27.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 216 / Tagesordnungspunkt 28

Matthias SchmidtSPD - Verbesserung der Videoüberwachung

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Prägnantes Merkmal unserer Arbeit ist das Abwägen – das Abwägen verschiedener Individual­interessen, um das Gemeinwohlinteresse herauszufiltern und sie zu einem Kompromiss zu bündeln.

Sie, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Tribünen, sehen heute hierfür ein sehr gutes Beispiel: die verschiedenen Argumente für und gegen die Videoüberwachung und das Abwägen von uns Parlamentariern. Auslöser der Debatte sind drei furchtbare Anschläge im Juli letzten Jahres in Bayern: der Axtangriff in Würzburg, der Sprengstoffanschlag in Ansbach und der Amoklauf im Einkaufszentrum in München. Aber eine dramatische Steigerung hat diese Debatte am 19. Dezember 2016 hier in Berlin mit dem Attentat auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz erfahren. Zeitgleich mit dem Anschlag auf den Breitscheidplatz gab es zwei weitere abscheuliche Verbrechen in Berlin, die mittels Videotechnik relativ schnell aufgeklärt wurden. Der erste Vorfall: Ein Mann hatte auf dem U-Bahnhof Hermannstraße eine Frau getreten, die daraufhin die Treppe herunterstürzte und sich schwer verletzte. Der andere Vorfall ereignete sich auf dem U-Bahnhof Schönleinstraße, wo ein Obdachloser angezündet wurde.

In diesem Zusammenhang hat mir ein Bürger, den ich sehr schätze, eine E-Mail geschrieben. Der Kernsatz lautete: Gegen Videoüberwachung kann doch wirklich niemand etwas haben. – In diesem Kernsatz war der verzweifelte Ruf nach einem Gegenargument enthalten. Er wollte nicht, dass es eine flächendeckende Videoüberwachung gibt, sondern wollte hören, dass wir dies sehr wohl abwägen. Ja, Sie erleben es auch in dieser Debatte: Wir Abgeordneten wägen die Argumente sehr intensiv ab.

Selbstverständlich birgt jede Überwachung auch die Möglichkeit des Missbrauchs. Eine Lehrerin hat mir kürzlich erzählt: Sie hatte einen schweren Fahrradunfall. Der Klassiker, beim Rechtsabbiegen hat sie ein Lkw erwischt. Nach langem Krankenhausaufenthalt ist sie zum Glück gesundet. Jetzt aber geht die juristische Debatte los, ob sie an dem Unfall eine Teilschuld hat oder nicht. Der Vater einer ihrer Schüler ist Polizist. Er hat sie eines Morgens begrüßt mit der Aussage, er habe einmal in ihre Akte geschaut, das sei ja wirklich ein furchtbarer Vorgang. – Daran sieht man: Es gibt immer Missbrauchsmöglichkeiten. Wir müssen sehr gut aufpassen, dass sie nicht genutzt werden.

Berlin – wir haben die Beispiele gehört – ist im Grunde gut aufgestellt. Die Vorfälle in der U-Bahn in Berlin wurden aufgeklärt; das ist positiv. Die Gesetzeslage ist nicht so schlecht, dass keine Aufklärung erfolgen konnte. Insgesamt gibt es in Berlin 15 000 Videokameras im öffentlichen Raum, die meisten davon im öffentlichen Personennahverkehr. Interessanterweise gibt es sie so gut wie gar nicht bei der S-Bahn. Dort gibt es zwar auf den Bahnsteigen ein paar Kameras; diese zielen aber eher auf die Türen, um Abfertiger einzusparen. In den Zügen der S-Bahn gibt es die Videoüberwachung noch gar nicht. Sie wird es mit der neuen Baureihe geben, die in vier Jahren eingeführt wird. Bei der U-Bahn hingegen gibt es die Videoüberwachung schon flächendeckend.

Die Videokameras bei der U-Bahn führen mich zu einem weiteren Gedanken. Videotechnik ist – auch im übertragenen Sinne – nicht nur schwarz-weiß. Man kann nicht sagen: Mit Videotechnik ist es gut, ohne Videotechnik ist es schlecht. Ganz wichtige Fragen, die hier bisher kaum diskutiert wurden, sind: Wie gehen wir anschließend mit den Aufnahmen um? Wie ist es um die Eingriffs­tiefe in die Grundrechte tatsächlich bestellt? – Es macht einen großen Unterschied, ob die Bilder live in einem Kontrollzentrum von Polizisten oder elektronisch ausgewertet werden oder ob sie, wie in der U-Bahn üblich, 48 Stunden gespeichert werden, um sie nutzen zu können, wenn eine Straftat begangen worden ist. Die Bilder in der U-Bahn, die nur gespeichert werden, werden sofort in die Leitzentrale geschaltet, wenn ein Notrufknopf gedrückt wird. Sie sehen, es gibt sehr viele Schattierungen. Wir müssen sehr intensiv miteinander um eine Lösung ringen.

Die Gesetze, die wir hier im Bundestag formulieren, müssen sich stets in der Realität bewähren. Trauriger Anlass sind hier die verübten Attentate. Mit den jetzt vorgelegten Gesetzentwürfen der Bundesregierung haben wir eine sehr gute Diskussionsgrundlage für unsere Ausschussberatungen. Ich wünsche uns allen eine saubere Abwägung im wohlverstandenen Gemeinwohlinteresse.

Vielen herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zum Abschluss dieser Aussprache hat der Kollege Marian Wendt für die CDU/CSU das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7064779
Wahlperiode 18
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Verbesserung der Videoüberwachung
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