27.01.2017 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 216 / Tagesordnungspunkt 31

Claudia Lücking-MichelCDU/CSU - Wissenschaftskooperation mit Subsahara-Afrika

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Alle sprechen gerade von Afrika. Doch welches Bild haben Sie eigentlich vor Ihrem geistigen Auge, wenn der Name dieses Kontinents fällt? Seien wir ehrlich: Nach wie vor tragen wir hier in Deutschland nur allzu häufig ein sehr einseitiges Bild von Afrika mit uns herum. Dabei täuscht schon der Begriff als solcher eine Einheitlichkeit vor, die es so gar nicht gibt. So viele Sprachen, Religionen, Kulturen und Nationen, so viele verschiedene Wirklichkeiten werden hier zusammengefasst. Eigentlich müsste man sagen, wir brauchten nicht ein Bild, sondern eine ganze Bildergalerie vor unserem geistigen Auge. Aber in unserer Wahrnehmung überwiegen die Krisenmeldungen aus Afrika im Vergleich zu den guten Botschaften. Oft wird Henning Mankell zitiert:

Wenn wir uns am Bild der Massenmedien orientieren, lernen wir heute alles darüber, wie Afrikaner sterben, aber nichts darüber, wie sie leben.

Leider stimmt das allzu häufig – bisher jedenfalls.

Ich bin überzeugt, dass unsere Afrika-Politik in Zukunft ganz andere Bilder liefern kann und wir einen anderen Ansatz verfolgen werden. Anfang dieser Woche hat Entwicklungsminister Müller sein Konzept vorgestellt, das er „Marshallplan mit Afrika“ nennt. Das ist wichtig: nicht „für Afrika“. Sein Ziel ist es, Afrika als Chancenkontinent zu begreifen und partnerschaftlich die Entwicklung Afrikas zu Wohlstand und Frieden voranzutreiben.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein neuer Gedanke, aber ein guter!)

Dafür müssen wir eine andere Brille aufsetzen, und zwar in allen Politikbereichen.

In unserem Antrag fangen wir heute damit an. Hier schauen wir auf den Kontinent aus der Perspektive von Wissenschaftskooperationen mit Partnern in Subsahara-Afrika. Zugegeben, manch einer reagiert dann erstaunt und sagt: Wenn wir an Spitzenforschung oder erstklassige Hochschulausbildung denken, fällt uns nicht als Erstes diese Weltregion ein.

Lassen Sie uns heute versuchen, an einem anderen Bild von Afrika weiterzuzeichnen. Als Bildungspolitikerin sehe ich Folgendes quasi als Grundierung unseres Bildes: Das größte Potenzial Afrikas ist seine junge Generation. Schon heute ist die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung jünger als 18 Jahre. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung des Kontinents wahrscheinlich auf über 2 Milliarden Menschen verdoppeln. Wenn eines klar ist, dann das: Alle diese jungen Menschen brauchen gute Bildung als Voraussetzung, um dieses Potenzial wirklich entfalten zu können.

Das Hochschul- und Wissenschaftssystem spielt dabei eine entscheidende Rolle – für eine gute Lehrerbildung als Voraussetzung für gute Schulen, für den Hochschullehrernachwuchs, für Studienangebote, die arbeitsmarkt­orientiert ausbilden, für Forschung, die neue Lösungen für die wirtschaftliche, aber auch die gesellschaftliche Entwicklung ermöglicht. Außerdem könnten Hochschulen auch qualifizierte Beratung für Politik und Verwaltung anbieten. Wir schlagen deshalb eine ganze Serie von Maßnahmen in unserem Antrag vor. Nur einige will ich nennen.

Erstens. Künftig wollen wir zum Beispiel afrikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die durchaus in großer Zahl überall in der Welt arbeiten, als sogenannte Flying Faculties für kurzzeitige Lehraufträge an Hochschulen in ihren Heimatländern gewinnen, um damit die Qualität der Lehre dort langsam, aber stetig zu verbessern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zweitens. Bereits jetzt vergeben wir viele Stipendien. Rund 1 000 Stipendien für die qualitätsvolle Ausbildung von Hochschullehrern vor Ort sollen hinzukommen.

Wir fordern drittens noch mehr Mittel für Rückkehrstipendien. Menschen mit all ihren Talenten und all ihrem Wissen sind mobil. Sie ziehen durch die Welt, gerade die Hochqualifizierten. Davon profitieren alle am Austausch beteiligten Seiten. Das ist die Idee der Brain Circulation.

Viertens wollen wir gerade die Süd-Süd-Kooperation stärken. Die afrikanischen Wissenschaftssysteme sollten sich viel stärker untereinander vernetzen. Einen guten Ausgangspunkt dafür sehen wir im African-German Network of Excellence in Science, Kurzform AGNES. Es bringt etablierte Nachwuchsforscherinnen und -forscher aus Subsahara-Afrika bereits jetzt zusammen.

