchen die Fachlichkeit und müssen dafür sorgen, dass die Identitäten der drei Pflegeberufe erhalten bleiben. Man muss sich da wiederfinden.
(Mechthild Rawert [SPD]: Wir wollen einen Beruf! Wir wollen eine Identität!)
Vielen Dank, Herr Kollege Rüddel. Ich plädiere jetzt dafür, dass der letzte Satz gesprochen wird.
Dann werde ich das tun. – Wichtig ist mir: Wer heute einen Abschluss in einem der drei Pflegeberufe schafft, muss das mindestens auch in dem neuen System schaffen,
(Hilde Mattheis [SPD]: Das ist eine Diskriminierung der Hauptschüler!)
sonst werden wir die Herausforderungen, vor die uns die Pflege in den nächsten Jahren stellt, nicht bewältigen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Jetzt hat die Kollegin Petra Crone für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7064675 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 215 |
Tagesordnungspunkt | Ausbildung und Arbeit in der Pflege |