Barbara Hendricks - Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Städte erleben seit Jahren eine Renaissance, weil das Leben in den Städten und Ballungsräumen für viele und aus ganz unterschiedlichen Gründen immer attraktiver geworden ist. Wie bei den meisten Veränderungen haben wir es dabei mit Chancen, aber auch mit Herausforderungen oder gar Problemen zu tun. Deshalb ist die Politik aufgerufen, ein gutes Zusammenleben der Menschen zu ermöglichen und den sozialen Zusammenhalt in den Kommunen und Quartieren zu stärken.
An erster Stelle steht eine so von uns vor einigen Jahren nicht erwartete Binnenwanderung unserer Bürgerinnen und Bürger. Es folgt der Zuzug von Menschen aus Europa, und hinzugekommen sind die zu uns Geflüchteten, die vor Ort integriert werden wollen und müssen. Weil die Bundesregierung diese Herausforderungen ernst nimmt, hat sie im November den entsprechenden Gesetzentwurf zum Maßnahmenpaket „Neues Zusammenleben in der Stadt“ beschlossen. Ein wesentlicher Baustein ist die Novelle des Bauplanungsrechts, die wir heute in erster Lesung beraten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der neuen Baugebietskategorie „Urbane Gebiete“ wollen wir den Kommunen ein Instrument an die Hand geben, mit dem sie insbesondere in innerstädtischen Gebieten eine nutzungsgemischte Stadt mit kurzen Wegen verwirklichen können. Mir geht es dabei ganz ausdrücklich darum, den Kommunen neue Spielräume zu verschaffen, und nicht etwa darum, ihnen etwas vorzuschreiben. Die Kommunen sollen die neuen Instrumente nutzen können, nicht nutzen müssen. Unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Stadträte und die Magistrate können verantwortungsvolle Entscheidungen für ihre Kommunen sehr wohl selbst treffen. Sie brauchen dafür aber natürlich auch die geeigneten Instrumente, den passenden Rahmen.
Urbane Gebiete sollen dem Wohnen dienen und gleichzeitig Gewerbebetriebe ermöglichen sowie soziale, kulturelle und andere Einrichtungen stärken. Damit lehnen wir uns bewusst an die „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ an. Eine Stadt der kurzen Wege verringert den Verkehr und kann gleichzeitig für mehr Lebendigkeit und Vielfalt im öffentlichen Raum sorgen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir wollen eine flexiblere Nutzungsmischung. Sie muss daher in Abgrenzung zum Mischgebiet ausdrücklich nicht gleichgewichtig sein. Notwendige Lärmschutzregeln sollen kleinere Gewerbebetriebe nicht verdrängen. Deshalb wollen wir in einem parallelen Verfahren auch die TA Lärm ändern. Die Immissionsrichtwerte für urbane Gebiete sollen die Mischgebietswerte um 3 Dezibel übersteigen dürfen. Über die konkrete Ausgestaltung werden wir natürlich im Gespräch bleiben. Ich glaube, dass dieser Wert für einen angemessenen Interessenausgleich sorgt und vor allem auch die nötige Flexibilität für das gewünschte Nebeneinander von Wohnen, Leben und Arbeiten ermöglicht.
Begleitend wollen wir aber hinsichtlich dieser höheren Lärmaußenwerte im Gesetz ausdrücklich festhalten, dass die Kommunen die Möglichkeit haben, passive Schallschutzmaßnahmen festzusetzen und damit die Auswirkungen für die Bewohner zu reduzieren.
(Beifall bei der SPD)
Dann könnte zum Beispiel das „Hamburger Fenster“ zum Einsatz kommen, oder es könnte Investoren vorgegeben werden, einen begrünten Lärmschutzwall zu errichten. An die Länder gerichtet betone ich hier nochmals, dass es um Möglichkeiten für Kommunen geht, mit denen diese verantwortlich umgehen können und werden. Bund und Länder sollten den Kommunen diesen zusätzlichen Spielraum nicht verweigern.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Wir können unseren Kommunen schon etwas zutrauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in urbanen Gebieten soll auch von vornherein eine höhere Dichte möglich sein. Auf gleicher Fläche kann somit mehr Raum für Wohnungen entstehen. Denn bei allen Diskussionen über Details sollten wir das große Ziel nicht aus den Augen verlieren: Wir brauchen mehr bezahlbaren Wohnraum,
(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD])
und es gibt viele Menschen, die dringend darauf angewiesen sind, dass wir dafür eben auch die richtigen Rahmenbedingungen setzen.
(Ulli Nissen [SPD]: Die Stadt Frankfurt ist dafür dankbar!)
Es geht aber bei weitem nicht nur um einen erhöhten Immissionsrichtwert. So erfordert zum Beispiel die geänderte Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung ein neues Verfahren, wenn Bauleitpläne aufgestellt werden.
Ein weiteres Thema dieses Gesetzentwurfs sind Ferienwohnungen. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Greifswald hat die Frage aufgeworfen, ob Ferienwohnungen in klassischen Baugebieten überhaupt zulässig sind. Dies hat vor allem in touristischen Regionen die Kommunen und die privaten Ferienwohnungsbetreiber verunsichert. Hier wollen wir durch Klarstellung die nötige Rechtssicherheit herstellen und zugleich den Kommunen mehr planerische Möglichkeiten geben.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetzgebungsvorhaben ist in den vergangenen Monaten bereits sehr intensiv diskutiert worden. Ich möchte Sie daher um Ihre Unterstützung bitten. Die Kommunen und die Betroffenen warten durchaus auf dieses Gesetz.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Barbara Hendricks. – Nächste Rednerin: Caren Lay für die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7064830 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 216 |
Tagesordnungspunkt | Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht |