27.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 216 / Tagesordnungspunkt 29

Claudia TausendSPD - CETA-Abkommen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Manchmal hilft es, darauf zu schauen, woher man kommt, um zu wissen, wohin man will. – Ich möchte Sie einladen, diesen Weg für die nächsten fünf Minuten konzentriert mit mir zu gehen.

Lassen Sie mich einen Blick zurück auf die Anfangszeit dieser Diskussion werfen, nämlich auf den Winter 2013/2014. Damals wurden die beiden transatlantischen Handelsabkommen TTIP und CETA erstmals in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Auch hier im Deutschen Bundestag haben wir uns seitdem mit den Abkommen intensiv und kritisch auseinandergesetzt.

Es ist richtig: Es gab auf jeden Fall ein beklagenswertes Demokratie- und Transparenzdefizit. Verhandlungen wurden in der europäischen Handelspolitik bisher hinter verschlossenen Türen geführt. Auch wir als Abgeordnete waren ungenügend eingebunden. Es gab private Schiedsgerichte, bei denen internationale Anwälte, die sonst für Großkonzerne arbeiten, über Milliardenentschädigungen von Unternehmen entscheiden sollten. Es gab schwammige Formulierungen, die nicht sicherstellten, dass Sozial-, Umwelt- oder Arbeitnehmerstandards ausreichend geschützt sind. Es gab Klauseln, die es hätten ermöglichen können, Bereiche der Daseinsvorsorge zu privatisieren. Es gab also sehr wohl Dinge, mit denen wir uns intensiv auseinandersetzen mussten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken und der Grünen, keine Partei hat sich so intensiv mit beiden Abkommen – zunächst mit TTIP, das im Blickpunkt der Öffentlichkeit stand, aber später auch mit CETA – auseinandergesetzt wie die bundesdeutsche Sozialdemokratie.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt witzig!)

Ich glaube, wir waren die einzige Partei, die zwei Themenparteitage – bei uns werden sie „Parteikonvente“ genannt – veranstaltet hat und sich gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und den Gewerkschaften, aber auch mit der neuen kanadischen sozialliberalen Regierung und Cecilia Malmström intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Wir haben vieles durchgesetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Kollegin Höhn, ich hätte eine Synopse

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die habe ich auch! Das machen wir!)

unserer Parteikonventbeschlüsse und der Umsetzungen vonseiten der Europapolitiker im Angebot. Gerne könnte ich das eine oder andere zitieren, wenn Sie eine Nachfrage haben.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch mal!)

Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie: Vergleichen Sie ernsthaft die Situation 2013 mit der 2017! Wir haben jetzt ein CETA, das zum ersten Mal mit den privaten Schiedsgerichten bricht. ISDS gibt es so nicht mehr. Stattdessen werden wir einen multilateralen Handelsgerichtshof schaffen – mit ordentlichen Richtern, Berufungsinstanz und transparenten Verhandlungen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht in CETA! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht! Der Handelsgerichtshof kommt doch gar nicht mit CETA!)

Das ist ein außerordentlicher Erfolg unseres mittlerweile ehemaligen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel,

(Beifall bei der SPD)

der sich zusammen mit den sozialdemokratischen Amtskollegen und der Zivilgesellschaft gegen alle Widerstände durchgesetzt hat.

Wir haben durchgesetzt, dass die Daseinsvorsorge umfassend geschützt ist. Wir können Unternehmen der öffentlichen Hand und Dienstleistungen ohne Einschränkungen wieder rekommunalisieren. Kanada hat zugesagt, die letzte der acht ILO-Kernarbeitsnormen – sieben sind bereits ratifiziert – demnächst zu ratifizieren. Das sind große Erfolge.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU])

Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, das anzuerkennen. Es sind unsere Erfolge, die Erfolge der Zivilgesellschaft, der Nichtregierungsorganisationen, der Verbände und der Gewerkschaften. Aber schlussendlich sind es auch Ihre Erfolge. Sie haben oft den Finger in die Wunde gelegt. Wir haben uns intensiv damit auseinandergesetzt und sehr viele Kritikpunkte aufgegriffen. Wir haben jetzt ein sehr gutes Abkommen und übrigens ein Modell für weitere Handelsabkommen. Cecilia Malmström hat zugesagt, künftig alle Verhandlungsmandate für Handelsabkommen sofort zu veröffentlichen, sofort in die nationalen Parlamente einzubringen und alle Dokumente ins Netz einzustellen. Das ist ein großer Erfolg. Ich bitte Sie, das anzuerkennen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben daran gearbeitet, der Globalisierung faire Regeln zu geben und die internationale Handelspolitik weiterzuentwickeln. Die handelspolitische Weltordnung war – ich blicke noch einmal auf den Winter 2013/14 zurück – stabil. Wir hätten das Endergebnis vielleicht ablehnen müssen, wenn wir diesen guten Weg nicht hätten gehen können. Aber heute – das ist mehrfach angeklungen – hat sich die bisher als sicher erachtete Grundordnung des Welthandels eklatant verändert. Wir haben es mit einem amerikanischen Präsidenten zu tun, der China einen Handelskrieg androht und der Unternehmer mit Strafzöllen belegen will, wenn sie nicht in den USA produzieren wollen. Selbst deutsche Unternehmen wie BMW sind nicht ausgenommen. Donald Trump hat angekündigt, aus der WTO auszutreten. Damit müssen wir uns auseinandersetzen. Das wäre das Ende des freien Welthandels. Das wäre die Rückkehr zum Protektionismus und zum Recht des Stärkeren. Das kann doch niemand von uns wirklich wollen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Gerade deshalb muss Europa jetzt in diesen Zeiten handlungsfähig sein. CETA kann ein Impuls für das Welthandelssystem sein; es kann ein Vorbild sein. Es bietet mittel- und langfristig die Möglichkeit für weitere faire Handelsabkommen, die auch den Partnerstaaten nutzen.

Zum Antrag der Linken. Wir müssen uns jetzt entscheiden, Herr Kollege Ernst: Wollen wir das protektionistische Modell Trump zulassen? Wollen wir der Handelsmacht China die Führung überlassen, oder wollen wir die Globalisierung mit europäischen Werten prägen? In Ihrem Antrag geht es um pure Verzögerung. Wir wissen: Ein Rechtsgutachten des Europäischen Gerichtshofs, wie von Ihnen gefordert, würde zwei, drei Jahre in Anspruch nehmen. So lange wären die parlamentarischen Verhandlungen gestoppt.

Der Juristische Dienst – das kam ja auch im Beitrag von Ihnen vor – hat die Zusatzabkommen noch einmal geprüft und hat festgestellt, dass sie sowohl integraler Bestandteil von CETA als auch juristisch verbindlich sind.

Frau Kollegin.

Insofern ist es, glaube ich, in der Tat nicht nötig, ein weiteres Rechtsgutachten einzufordern.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das gibt es aber! Wegen der Wallonen!)

Ich komme zum Schluss.

Ja, bitte.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7064827
Wahlperiode 18
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt CETA-Abkommen
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