Als Forschungspolitikerin entdecke ich auf meinem Bild von Afrika täglich viele spannende Einzelheiten. Ich bin beeindruckt von Innovationen, die in Afrika erdacht wurden, zum Beispiel eine Erfindung aus Kenia: M-Pesa. Dies bedeutet auf Suaheli mobiles Geld. Per SMS können afrikanische Mobilfunkkunden – ein Handy besitzen zum Glück die meisten – Geld überweisen, auch wenn sie kein eigenes Bankkonto haben. Das war die Ursprungsidee. Mittlerweile ist das Handy zum gängigen Zahlungsmittel geworden. Man kann per Handy im Supermarkt zahlen, seine Stromrechnung begleichen und sogar günstige Kleinkredite bei Banken anfragen. Ein anderes Beispiel, eine Idee, die zurzeit in Ruanda von einem Start-up-Unternehmen erprobt wird: Um Medikamente und Blutkonserven trotz mangelnder Infrastruktur dort hinzubringen, wo sie gebraucht werden, verschickt man sie nicht per Transport auf der Straße, sondern gleich mit Drohnen.

Auch über solche technologischen Sprünge sollten wir reden, wenn wir von Afrika sprechen. Sie gehören zu einem vollständigen Bild von Afrika dazu. Unser Ziel ist deshalb, mit unserem Antrag auch dafür zu sorgen, dass die Bundesregierung die europäische Forschungspolitik in Zukunft noch besser mit der afrikanischen verknüpft und verzahnt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass wir die Herausforderungen der Zukunft nur gemeinsam und nur als Partner bewältigen können, als Partner aus dem globalen Norden und Süden mit unterschiedlichen Herangehensweisen. Denn wieder einmal gilt: Spitzenforschung lebt vom Austausch der Ideen, von unterschiedlichen Blickwinkeln, von Differenzerfahrung. Ob es um die Ernährungssicherung oder die Behandlung global bedrohlicher Krankheiten geht, wir benötigen Innovationen, die wir nur gemeinsam entwickeln können.

Es gibt zum Glück zu zentralen Forschungsthemen schon eine Reihe von erfolgreichen Kooperationen zwischen deutschen Institutionen und Partnern aus Subsahara, zum Beispiel die sogenannten Klimakompetenzzentren im westlichen und südlichen Afrika. Dort wird geforscht, damit es auch in Zeiten des Klimawandels noch Ernten geben kann und die Artenvielfalt nicht weiter reduziert wird. Aber das Besondere an diesen Kompetenzzentren ist – der Name sagt es schon –, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft gleich an die ansässigen Bauern und die lokale Verwaltung weitergegeben werden. Dort entsteht also Expertise bei afrikanischen Forschern, die von der Gesellschaft vor Ort gleich in neue Kompetenzen umgesetzt werden kann und konkret angewandt wird.

Wir wollen die Klimaforschung – so ist es in unserem Antrag formuliert – in Zukunft dringend um die Forschung zum Katastrophen- und Risikomanagement ergänzen. Auch hier sollen die gewonnenen Erkenntnisse so aufbereitet werden, dass sie angewandt werden können. Wir wollen darum auch die Hochschulkooperationen zwischen Deutschland und Subsahara-Afrika weiter fördern, konkret das Projekt der deutsch-afrikanischen Fachhochschulen. Auch hier kann man sagen, dass sich solche Partnerschaften als ein erfolgreiches Instrument, um gemeinsame Problemlösungen zu erarbeiten, bewährt haben.

Zum Schluss ein kühner Blick in die Zukunft. Stellen wir uns vor, der nächste Einstein kommt zum Beispiel aus dem Senegal. Es gibt nämlich schon eine ganze Reihe von Initiativen, die die mathematische Forschung in Subsahara-Afrika stärken wollen.

(René Röspel [SPD]: Karamba! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

– Gut ausgewählt, nicht? Genau. – Wir fördern den Aufbau neuer Lehrstühle für Mathematik.

(René Röspel [SPD]: Chemie!)

– Das wäre doch etwas für dich, Karamba. Wer weiß?

Karamba ist hier, aber vielleicht studiert oder forscht der nächste Einstein ja schon an einer der neuen mathematischen Fakultäten dort. Das wäre doch durchaus realistisch. Ein afrikanischer Einstein – damit würde unseren Bildern von Afrika jedenfalls eine kräftige neue Farbe hinzugefügt werden. Ich bitte Sie jedenfalls um die Unterstützung unseres Antrags, damit wir die Bildergalerie Afrikas gemeinsam erweitern.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Claudia Lücking-Michel. – Nächste Rednerin: Christine Buchholz für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7064857
Wahlperiode 18
Sitzung 216
Tagesordnungspunkt Wissenschaftskooperation mit Subsahara-Afrika
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