Heribert HirteCDU/CSU - CETA-Abkommen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer! Auch von mir – wenn sie noch da wäre, würde ich es ihr persönlich sagen – herzliche Glückwünsche an die neue Bundeswirtschaftsministerin! Es freut mich ganz besonders, dass wir mit ihr eine Juristin haben, die sich, wenn es um einen solch juristischen Text und ein solch juristisches Thema geht, auskennt. Sie hat ja eben schon die wesentlichen Punkte angesprochen.
Wir beraten hier über Ihren Antrag „Ein“ – ich sage gleich: angeblich – „europa- und verfassungswidriges CETA-Abkommen verhindern“. Ehrlich gesagt, der Antrag ist eine Dreistigkeit.
(Zurufe von der LINKEN: Oh!)
Denn Sie sind mit dem Versuch gescheitert, mit einer einstweiligen Anordnung vor dem Bundesverfassungsgericht die Zustimmung der Bundesregierung zur einstweiligen Inkraftsetzung dieses Abkommens zu verhindern. Sie sind nicht nur einmal gescheitert, Sie sind zweimal gescheitert; denn natürlich hat die Bundesregierung – das war dann der zweite Antrag – die Maßgaben, die es vor einer Zustimmung von Bundeswirtschaftsminister Gabriel im Ministerrat für nötig gehalten hat, korrekt umgesetzt.
Jetzt ziehen Sie einen der Punkte, mit denen Sie schon in Karlsruhe gescheitert sind, erneut aus der Tasche, weil der Juristische Dienst des Europäischen Parlaments eine von der Auffassung der deutschen Bundesregierung abweichende Auffassung vertritt. Es geht um die Frage, ob die Bundesregierung in dem – erst einmal völlig unwahrscheinlichen – Fall, dass das Bundesverfassungsgericht das Abkommen endgültig als verfassungswidrig ansehen sollte, einseitig kündigen kann. Das sei, so der Juristische Dienst, nicht möglich.
Lieber Kollege, es tut wirklich not, sich einmal anzusehen, was das Bundesverfassungsgericht dazu gesagt hat. Genau damit – wir haben es ansatzweise schon mehrfach gehört – hat sich das Bundesverfassungsgericht in seiner zweiten Entscheidung auseinandergesetzt und gesagt:
Die Bundesregierung hat diese Erklärung durch die beiden Schreiben des Ständigen Vertreters … an den Generalsekretär des Rates sowie den Ständigen Vertreter Kanadas … in völkerrechtlich erheblicher Weise abgegeben und notifiziert. Etwaige Zweifel an der Bedeutung dieser Erklärung werden jedenfalls dadurch ausgeräumt, dass die Schreiben des Ständigen Vertreters der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union zur Erläuterung der darin erhaltenen Erklärung auf das Urteil des Senats
– des Bundesverfassungsgerichts –
... verweisen, das hinsichtlich der Erforderlichkeit, die vorläufige Anwendung ... beenden zu können, eindeutig ist.
So steht es in Randnummer 32.
(Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)
Herr Dr. Hirte, erlauben Sie eine Frage?
Er redet die ganze Zeit. Jetzt möchte ich zu Ende reden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])
Jetzt könnte man natürlich sagen: zwei Juristen, drei Meinungen.
(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Fünf!)
Das stimmt hier nicht. Denn wenn tatsächlich der Fall eintreten sollte, dass das Abkommen vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig qualifiziert würde, Deutschland einseitig kündigen würde, die EU das nicht bestätigen würde und dann auch noch der Europäische Gerichtshof die abweichende Auffassung der EU bestätigen würde, wäre die Lage nach unserem Verfassungsrecht völlig eindeutig; denn wir hätten es mit einem ausbrechenden Rechtsakt zu tun, der von uns nicht zu beachten wäre. Sie bauen hier einen Popanz auf, den es rechtlich nicht gibt, und das, finde ich, ist ein Unding.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich empfehle Ihnen – ich habe es Ihnen vorgelesen –: Sie sollten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts lesen – wir tun das –, statt hier Zirkusvorführungen zu machen.
(Lachen der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Vor allen Dingen: Führen Sie die Menschen nicht in die Irre!
Eine Zwischenbemerkung an die Kollegin Dröge: Sie fragen nach der Diskussion vor dem Bundesverfassungsgericht und sagen, es fehle die Rückbindung der Ausschüsse an unsere Parlamente. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der mündlichen Verhandlung ausführlich – wir waren gemeinsam da – mit dieser Frage befasst und gesagt: Ja, Abkommen werden weiterentwickelt; denn Texte entwickeln sich weiter. Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat genau zu diesem Punkt gesagt: Auch wir als Richter sagen später etwas anderes, als man sich irgendwann einmal in der Historie dazu gedacht haben könnte. – Auch das ist Irreführung.
(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist absoluter Unsinn!)
Der zweite Punkt – EUZBBG: Wir werden in den Ausschüssen bei allen Fragen beteiligt. Das ist schon jetzt so. Es besteht keinerlei Handlungsbedarf auf der Seite des nationalen Verfassungsrechts. Auch das ist schlicht falsch.
