Kai WegnerCDU/CSU - Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Städte in Deutschland sind im Kommen. Sie sind Wachstumstreiber, Zukunftslabore und für viele Menschen auch echte Sehnsuchtsorte. Bei allen Herausforderungen, die dadurch entstehen, freue ich mich als überzeugter Stadtmensch sehr über die neue Urbanität in unserem Land.
Klar ist aber zugleich, dass mit der Renaissance der Städte neue Herausforderungen einhergehen. Das Wachstum der Städte müssen wir gestalten. Deshalb ist es gut, dass wir auch im Städtebaurecht neue Antworten suchen, neue Antworten geben.
Eine zentrale Herausforderung ist in der Tat die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Es darf nicht sein, dass die Menschen in Stadtvierteln nach Einkommen getrennt leben. Das zerstört Vielfalt, das zerstört Kreativität, und es spaltet letztlich die Gesellschaft.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wollen in unseren Städten keine Pariser Verhältnisse, sondern wir wollen die gesunde Durchmischung in unseren Städten erhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Mindrup [SPD]: Dafür braucht es ein Mietenpaket II! – Caren Lay [DIE LINKE]: Mietpreisbremse!)
Um zu verhindern, dass Menschen aus ihren angestammten Wohnvierteln verdrängt werden, müssen wir der steigenden Wohnraumnachfrage auch ein steigendes Angebot an Wohnungen entgegensetzen.
Von der linken Seite war wieder das Schlagwort „Mietpreisbremse“ zu hören. Ich sage Ihnen eines: Eine Mietpreisbremse schafft keine einzige neue Wohnung im bezahlbaren Bereich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der Abg. Caren Lay [DIE LINKE] – Claudia Tausend [SPD]: Aber sicher!)
Das müssen auch Sie endlich einmal verstehen. Wenn wir mehr bezahlbaren Wohnraum sichern wollen, dann gibt es nur eine Maßnahme, liebe Kolleginnen und Kollegen: Bauen, Bauen und noch einmal Bauen!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist die einzige und richtige Maßnahme.
Ja, wir müssen bauen: für Familien, für ältere Menschen, für Singles, für Gutverdiener, aber eben auch für Geringverdiener. Jeder soll die Wohnung finden, die seinen Ansprüchen und seinen Bedürfnissen genügt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Wegner, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung?
Ja, gerne.
Gut.
Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben als Rezept für bezahlbares Wohnen die Losung „Bauen, Bauen, Bauen!“ ausgegeben. Deswegen möchte ich Sie fragen: Ist Ihnen bekannt, dass nach aktuellen Studien in den 20 größten Städten in Deutschland nur circa 10 Prozent der neu gebauten Wohnungen überhaupt im bezahlbaren Bereich liegen? „ Bezahlbar“ ist nach dem Durchschnittsverdienst definiert; wir reden dabei gar nicht über arme Menschen bzw. über Sozialwohnungen. Also: Ist Ihnen bekannt, dass nur circa 10 Prozent der neu gebauten Wohnungen für Durchschnittsverdiener bezahlbar sind? Und können Sie angesichts dieser Tatsache Ihre These, dass Bauen, Bauen, Bauen die einzige Lösung für bezahlbares Wohnen ist, noch irgendwie aufrechterhalten?
Frau Lay, das ist ja genau der Punkt. Wenn es so ist, wie Sie es beschreiben, dann hilft eine Mietpreisbremse auch nicht;
(Caren Lay [DIE LINKE]: Doch! Selbstverständlich! Ohne die Ausnahmen!)
denn dann bleibt es ja bloß bei den 10 Prozent. Deswegen sage ich noch einmal: Wir brauchen ein Bündel an Maßnahmen, um auch bezahlbaren Wohnraum sicherzustellen, und die beste Maßnahme ist in der Tat: Bauen, Bauen, Bauen.
Wir brauchen ein Mehr an Angebot. Es muss überhaupt erst einmal ein Angebot an bezahlbaren Wohnungen für die Menschen geben. Deshalb muss der Staat alles daransetzen, dass Wohnungsbaugesellschaften, aber auch private Firmen bauen können, um dieses Angebot zu vergrößern. Das ist die Antwort, die wir geben müssen, und zwar in einem Maßnahmenpaket. Es gibt keine Antwort, die für sich allein stehen kann.
Wir setzen bei der Bauplanungsrechtsnovelle an, und wir schaffen in der Tat den neuen Baugebietstypus „Urbanes Gebiet“. So ermöglichen wir eine höhere Bebauungsdichte und damit den Bau zusätzlicher Wohnungen in den urbanen Zentren. Das „Urbane Gebiet“ wird zudem die funktionale Durchmischung in unseren Städten stärken. Wir fördern ganz bewusst das Nebeneinander von Arbeiten, Wohnen und Wohlfühlen. Dabei lassen wir uns von der Erkenntnis leiten, dass gemischte Quartiere eine Stadt der kurzen Wege ermöglichen und letztlich der Garant für Lebensqualität, für Wohnzufriedenheit, für Standortbindung und für Identitätsbildung sind.
