27.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 216 / Tagesordnungspunkt 30

Claudia TausendSPD - Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Ich bin sehr froh, Herr Kollege Kühn, dass wir heute in erster Lesung über die Änderung wichtiger Bereiche des Baugesetzbuches beraten können. Mitte letzten Jahres – hier gebe ich Ihnen völlig recht – war durchaus nicht sicher, dass wir in dieser Legislaturperiode noch zu einem guten gemeinsamen Ergebnis kommen würden. Dabei warten gerade unsere Städte – Frau Ministerin hat darauf hingewiesen – händeringend darauf, dass das Bauen auch im innerstädtischen Bereich erleichtert wird, um den nötigen Wohnraum zügig herstellen zu können.

Wir als Bundesgesetzgeber haben zwei Stellschrauben, die wir bewegen können, um den Städten zu helfen. Wir können einerseits finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, und wir können andererseits die Mobilisierung von Bauland erleichtern. Wir haben vonseiten des Bundes den Kommunen bereits mit einer Verdreifachung der Mittel für die Förderung des sozialen Wohnraums maßgeblich geholfen. Wir haben gesehen: Erste Erfolge sind greifbar. Die Anzahl der Baugenehmigungen ist in den ersten zehn Monaten des letzten Jahres auf 340 000 angestiegen. Das ist ein Plus von 23 Prozent. Ich glaube, das ist ein erster schöner Erfolg. Heute geht es in einem zweiten Schritt darum, die Rahmenbedingungen für den Bau von Wohnungen zu verbessern und die Mobilisierung des knappen Baulands zu erleichtern.

Es wurde mehrfach angesprochen: Eine maßgebliche Rolle spielt dabei das „Urbane Gebiet“, eine neue Gebietskategorie, die wir in der Baunutzungsverordnung einführen wollen. Das „Urbane Gebiet“ soll die Gebietskategorien „Mischgebiet“ und „Allgemeines Wohngebiet“, die ja noch auf der Idee einer möglichst weit gehenden Trennung der Nutzungen fußen und einer Stadt der kurzen Wege oftmals entgegenstehen, ergänzen und durch eine flexiblere Handhabung hinsichtlich Wohnen und Gewerbe Nutzungsvielfalt und Durchmischung in den Quartieren sicherstellen, um so die schon mehrfach angesprochene Urbanität des Wohnens herzustellen.

(Beifall der Abg. Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD])

Um es jetzt ein bisschen verständlicher zu machen, schließe ich an die Ausführungen der Kollegin Lay an. Umfragen zeigen, dass mindestens jeder zweite Deutsche gerne in München leben würde –

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was? Köln ist viel schöner!)

zumindest behaupten wir Münchener das, und die Zuzugsraten deuten auch darauf hin. Aber, Kolleginnen und Kollegen, mit München gemeint sind Schwabing und die Maxvorstadt, die Isarvorstadt, die Ludwigsvorstadt und natürlich Haidhausen. Das sind die ganz dicht bebauten Gründerzeitquartiere mit einem vielfältigen und bunten Angebot an Gaststätten, kulturellen Nutzungen und Kleingewerbe direkt vor der Haustür. So kann man natürlich schon seit Jahrzehnten nicht mehr bauen; denn dieser Städtebau ist noch der Charta von Athen gefolgt.

Um nicht missverstanden zu werden: Wir wollen jetzt weder zurück in die Gründerzeit – denn die damaligen Ansprüche an Belichtung, Besonnung und Belüftung von Wohnraum und an Grün- und Freiräume im Wohnumfeld würden wahrscheinlich jedem Stadtplaner den Schweiß auf die Stirn treiben –, noch wollen wir Neubaugebiete künftig nur noch als urbane Gebiete bauen. Die Menschen haben unterschiedliche Ansprüche an ihr Wohn- und Lebensumfeld, und um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wollen wir Angebote schaffen.

Als Bundesgesetzgeber wollen wir nun den Kommunen die Möglichkeit geben, dort höher und dichter zu bauen, wo es Sinn macht, zum Beispiel – das wurde auch schon angesprochen – auf gewerblichen Brachen oder in Umstrukturierungsgebieten mit einer Gemengelage, die dann stärker in Richtung Wohnen entwickelt werden könnten –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und zwar, Kolleginnen und Kollegen, in Richtung bezahlbares Wohnen. Denn mit der Einführung der urbanen Gebiete schaffen wir neues Baurecht und können dann über städtebauliche Verträge auch sicherstellen, dass nicht nur teurer Wohnraum – wie oft bei Nachverdichtungsvorhaben nach § 34 Baugesetzbuch der Fall – entsteht, sondern auch sozial orientierter Wohnraum.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, das ist für uns zentral; denn für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist Wohnen kein Luxusgut, sondern ein Grundrecht.

Das urbane Gebiet – auch darauf wurde hingewiesen – hat eine ökologische Komponente und leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Es ermöglicht ressourcenschonendes und flächensparendes Bauen, wirkt der Zersiedelung von Landschaften und dem um sich greifenden Flächenverbrauch entgegen. Wir wollen auch künftig, Kolleginnen und Kollegen, der Innenentwicklung der Städte gegenüber der Bebauung des Außenbereichs Priorität einräumen. In diesem Sinne hoffe ich, dass vonseiten der Kommunen bei der Baulandmobilisierung vorrangig die Chance des urbanen Gebiets genutzt wird.

Wir gehen aber auch den Weg mit, einen neuen § 13b Baugesetzbuch zu schaffen, der ein beschleunigtes Bauleitplanverfahren auch für den Außenbereich vorsieht, aber nur dort, wo sich die Bauvorhaben an zusammenhängende Ortsteile anschließen, und auch das nur befristet bis zum 31. Dezember 2019. Ich hoffe und erwarte, dass die Kommunen dieses Instrument sorgfältig und behutsam und nur zur Arrondierung von Siedlungsrändern nutzen werden. Ich kenne den § 13a, der 2007 eingeführt wurde, aus der Praxis. Zumindest in meiner Heimatstadt München wurde von diesem Instrument in untergeordnetem Maße Gebrauch gemacht.

Ich glaube, zum Thema Lärmschutzmöglichkeiten ist von den Kolleginnen und Kollegen alles gesagt worden. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder gehen wir mit den Lärmemissionswerten um 3 Dezibel hoch, oder wir schaffen alternativ mit einer Neuinterpretation der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm die Möglichkeit, in Bebauungsplänen einen passiven Schallschutz vorzusehen. Ich würde mir aber auch eine Regelung in § 34 Baugesetzbuch wünschen.

Ich komme zum Schluss, Kolleginnen und Kollegen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geben wir den Kommunen wesentliche Instrumente zur Mobilisierung von Bauland an die Hand und leisten damit einen weiteren Beitrag nicht nur zur Schaffung von mehr Wohnraum, sondern vor allem auch zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin Tausend. – Nächste Rednerin: Dr. Anja Weisgerber für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7064843
Wahlperiode 18
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht
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