(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist einfach die Unwahrheit!)
Dann kommen Sie mit der Frage: Warum wurde das nicht alles vorab mit dem EuGH geklärt? Klar, man kann viele Fragen mit den Gerichten klären. Der entscheidende Punkt ist aber: Was sich darin eigentlich offenbart, ist ein falsches Demokratieverständnis; denn die Gerichte kommen doch erst zum Zuge, wenn wir hier entschieden haben, und Sie haben eben schon gehört – Herr Westphal war es, glaube ich, der es sagte –, Sie hätten doch einen entsprechenden Antrag mit Ihren Freunden im Europäischen Parlament einbringen können. Das haben Sie nicht gemacht. Sie fördern mit solchen Anträgen das Demokratiedefizit, das Sie angeblich beseitigen wollen. Denn wir, die Deutschen, wollen mit Mehrheit Freihandel, weil wir davon leben, und wir haben über diese Frage x-mal – auch das haben wir mehrfach gehört – beraten und entschieden. Diese Mehrheitsentscheidung wollen Sie konterkarieren.
Im Übrigen wollen Sie, dass der Europäische Gerichtshof angerufen wird. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts akzeptieren Sie nicht. Würden Sie denn die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs akzeptieren? Auch nicht! Ihnen geht es nicht um die Sache.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich kann nur sagen: Die Mehrheit der Bürger unseres Landes und die Mehrheit der Bürger der Europäischen Union möchten eine starke Europäische Union, eine starke, auf Wettbewerb und Freiheit gegründete Gemeinschaft. Das ist das, was Sie zerstören.
(Zurufe von Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Oh!)
Deshalb bin ich, ehrlich gesagt, erschrocken, als ich gesehen habe – das muss man am Rande hier einführen –, dass dem englischen Parlament gestern ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, mit dem der britischen Regierung die Erlaubnis zur Stellung des EU-Austrittsantrages eingeräumt werden soll, der gerade einmal zwei Sätze umfasst. Wenn wir eine öffentliche Diskussion brauchen, stellt sich die Frage, ob eine solche Basis für das englische Parlament reicht. Wenn wir eine inhaltliche öffentliche Diskussion brauchen, dann ist es nicht die öffentliche Diskussion über Freihandel, sondern über die Kosten des Protektionismus. Das können Sie Ihren englischen Kollegen gerne zurufen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Schlimme ist: Mit solchen Anträgen fördern Sie die Enttäuschung über die Politik und das Misstrauen. Wenn wir es nicht mit Kanada hinbekommen – Frau Höhn hat gerade selber gesagt: Kanada ist ein guter Partner für uns –: Mit wem sonst bekommen wir Freihandel hin? Vielleicht mit Nordkorea? Ist das Ihre Vorstellung? Lieber Herr Ernst, wir haben öfter über diese Frage diskutiert.
(Lachen bei der LINKEN – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Jetzt wird das Niveau aber unterirdisch!)
– Wir kommen weiter nach oben. Bei Ihnen ist es unterirdisch.
Ich zitiere jetzt Sie vom 27. Februar 2015. Sie sagten:
Ich möchte das Thema, bei dem ich vorhin war, noch einmal aufgreifen, weil das wirklich sehr wichtig ist. Entstehen in Deutschland und in Europa wirklich Riesenprobleme, wenn wir bei diesem Abkommen
– gemeint war TTIP –
nicht dabei sind? Ich glaube das nicht. Wir werden weiter nach Amerika liefern, weil unsere Produkte dort auch dann verkauft werden, wenn die Standards bei uns höher sind, und wir werden weiterhin Produkte von anderen kaufen ... Auf keinen Fall wird ein Arbeitsplatz in Deutschland gefährdet, wenn wir uns hier nicht beteiligen.
Heute wissen wir: Genau das ist mit Ihrer Blockadepolitik gegenüber dem Abkommen in Gefahr. Wir hätten deshalb besser gestern als erst irgendwann in ferner Zukunft die entsprechenden Abkommen geschlossen. Dann hätten wir etwas für die freie Wirtschaft und die freie Welt getan. Das versuchen Sie zu verhindern.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist naiv, zu glauben, dass wir von unseren Standards als gegeben ausgehen können und dass es nicht auch Regierungen in der Welt gibt, die über Rückentwicklungen nachdenken. Mit dieser Begründung Freihandel zu torpedieren, bringt alle diese Grundwerte, die uns einigen, in Gefahr.
Daher liegt Armin Laschet gar nicht so verkehrt, wenn er sagt:
Zehntausende linke und rechte TTIP-Gegner haben ihren Wunschpräsidenten.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Übel! Übel!)
Mit Ihrem Antrag machen Sie Werbung für den Protektionismus von Donald Trump. Wir machen das nicht mit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Danke schön, Dr. Heribert Hirte. – Bevor Frau Tausend das Wort hat, hat der Kollege Ernst das Wort zu einer Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7064818 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 216 |
Tagesordnungspunkt | CETA-Abkommen |