Meine Damen und Herren, es ist richtig und wichtig, über das „Urbane Gebiet“ die Innenentwicklung zu stärken. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir oftmals auch an die Grenzen von Verdichtung stoßen und Widerstand angestammter Bewohner erleben.
Nach allen Schätzungen benötigen wir in Deutschland jährlich mindestens 350 000 neue Wohnungen. Wir werden diese große Zahl von neuen Wohnungen nicht allein durch Geschossaufstockungen und das Schließen von Baulücken im Innenbereich liefern können.
Wir dürfen unsere Städte allerdings nicht so verdichten, dass man irgendwann den Himmel nicht mehr sieht. Auch in zentralen Lagen brauchen wir Freiräume, Grünflächen und Parkanlagen. Unsere Städte müssen auch in Zukunft mehr als nur Steine und Beton sein.
Uns als Union war es deshalb sehr wichtig, dass der notwendige Wohnungsneubau auf zwei Säulen ruht. Die erste Säule ist die Nachverdichtung in den Zentren. Dazu kommt aber noch eine zweite Säule, nämlich das beschleunigte Planungsverfahren im siedlungsnahen Außenbereich.
Der erleichterte Wohnungsbau am Ortsrand wird die Innenstädte entlasten und vielen Bürgern die Chance auf eine bezahlbare Wohnung eröffnen. Gerade weil ich weiß, dass es im Ministerium hier zunächst Bedenken gab, danke ich für die Bewegung in diesem Punkt. Die Regelung, die wir gefunden haben, gilt für Gebiete kleiner als 10 000 Quadratmeter und ist bis 2019 befristet. Ich denke, das ist eine sehr maßvolle Regelung, die wir gefunden haben, und dazu ein fairer Kompromiss insbesondere im Sinne der Menschen, die davon profitieren werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, auch für die Bauplanungsrechtsnovelle gilt: Kein Gesetzentwurf ist so gut, dass er nicht im parlamentarischen Verfahren weiter verbessert werden könnte. Dazu wird sicher auch die Anhörung beitragen, die wir im Ausschuss durchführen werden. Wir sollten bei der Städtebaurechtsnovelle an die gute Tradition anknüpfen, Änderungen des Baurechts in einem breiten Konsens aller Fraktionen zu beschließen. Hierzu lade ich auch ausdrücklich die Opposition ein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Einen Punkt möchte ich zudem ansprechen, der mir besonders wichtig ist und der im Regierungsentwurf noch keine Berücksichtigung gefunden hat: das Dauerwohnen in Erholungsgebieten. Derzeit haben die Kommunen keine Möglichkeit, dort dauerhaftes Wohnen zu genehmigen, obwohl die Lebensrealität vielerorts anders aussieht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Politik beginnt mit dem Betrachten der Lebenswirklichkeit. Ich kenne die prekäre Situation der Betroffenen aus eigener Anschauung. In meinem Wahlkreis in Berlin-Spandau befindet sich die Wohnsiedlung Hakenfelde. Die Bewohner dieser Wohnsiedlung leben in ständiger Furcht, aus ihren Häusern vertrieben zu werden. Ähnliche Wochenendsiedlungen gibt es im ganzen Bundesgebiet. Viele entstanden bereits in den 20er-Jahren, schon damals mit eingestreuter Dauerwohnnutzung. Wir sollten die Bauplanungsrechtsnovelle nutzen, um die rechtliche Situation der seit Jahrzehnten gelebten Praxis anzugleichen. Es ist höchste Zeit, den Bewohnerinnen und Bewohnern dieser Siedlungen endlich die Rechtssicherheit zu geben, die sie verdienen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, die deutschen Städte sind attraktiv und ziehen viele Menschen an. Dieses Wachstum wollen, dieses Wachstum werden wir gestalten. Die Städtebaurechtsnovelle ist ein weiterer Baustein für eine lebenswerte Zukunft in unseren Städten und Gemeinden. Deshalb freue ich mich auf die Beratungen im Ausschuss, hoffe, mich dann letztlich auch über ein gutes Ergebnis für die Menschen in unseren Städten freuen zu können.
Ihnen allen wünsche ich ein schönes Wochenende. Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Kai Wegner, auch für das schöne Wochenende. – Nächster Redner: Chris Kühn für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7064838 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 216 |
Tagesordnungspunkt | Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht |